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Kritik an Antifa: Nichts als populistische Hetze

Aktivist*innen hatten die Eingänge zum Alten Rathaus in Göttingen blockiert.

Antifaschistische Linke protestieren in Göttingen gegen eine Lesung von Thomas de Maizière bzw seine Verantwortung für Waffenlieferungen. Der zivilgesellschaftliche Protest wird als gewalttätig dargestellt. Eine Gefahr für die Demokratie. Kommentar.

Zu keiner Zeit gab es Gewalt, es war eine friedliche Protestaktion. Linke Aktivist*innen hatten die Eingänge zum Alten Rathaus in Göttingen blockiert, waren auf Bäume geklettert. Ziel der Aktion: Auf die Verantwortung von Thomas de Maizière, der dort eine Lesung halten wollte, und seiner Partei CDU für deutsche Waffenlieferungen, unter anderem an die Türkei, aufmerksam zu machen. Als Verteidigungsminister war de Maizière Befürworter deutscher Kriegseinsätze gewesen, als Innenminister hat er den Überwachungsapparat weiter ausgebaut.

Die Polizei sprach von etwa 100 Demonstranten vor Ort, körperliche Auseinandersetzungen oder Verletzte habe es keine gegeben. Dennoch behauptete Johannes-Peter Herberhold, Geschäftsführer des Literaturherbstes Göttingen: „Wir müssen uns der Gewalt beugen", und sagte die Veranstaltung ab.

Es ist dreist und eine Gefahr für die Demokratie, wie nun von rechten Kräften versucht wird, die antifaschistische Aktion als gewalttätig und rechtswidrig darzustellen.

In Göttingen konnte man am Montagabend sehen, was demokratisch organisierte Kräfte bewirken können. Dass die Bundesregierung mit ihrer rechtsgerichteten, neoliberalen Politik nicht weitermachen kann, ohne auf Protest zu stoßen. Dass es laute Stimmen gibt, die immer für Menschenrechte und gegen Krieg, Waffenlieferungen und Überwachungsstaat eintreten werden. Die Blockade von de Maizières Vorlesung in Göttingen war ein Akt des zivilgesellschaftlichen Protests.

Das ist Wirtschaftsminister Peter Altmaier aber ein Dorn im Auge und ein Grund, mal wieder gegen links zu wettern: „Thomas De Maizière hat unserem Land und seiner freiheitlichen Verfassung viele Jahrzehnte lang gedient. Die Blockade seiner Vorlesung in Göttingen durch die Antifaschistische Linke ist eine unerhörte Missachtung von Recht und Person, die wir nicht hinnehmen dürfen", schrieb der CDU-Politiker auf Twitter.

Wolfgang Kubicki legte auf Facebook nach: „Ist das die Antifaschistische Linke, die die Linken-Abgeordnete Martina Renner mit einem Antifa-Button im Deutschen Bundestag bewirbt? Wer sich rechtswidriger Aktionen bedient, um seine politischen und moralischen Vorstellungen umzusetzen, ist ein Antidemokrat. Ich erwarte von der Linken im Bundestag, dass sie sich von diesen Aktivisten distanziert.", schrieb der FDP-Mann, der sich anscheinend immer noch nicht davon erholt hat, dass das Tragen eines Antifa-Buttons ein normales und lobenswertes Statement gegen Faschismus ist.

Wo ist diese „harte" Haltung eigentlich, wenn es um tatsächlich demokratiefeindliche Aktionen, wie Pegida-Demonstrationen und Nazi-Aufmärsche, geht?

Beide Politiker verdrehen eine antifaschistische Protestaktion zu einem Rechtsbruch und bedienen so das Narrativ der „bösen" Linken. Dabei geht es ihnen doch eigentlich nur um Folgendes: In den Augen dieser beiden Herrn ist Linkssein eine Bedrohung, die man im Keim ersticken muss.

An der Kritik, die an populistische Hetze grenzt, erkennt man, wie weit nach rechtsaußen unsere Politiker gerutscht sind und wie nah dran sie an der Einschränkung vom Demonstrationsrecht sind. Denn für sie ist linksmotivierter Protest gegen herrschende Politik ein „rechtswidriger" Gewaltakt. Erdogan lässt grüßen.

Politiker wie Altmaier und Kubicki greifen nach jedem Strohhalm, um Antifaschismus und linke Politik als Bedrohung für den Rechtsstaat zu verunglimpfen. Zur Not eben mit populistischen Mitteln. Wenn das ihr Verständnis von einem Rechtsstaat ist, sind sie eine Gefahr für die Demokratie.

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