Was muss sich ändern, damit Frauen 2020 der Durchbruch durch die gläserne Decke gelingt? Netzwerk-Gründerin Frederike Probert über den Rummel um Frauen in Führungspositionen und wie man Unterstützung konkret einfordert.
WirtschaftsWoche: Frau Probert, mit Jennifer Morgan bei SAP
steht seit Oktober erstmals eine Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns.
In den größten börsennotierten Unternehmen ist der Frauenanteil in den
Aufsichtsräten auf mehr als 30 Prozent gestiegen. War 2019 in Deutschland der Wendepunkt für mehr Frauen in Führungspositionen?
Frederike Probert:
Nein, leider noch nicht. Es bewegt sich langsam etwas, das ist
natürlich gut. Aber in den sozialen Netzwerken hat man kurz vor
Weihnachten viele Vergleiche gesehen: Bilder der neuen, sehr weiblichen
finnischen Regierung und deutscher Gremien und Vorstände. Diesen
Unterschied zu sehen ist für Deutschland ein Weckruf: Es ist noch
einiges zu tun.
Zumal viele deutsche Journalisten erst einmal das Alter und Aussehen der neuen finnischen Ministerpräsidentin hervorhoben…
…statt
ihrer Qualifikation. Sie kann doch nichts dafür, dass sie gut aussieht,
oder? Darauf soll man Frauen bitte nicht reduzieren. Für mich zeigt die
Reaktion vor allem, dass Frauen an der Spitze eben noch nicht normal
sind. Egal, ob in Konzernen oder in der Politik – sie bekommen eine
besondere Aufmerksamkeit. Das ist einerseits gut, weil diese sie
sichtbar macht. Aber wir müssen aufpassen, dass der Rummel nicht zu groß
wird, sonst hält er sie in ihrer Sonderrolle.
Glauben Sie, dass wir 2020 mehr Normalität erreichen?
Dafür
müssen wir viel nüchterner an das Thema herangehen. Was zählt, ist
Leistung. Die sollte im Vordergrund stehen. Ich glaube, 2020 kann dann
ein gutes Jahr werden: Es gibt mehr Frauen und sie wollen jetzt auch
selbst wahrgenommen werden – nur eben für das, was sie tun, und nicht,
weil sie Frauen sind. Sie wissen, dass sie einen guten Job gemacht und
sich ihren Aufstieg verdient haben – und sie sehen ihre
gesellschaftliche Verantwortung, auch ein Vorbild für die jüngere
Generation zu sein.
Das ist lange nicht so gewesen. Für die ersten
Vorstandsfrauen ging es oft eher darum, sich möglichst gut an die
Männerwelt anzupassen, oder?
Ja, aber dieses Bienenköniginnen-Syndrom nimmt glücklicherweise ab.
Bienenköniginnen-Syndrom?
So nenne ich Frauen,
die sich in einem von Männern dominierten Job durchgesetzt haben, sich
selbst aber von Frauen distanzieren und deshalb weibliche
Nachwuchskräfte am Aufstieg hindern. Ihr Motto: „Für mich war es auch
ein harter Weg, kämpf‘ dich mal schön selbst durch“.
Nicht gerade freundlich…
Ich meine das nicht
böse, sie hatten die Männerrolle im Job verinnerlicht, mussten auf
vieles verzichten, sei es Familie – das verhärtet schon auch. Selbst
die, die schon lange dabei sind, denken aber gerade um, getrieben vom
Gefühl: „Wenn ich nicht die letzten fünf Jahre nicht auch noch allein
mit Männern am Tisch sitzen will, muss ich etwas ändern.“ Das stimmt
mich positiv.
Unternehmen, Politik: Wer muss 2020 was verändern, damit Frauen der Durchbruch durch die gläserne Decke vollends gelingt?
Klar,
Unternehmen müssen wirklich verinnerlichen, dass sie Frauen haben
wollen – und sie nicht nur aus Marketing- und Zeitgeistgründen suchen.
Die Politik soll natürlich einen guten Rahmen setzen: Also etwa das
Ehegattensplitting abschaffen und eine Quote nicht nur für den
Aufsichtsrat einführen, um mit charmanter Penetranz mehr Frauen an die
Tische der Entscheider zu setzen. Männer dürfen auch nicht länger dafür
gefeiert werden, dass sie zwei Monate Elternzeit nehmen und davon sechs
Wochen Urlaub auf Fuerteventura machen. Aber der effizienteste und
schnellste Hebel liegt bei den Frauen selbst.
Wie meinen Sie das?
Frauen müssen endlich lernen, wie sie aktiv die Karriere
von anderen Frauen stärken können. Wir tappen leicht in die
Kaffeeklatschfalle – gehen freundlich miteinander um, sind uns
sympathisch, bleiben dadurch aber unverbindlich miteinander. Wir müssen
lernen, konkret zu formulieren, was wir von wem brauchen – und das aktiv
einzufordern. Oft fehlt dazu noch die Vertrauensbasis zwischen Frauen.
Wie kann das sein?
Frauen sind von einer
bestimmten Ebene in Unternehmen oft nicht gewohnt, mit Frauen
zusammenzuarbeiten – einfach, weil sie fast nur Kollegen haben. Meine
Erfahrung zeigt, dass das von außen professionell gemanagt werden muss:
Vertrauen aufbauen, verbindlich werden. Das geht nur über langfristige
Maßnahmen. Aber ich bin zuversichtlich. Die Initialzündung wird 2020
kommen.
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