Sonja Pham

Redakteurin / Journalistin, München

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SEI KEIN HORST!

Über ein halbes Jahrhundert prägt die HFF mit ihren Studenten nunmehr mediale Errungenschaften und das visuell-dokumentarische Bildungswesen Münchens. Als renommierte Filmhochschule manifestiert sich ihr Ruf nicht nur in der prominenten Lage im Kunstareal, oder dem fortschrittlichen Equipment, samt Technik, Filmarchiv und Recherchematerial. Insbesondere weist sie Absolventen auf, die in intensiven Studienfächern von Spielfilmregie bis Dokumentarfilm hinzu Publizistik und Drehbuch gelernt haben, mitreißende Stories zu erzählen. Unter ihnen sind etwa die Erfolgsgeschichten von Florian Henckel von Donnersmarck, Caroline Link und Ronald Emmerich. Es mögen zwischen deren Dramaturgie, Bildsprache sowie Drehort zwar sprichwörtliche Welten liegen, doch haben die Narrativen von „Das Leben der Anderen“, „Nirgendwo in Afrika“ und sogar meinetwegen „Independence Day“ gemein, dass einzelne, existenzbedrohte Biographien erzählenswert sind. Mehr noch, dass sie Filmgeschichte schreiben, weil sie unsere Emotionen anrühren, und wir allenfalls die Metapher begreifen, dass dieser Heimatplanet umkämpft ist von herrschsüchtigen Gewalten. 


Das Filmbusiness steht freilich auch für Eskapismus und Entertainment. Umso mehr war es einigen Studenten der HFF wichtig, zum diesjährigen ZUKUNFTSKONGRESS @BAYERN DIGITAL ein Zeichen zu setzen, und sich nicht ausschließlich mit den Förderungen zur bayrischen Leuchtturmstellung in Sachen Digitalisierung zu beschäftigen. Der Ministerpräsident kündigte sein Beisein an, und verlautete, dass „die Staatsregierung rund 6 Milliarden Euro in das Zukunftsprogramm BAYERN DIGITAL, in die digitale Infrastruktur genauso wie in die Weiterbildung von Arbeitnehmern oder die digitale Pflege investiert.“

Weil der CDU-Politiker zu den Themenkomplexen „Infrastruktur und Zukunftsgestaltung“ zuletzt im Bezug auf den angeblichen Asyltourismus harsche Worte fand und in seiner Asylpolitik alles andere als menschliche Züge zeigte, war es 35 HFF-Studenten ein Anliegen, seinen Besuch an der Hochschule nicht unkommentiert zu lassen: Sie begrüßten den Ministerpräsident mit einem stummen Protest, um auf verstorbene Geflüchtete im Mittelmeer aufmerksam zu machen. Die Gruppe, einige mit Schwimmwesten bekleidet, übergossen sich mit Wasser begossen und legten sich minutenlang stumm auf den Boden des Foyers, das Söder durchqueren musste.


Die Aktion fand mediale Beachtung und durchlief rasch alle Social Media Portale, nicht nur weil Capriccio berichtete und der Clip postwendend von Jan Böhmermann geteilt wurde. Auch, weil eine Spendenaktion zugunsten des Vereins Sea-Eye e.V. initiiert wurde, der sich der Seenotrettung verpflichtet hat und auf dem Mittelmeer nördlich der libyschen Hoheitsgewässer mit umgerüsteten Fischkuttern auf Fahrt sind.  Die Kampagne SEI KEIN HORST! – HFF-Studierende für Sea-Eye e.V. unterstützte mit knapp 22.000 € die Finanzierung der Sea-Eye II – ein drittes hochseetaugliches Schiff für die Arbeit des Vereins.


Erschreckend waren für Beteiligte wie Regie-Student Simon Denda die nicht nur grammatikalisch gruseligen Hasskommentare und irrsinnige Lästereien, von „Ob die Flasche Wasser hilft, wenn der schwarze Mann kommt, und unter den Rock fassen will?!“, über „Schade, wenn die Frauen wenigstens nackt gewesen wären – aber so. total langweilig“ bis zu „Hm. Wenns benzin in den flaschen ist und jemand dannach eine raucht.... weiter so“ – auch die Neonazi-Kleinpartei Der III. Weg lästerte auf deren Website über „gutmenschlich Verwirrte und durchgenderisierte HFF-Student*innen“.


Dass man jedoch auch negative, irrationale Kritik im besten Falle abprallen und sich nicht von seiner erzählerischen Leistung ablenken lässt, ist glücklicherweise Teil der Film- und Fernsehbranche. Weiterhin ist es den Organisatoren der Protest- sowie Spendenaktion ein Bedürfnis, auf die Tausende Flüchtende aufmerksam zu machen, die im Mittelmeerraum zu Opfern werden – ob von den unbarmherzigen Fluten, oder menschenrechtsverletzenden Zuständen an der afrikanischen Küste, die nicht zuletzt den EU-Strategien in die Hände spielen.


Simon Denda verweist auf weitere Spendenmöglichkeiten im Sinne der beteiligten HFF-Studierenden: Unter fb.me/seaeyeorg und twitter.com/seaeyeorg sowie https://www.betterplace.org/de/fundraising-events/31244 gibt es hierzu weitere Informationen. Primäres Ziel von Sea-Eye e.V. ist, Menschen in Lebensnot zu finden, SOS abzusetzen und eine professionelle Rettung einzuleiten. Die Aufgabe besteht in der Überlebenssicherung der Flüchtenden – was nicht nur filmreif ist, sondern vor allem menschlich und richtig. 




Text: Sonja Steppan