Vergangenen Herbst ließ ich mich von meiner Wiesn-Überdrüssigkeit dazu hinreißen, fluchtartig die Stadt zu verlassen, packte ein paar transportable Habseligkeiten auf meinen Gepäckträger und radelte nach Berlin. Auf der Strecke im Tenneloher Forst, einem großflächigen Naturschutzgebiet hinter Nürnberg, verließ mich kurzfristig der Mut, denn es regnete wie bescheuert und meine Brille beschlug ohne Unterlass, außerdem fuhr ich versehentlich im Kreis. Nass, wütend und orientierungslos saß ich zwischen seltenen Farnen und Nadelbäumen. Auf meinem Bench-Turnbeutel stand in weißen Lettern «1 P.A.G.E. – THE MOST DANGEROUS GALLERY IN THE WORLD», deswegen beschloss ich irgendwann, dass ich weiterradeln sollte, erreichte vier Tage später die Hauptstadt und gab furchtbar damit an, dass ich allen Widrigkeiten getrotzt und den Sportrucksack so weit befördert hatte.
Die First Page Gallery wandert mit Werken aus Fotografie, Malerei, Bildhauerei, Videokunst, Grafik und Streetart seit drei Jahren durch verschiedene Off-Spaces in München und feiert mehrmals im Jahr wilde Parties rund um national wie international Aufsehen erregende Künstler, geistreiche Querulanten und Schöpfer neuer Ideen. Sie verkörpert die mobile Collage, das lebensbejahende Flanieren durch brach liegende Räume und eine gewisse Jack Kerouac‘sche Denke: “Ah, life is a gate, a way, a path to Paradise anyway, why not live for fun and joy and love or some sort of girl by a fireside, why not go to your desire and LAUGH…”
Als Printformat weniger vergänglich als eine furiose Vernissage gestaltet sich das Superpaper, das ihre Zielgruppe als eine „gebildete, stilsichere und moderne Leserschaft“ definiert, und nicht ohne Grund eng mit der Münchner Kunst- und Kulturszene verwoben ist. Mittlerweile inkludiert es das Heft im Heft „Village Voice“, bespielt monatlich die Goldene Bar mit einem feudalen Lesezirkel und hat ihre Redaktion letzten Dezember vom Küchentisch kurzerhand ins HipHop-Deli Bikini Mitte verlagert. Das Superpaper lebt vom Enthusiasmus der Redakteure, von der Getriebenheit der unermüdlichen Herausgeber, von der freundschaftlichen Verbundenheit mit kulturellen Instanzen, lokalen Klubs und Agenturen sowie der Vielzahl an Läden, die die 15.000 Exemplare monatlich an den Leser bringen. Es ist ein Blatt voller Poesie, Hektik, Relevanz und Komik, und niemals redundant.
8 Jahre Superpaper und 3 Jahre 1Page Gallery sind, ohne Zweifel, die beste Gelegenheit, den ehemaligen Hochbunker am Viktualienmarkt mit einer Horde Freunde und Freundesfreunde zu füllen und die Jungs von Sucuk&Bratwurst um eine limitierte T-Shirt-Edition zu bitten. Klaus St. Rainer stellt in Kollaboration mit Bulleit Bourbon den schnellsten 250 Gästen einen eleganten Drink an den Tresen.
Zum Original