Von Sven Böll und Sophie Crocoll
Die Coronakrise offenbart den Digitalisierungsrückstand der Schulen. Wenn diese nun wieder öffnen, droht wieder einmal Unterrichtsausfall. Dabei könnte die Zwangspause sogar dazu beitragen, die Probleme zu lindern.
Als Vater von drei Kindern ist Michael Mattig-Gerlach Experte für Unterrichtsausfall - und das nicht erst, seit die Schulen geschlossen sind. Wenn sie nach der Coronapause nun wieder öffnen, ahnt Mattig-Gerlach, wird die Lage wieder sein wie vorher. Er wird damit rechnen müssen, dass seine Kinder früher nach Hause kommen. Dass nichts so gewiss ist wie die Ungewissheit des Stundenplans.
Auch anderen Eltern ging es wie Mattig-Gerlach. Sie erhoben Anfang
2018 den Stundenausfall an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart. Das
Ergebnis der empirischen Privatforschung: Knapp 14 Prozent des
Unterrichts fand nicht wie geplant statt. Fast acht Prozent der Stunden
fielen aus.
Für Mattig-Gerlach ist die Sache klar: „Es gibt einen
Zusammenhang zwischen dem Ausfall von Stunden und dem Nichterreichen
von Lernzielen.“ Und die aktuelle Situation verstärke die
Chancenungleichheit. Zwar versuchten die meisten Lehrer, das E-Learning
voranzubringen: „Aber sie können nicht davon ausgehen, dass bei allen
Schülern die gleichen Voraussetzungen herrschen, um zu Hause zu lernen.“
Verfügen die Kinder und Jugendlichen oder zumindest ihre Familien über einen Rechner, einen Drucker? Können die Eltern so helfen, wie es Lehrern in der Schule möglich wäre? Das sind die grundlegenden Fragen. Und oft lautet die Antwort: nein.
Rund die Hälfte davon kommt den Schulen zugute.
Trotzdem steht Deutschland
im internationalen Vergleich immer noch mittelmäßig da. Bei den
Pro-Kopf-Ausgaben im sogenannten Primarbereich (Grundschulen), liegt die
Bundesrepublik nur leicht über dem Durchschnitt aller OECD-Staaten.
Im Sekundarbereich, also in den Klassen bis zum Hauptschulabschluss
oder zur mittleren Reife, sieht es nur unwesentlich besser aus.
Und
auch das gehört zum deutschen Bildungsmysterium: Alle rufen nach mehr
Geld. Doch niemand will es haben. Das zeigte sich zuletzt am mühsam
zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Digitalpakt.
Fast ein
Jahr nach seinem Inkrafttreten sind die Mittel noch immer nicht vor Ort
angekommen: Von den mehr als fünf Milliarden Euro, mit denen die Schulen
in diesem Jahr endlich den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen sollten,
haben die Länder bislang nur einen niedrigen dreistelligen
Millionenbetrag abgerufen.
Zum Original