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Wir brauchen eine strenge Frauenquote, jetzt!

Wir sind in Deutschland noch weit von wirklicher Gleichstellung der Geschlechter entfernt.

Die Gesellschaft ist freiwillig nicht bereit, jemand anderem als weißen, heterosexuellen Cis-Männern Macht zu überlassen. Wir brauchen eine Quote mit harten Sanktionen. Ein Kommentar.

71 Professorinnen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben Anfang September in einem Brief an den rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) ein neues Hochschulgesetz kritisiert, nachdem Gremien an den Universitäten in Rheinland-Pfalz künftig zu gleichen Anteilen mit Frauen und Männern besetzt werden sollen.

Und schon sprangen die Frauenquoten-Gegner freudig auf und riefen: Seht ihr? Sogar die Frauen, die es betrifft, wollen keine Quoten! Können wir diesen Quatsch jetzt endlich sein lassen?

Nein, können wir nicht. Denn besagten Professorinnen geht es um genau dieses Problem. Sie sind nicht gegen eine Frauenquote, wie viele Journalist*innen fälschlicherweise titelten, sondern prangern an, dass es zu wenig Frauen an den Hochschulen gibt, die die Gremien besetzen könnten.

Denn: Nur 23 Prozent der Lehrstühle in Deutschland sind von Frauen besetzt. In Verbindung mit dem neuen Hochschulgesetz wird das nun in Mainz zum Problem. Denn in der Gruppe der Hochschullehrer*innen müsste dann jede Frau durchschnittlich in dreimal so vielen Gremien tätig sein wie ihre männlichen Kollegen. Für die Frauen bleibt dann weniger Zeit zum Forschen. Keine guten Voraussetzungen, um sich in der Wissenschaft zu etablieren.

Wir sind in Deutschland noch weit von wirklicher Gleichstellung der Geschlechter entfernt. Im Versuch, wenigstens ein bisschen so zu tun, als läge der schwarz-roten Bundesregierung etwas daran, führte sie vor einigen Jahren verschiedene Regelungen ein. Der öffentliche Dienst bekam eine relative Quotenregelung. Seitdem werden Stellen im öffentlichen Dienst mit dem Zusatz versehen, dass bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt werden. Wie das in der Realität kontrolliert werden soll, bleibt fraglich.

Seit 2016 gilt für die Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen eine verbindliche Geschlechterquote von 30 Prozent. Wenn keine Frau eingestellt wird, bleibt der Platz im Aufsichtsrat einfach unbesetzt. Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen verpflichtet außerdem etwa 3500 Unternehmen, sich Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils zu setzen. Nur, dass manche Unternehmen sich dann eben die Zielgröße Null setzen. Zum Beispiel Fielmann, Südzucker und Zalando. Aber eigentlich ist es auch egal, denn Sanktionen sind nicht vorgesehen Diese Informationen dürfen übrigens gerne bei der nächsten Kaufentscheidung berücksichtigt werden.

Es ist eins dieser vollkommen sinn- und zweckbefreiten Gesetze, die wir so seit Jahren ständig von der Bundesregierung vorgelegt bekommen, die bloßer Schein sind und nichts verändern sollen.

Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat das nun bestätigt: Freiwillige Selbstverpflichtung zur Erhöhung des Frauenanteils oder sanktionslose Geschlechterquote bringen so gut wie nichts. Für die Studie haben Katharina Wrohlich und Paula Arndt Daten des European Institute for Gender Equality (EIGE) beziehungsweise der Datenbank „Women and Men in Decision Making" ausgewertet. Sie zeigt deutlich: Der Frauenanteil in Spitzengremien großer Unternehmen steigt in den Ländern, in denen harte Sanktionen drohen, zum Beispiel in Norwegen, am meisten. Dort stieg der Frauenanteil von 20 auf 41 Prozent.

Demgegenüber ist der Frauenanteil in den Ländern mit moderaten Sanktionen, zu denen neben Deutschland Österreich und Portugal gehören, von sieben auf nur 29 Prozent gestiegen. Ähnlich verlief die Entwicklung in den Ländern mit sanktionslosen Geschlechterquoten (Steigerung von sechs auf 29 Prozent). Deutlich weniger tut sich, wenn Länder den Unternehmen nur Empfehlungen zu Gender Diversity im Rahmen von Leitlinien zur Unternehmensführung geben (Steigerung von zwölf auf 23 Prozent) oder nicht einmal das tun (Steigerung von elf auf 17 Prozent).

Wrohlich stellt fest: „Geschlechterquoten wirken tatsächlich, und zwar umso mehr, je strikter sie ausgelegt sind. Oft wird das noch immer bestritten und auf die Eigeninitiative der Unternehmen vertraut. Wenn es um Quotenregelungen auch für andere Bereiche wie Politik, Wissenschaft oder Medien geht, sollte also allen Beteiligten klar sein, dass von freiwilligen Selbstverpflichtungen oder Quoten ohne Sanktionen nicht sehr viel zu erwarten ist."

Eine strenge Quotenregelung funktioniert und hat das Land Norwegen nicht in den wirtschaftlichen Ruin getrieben. Eine Studie sollte dies 2013 übrigens beweisen und spricht von einem negativen Effekt auf kurzfristige Renditen. Zur langfristigen Performance macht die Studie keine Aussagen. Man fragt sich da ja schon, was bei Menschen schiefläuft, die mit allen Mitteln beweisen wollen, dass die Beschäftigung von Frauen einem Unternehmen schadet.

Aber zurück nach Deutschland. Hier ist ja die moderate Quotenregelung für viele schon zu hart. Denn die Sorge ist groß, dass es gar nicht genug qualifizierte Frauen gibt. Überlegen wir mal gemeinsam: 50 Prozent der Menschen in Deutschland sind Frauen. Und die Quotengegner*innen sagen also, dass bei diesem Verhältnis in der deutschen Bevölkerung dennoch weniger fähige Frauen als Männer gibt. Ich übersetze mal kurz, für alle, die die Tragweite dieses Arguments jetzt immer noch nicht begriffen haben: Diese Menschen sagen, Frauen sind dümmer als Männer.

Mein Lieblingsgegenargument ist aber die Behauptung, eine Frauenquote sei diskriminierend gegenüber Männern. Das ist wenigstens noch richtig witzig und nicht so ekelhaft sexistisch. Hunderte von Jahren duften Frauen bestimmte Berufe nicht mal ausüben, es galt, wenn auch nicht gesetzlich festgelegt, bis vor wenigen Jahren eine 100-prozentige Männerquote und ihr wollt jetzt erzählen, dass die Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation nun diskriminierend sei. Lustig.

Ein Gegenargument, das besonders Frauen gerne benutzen, ist, dass man durch eine Quote die Stigmatisierung fördere. Dass jede Frau, die eine Spitzenposition innehat, sich anhören muss, sie sei nur wegen der Quote da wo sie jetzt ist, und dass ihre Leistung nicht anerkannt werden würde. Also genau das, was sich erfolgreiche Frauen seit Jahrzehnten bereits anhören, nur ersetze man Quote durch ‚Hochschlafen'.

Ein tatsächliches Problem besteht darin, dass es in einigen Bereichen nur wenige Bewerbungen von Frauen gibt. Aber anstatt nun wieder mit sexistischen Argumenten um sich zu werfen - Frauen seien eben in den MINT-Fächern nicht so bewandert, Frauen würden keine Karriere machen wollen und lieber Mutter sein - sollte man sich lieber fragen, woran das wirklich liegt.

Studien haben erwiesen, dass es Vorbilder braucht. Und daran mangelt es für Frauen. Besonders in Berufsfeldern, die von Männern dominiert werden, haben Frauen eine wichtige Rolle. Sie motivieren andere Frauen. Frei nach dem Motto: Wenn die es schaffen kann, dann schaffe ich das auch. Denn gerade wenn Fähigkeiten gefragt sind, in denen Frauen sich nicht so stark fühlen, weil sie Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt sind, hilft ein weibliches Vorbild.

Zu sehen ist dieses Muster auch an Universitäten: Bereits vor 30 Jahren wurde erwiesen, dass Studentinnen sich aktiver an einer Veranstaltung beteiligen und mehr Interesse zeigen, wenn diese von einer Frau geleitet wird.

Um weibliche Vorbilder zu schaffen und sie in den Fokus zu rücken braucht es Genderstrategien - an Universitäten wie in der freien Wirtschaft - und eben eine Frauenquote mit harten Sanktionen. Das wird durch die Studie des DIW deutlich.

Ja, es ist deprimierend. Denn die Studie zeigt, wie wenig die Gesellschaft bereit ist, jemand anderem als weißen, heterosexuellen Cis-Männern Macht zu überlassen. Wir können nicht auf Freiwilligkeit setzen. Aber es war auch sehr naiv zu glauben, dass die Gleichberechtigung einfach so passiert.

Stellt euch mal vor, die Frauenbewegungen hätten Anfang des 20. Jahrhunderts darauf gewartet, dass sich die Gesellschaft „freiwillig" auf ein Wahlrecht für Frauen hin entwickelt. Sie wären nicht auf die Straßen gegangen, hätten sich nicht organisiert, in Kundgebungen und Protesten ihr Anliegen laut hinausgeschrien und nicht für ihr Recht gekämpft, um schließlich und endlich von der Politik gehört zu werden. Dann dürften Frauen bis heute nicht wählen.

Die Politik muss die Quotenregelung massiv verschärfen. Denn die Quote kann schaffen, was eine patriarchalische Gesellschaft von selbst niemals leisten kann: Frauen zu einem mitgestaltenden Teil der Gesellschaft zu machen und das bewusste an den Rand drängen zu beenden.

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