Linkische Posen, schelmischer Blick, der hektische Griff zur Hornbrille. Schon ohne Worte war er urkomisch. Dabei war Heinz Erhardt ein Meister des Sprachwitzes. Immer noch ist er mit seinen Wortverdrehungen und hintersinnigen Reimen ein Vorbild für viele Comedians. Am 20. Februar wäre der bekannteste Witzbold des Wirtschaftswunders 100 Jahre alt geworden.
Von Söhnke Callsen
Noch heute sprechen sie in seinem Stadtviertel vom „König von Wellingsbüttel". Doch der berühmte Komiker baute sich kein weißes Schloss in der Hansestadt. Stattdessen bezog Heinz Erhardt mit seiner Familie für 20.000 Mark ein bescheidenes Domizil im Hamburger Norden.
130 Quadratmeter für Vater, Mutter und vier Kinder. Der große Peter Frankenfeld soll erst bei der schmucken Villa gegenüber geklopft haben, als er seinen Kollegen besuchen wollte. Heinz Erhardt stand in seinem Hauseingang und winkte. „Ich hab zwar keine Villa, Peter, aber dafür ist mein kleines Häuschen bar bezahlt!"
Noch heute steht der Backsteinbau aus den späten 30er-Jahren im Fasanenhain. Kaum etwas hat sich hier verändert. Die Fenster sind frisch gestrichen, und der Weg ist ordentlich geharkt, als hätte der große Mime sein Zuhause, in dem er über 30 Jahre lebte, gerade erst verlassen. Drinnen sind die Decken niedrig und die Räume verwinkelt - kaum vorstellbar, dass hier der groß gewachsene, rundliche Spaßvogel ein und aus ging.
Hier schrieb er die berühmten Gedichte, die „Made" oder den „Tauchenichts", schmiedete Vierzeiler und Schüttelreime. Hier gab er seine Werke erstmals „zum Allerbesten" - vor seiner Frau Gilda und seinen Kindern. Nicht immer gingen Kalauer wie „Frauen sind die Juwelen der Schöpfung, man muss sie mit Fassung tragen", durch die Familienzensur. Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und verfasste noch 'n Gedicht.
Erhardt nahm das Geschäft mit den Scherzen sehr ernst. Pausen oder gar Urlaub gönnte er sich kaum. Nur selten sah man ihn mit seinen Kindern Federball spielen im Garten, erzählen die Nachbarn.
Selbst auf Familienausflügen war der große Sprachkünstler in Gedanken bei seinem Beruf. So konnte es schon mal vorkommen, dass Papa Heinz auf der Autobahn plötzlich in die Eisen ging und seinen goldfarbenen Mercedes auf den Standstreifen lenkte, erinnert sich seine Tochter Grit Berthold. „Dann war ihm wieder einer seiner Sprüche eingefallen, und er musste ihn sofort notieren."
19 Alben hat ihr Vater ihr hinterlassen. Dicke, in Leder gebundene Wälzer, in denen er jeden Zeitungsartikel, jedes Foto, jede Ehrenurkunde säuberlich einklebte. „Das war das Geheimnis seines Erfolgs, er sammelte jede Kritik, um sich zu verbessern", sagt Grit Berthold und blättert dabei in den schon etwas vergilbten Seiten.
Heinz Erhardt, noch schlank, als junger Pianist in seiner Heimatstadt Riga. Dann auf der Bühne in Willi Schaeffers „Kabarett der Komiker" Ende der Dreißiger in Berlin. Und schließlich als gefragter Filmstar der 60er- und 70er-Jahre neben Walter Giller und Hans-Joachim Kuhlenkampff.
Es sind Bilder einer bewegten Karriere. Eine Karriere, die eng mit Hamburg verbunden war. 1946 kam Erhardt in die völlig zerstörte Stadt. Ihm selbst war im Krieg das Schlimmste erspart geblieben. Die Marine hatte den Nichtschwimmer als Truppenunterhalter zum Musikkorps abkommandiert.
Der Sendestart des Nordwestdeutschen Rundfunks im Bunker am Heiligengeistfeld war auch der Beginn seiner Nachkriegskarriere. Mit der wöchentlichen Glosse „So was Dummes" eroberte er schnell die Herzen der Hörer. Es folgten Auftritte im „Haus Vaterland" oder in der „Kleinen Komödie" am Neuen Wall.
Neben seinem Beruf fand Erhardt nur selten die Zeit, um seine Wahlheimat Hamburg zu genießen. In den wenigen freien Stunden genoss er einen Bummel an der Alster oder seinen geliebten „Dodo" (doppelten Doornkaat) im „Café Hübner".
Besonders gern kaufte der Feinschmecker auch im Delikatessengeschäft Michelsen ein. „Er fühlte sich sehr wohl hier", erzählt seine Tochter Grit, die heute mit ihren beiden Geschwistern Gero und Verena nur wenige Straßen von ihrem Elternhaus entfernt wohnt.
In den 50er-Jahren entdeckte dann der Film Heinz Erhardt, und der pausbäckige Schelm verbreitete auch über die Grenzen Hamburgs hinaus gute Laune. Als liebevoller „Witwer mit fünf Töchtern", als trotteliger Verkehrspolizist in „Natürlich die Autofahrer" oder als tanzender Vamp in „Ach Egon!" - ständig flimmerte der Dicke mit der Brille über den Bildschirm im Nachkriegsdeutschland. 51 Spielfilme, Hunderte von Fernsehauftritten und über 600 Mal als Willi Winzig in dem Stück „Das hat man nun davon" auf der Bühne.
Dieses Leben am Limit forderte schließlich seinen Tribut: Im Dezember 1971 erlitt Heinz Erhardt einen Schlaganfall. Von da an war er halbseitig gelähmt und konnte weder schreiben noch sprechen. Die Stimme, die Millionen Menschen zum Lachen gebracht hatte, verstummte.
„Das war das Schlimmste für meinen Opa, dass er, der so gern mit Worten spielte, sich auf einmal nicht mehr mitteilen konnte", sagt seine Enkelin Nicola Tyszkiewicz, die sich durch seinen Nachlass wühlte und jetzt einen neuen Bildband mit drei CDs veröffentlichte. Am 5. Juni 1979 starb Heinz Erhardt in seinem Haus in Wellingsbüttel, er war gerade 70 Jahre alt geworden.
Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Die Hamburger haben ihren Schelm nicht vergessen. „Noch immer fragen viele nach Erhardts Grab", bestätigt Peter Schulze vom Förderverein des Friedhofs.
In Hamburg erinnert allerdings bis heute nichts an ihn. Kein Denkmal, keine Straße, kein Platz zu Ehren des berühmten Sohnes der Stadt. „Wir haben schon häufiger bei den Behörden angefragt", sagt Enkelin Nicola Tyszkiewicz. „Aber bisher ohne Erfolg." Doch jetzt plant der Bezirk Wandsbek einen „Heinz-Erhardt-Park." Wann die Grünfläche am Pfeilshof nach dem genialen Verseschmied benannt wird, steht allerdings noch nicht fest.
In Erinnerung bleiben wird er ohnehin. Sein zeitloser Humor macht auch heute noch Mut, getreu seinem Wahlspruch: „Man nehme ernst nur das, was froh macht. Das Ernste aber niemals tragisch."
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