Ein Haus in der Eckertstraße im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Einst galt das Grundstück hier laut Stadtplanungsamt als unbebaubar, zu verschnitten, doch heute stehen darauf Wohnungen: So flexibel gestaltet, dass man sie auch leicht wieder umbauen könnte, wenn sich die Wohnbedürfnisse ändern. Als „vorbildlich“ zeichnete der Bund Deutscher Architekten das Projekt „Einfach gebaut“ aus. Das Projekt eignet sich also bestens, um über die Probleme beim Wohnungsbau und mögliche Lösungen für die Misere zu sprechen. Die Lehre vor Ort: Es geht viel, wenn der Wille vorhanden ist.
Frau Bohle, Herr Sauerbruch, nicht nur hier in Berlin,
sondern in vielen Stadtteilen großer und mittlerer Städte, steigen die
Mieten stark – und trotzdem wurden in den vergangenen Jahren dort nicht
einmal drei Viertel der benötigten neuen Wohnungen gebaut. Was läuft da
schief?
Matthias Sauerbruch: Das große
Paradoxon ist: Die Renditen aus dem Verkauf oder die Einnahmen aus der
Vermietung einer Wohnung sind für Bauherren oft geringer als die
Baukosten. Und das, obwohl die Mieten relativ hoch sind. Da stimmt etwas
nicht. Für Architekten ist das eine große Herausforderung.
Anne Katrin Bohle:
Was diese Herausforderung angeht, vertraue ich stark auf die Kraft und
Kreativität von Architekten. Für mich liegt das Hauptproblem allerdings
in der Bereitstellung von Bauland.
Tatsächlich steigen die Baupreise so stark wie seit zehn
Jahren nicht. Können Sie, Herr Sauerbruch, in diesem Umfeld überhaupt
noch kreativ agieren?
Sauerbruch: Der
Großteil des Wohnungsmarkts wird von privaten Investoren bedient, denen
es in erster Linie um ein gutes Geschäft geht. Öffentliche Bauherren
agieren inzwischen leider nicht viel anders. Stiftungen und Kirchen
wiederum sind oft gute Partner, weil sie vor allem inhaltliche
Vorstellungen pflegen. Und dann gibt es, am Rande des Geschehens,
Genossenschaften, Baugruppen, Einzelbauherren, die auf Qualität achten.
Wenn man das Glück hat, mit diesen Leuten zu arbeiten, kann man kreativ
sein.
Bohle: Wir hoffen, dass wir für Genossenschaftsprojekte und Baugruppen mehr Anreize setzen können. Daher wiederhole ich gebetsmühlenartig: Die Kommunen müssen wieder die Hoheit über die Planung bekommen und Bauland zur Verfügung stellen. Dann kann man auch stadtplanerisch festlegen: Wir bevorzugen hier und dort bezahlbaren Wohnraum. Im Übrigen will ich festhalten, dass auch viele unserer Partner in der Immobilienwirtschaft nicht einfach nur eine schnelle Mark machen wollen.
Bohle: Sie
reden mit einer Juristin. Und als solche sage ich: Wir genießen, bei
aller vermeintlichen Bürokratie, ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Wer
eine Genehmigung in der Hand hält, ist abgesichert. Und wir verfügen
über sehr gute Beteiligungsverfahren: Neben Fachleuten beziehen wir auch
die Bürger mit ein.
Sauerbruch: Ein Bebauungsplan ist in unter zwei Jahren kaum zu haben, es kann auch länger dauern, je nach Komplexität und politischer Lage. Die demokratische Planungskultur ist kompliziert, im guten Fall besser, keine Frage. Aber sie treibt auch Blüten.
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