Fair gehandelte Limonade oder nachhaltige Event-Agentur: Viele junge Gründer wollen Gutes tun – und dabei Geld verdienen. Meinen sie es ernst?
Von Söhnke Callsen
Paul Bethke kam die Idee für sein Unternehmen am Strand von Sri Lanka . Nach dem Baden schlürfte er frisch zubereitete in einer kleinen Strandbar. So etwas sollte es auch in Deutschland geben: eine Limonade mit frischen Zutaten, von deren Verkauf nicht irgendwelche Großkonzerne, sondern die Bauern und Limonenpflücker profitieren. Mit der Idee stand auch der Name für seine Firma: LemonAid .
Bethke arbeitete damals als Entwicklungshelfer für eine deutsche Hilfsorganisation in . Doch er war enttäuscht über die Verteilung der Gelder. "Nur wenig davon kommt wirklich bei den Bedürftigen an", sagt er.
Zurück in Deutschland tüftelte der studierte Volkswirt mit seinem Schulfreund Jakob Bernd in der WG-Küche an der richtigen Rezeptur für seine fair gehandelte Limonade. Das Getränk sollte aber nicht aus Mitleid gekauft werden, sondern weil es schmeckt und cool ist. Darum ließen sie von einer schwedischen Design-Agentur eine ansprechende Glasflasche entwerfen und warben für ihre Limo in Hamburger Clubs.
Das Konzept kam an. Inzwischen haben die beiden Unternehmer das Angebot um LemonAid mit Maracuja-Geschmack und um die Marke "ChariTea" erweitert. Die Zitronen kommen aus Brasilien , der Rohrzucker aus Paraguay , der Tee aus Sri Lanka und Südafrika - alles bio und fair gehandelt. Fünf Cent pro Flasche fließen zusätzlich in den gemeinnützigen Verein Lemonaid & ChariTea e.V.. Über 100.000 Euro sind so bereits zusammengekommen. Das Geld steht sozialen Projekten in den Anbauregionen zur Verfügung.
Rund 800 Gastronomen und Einzelhändler vertreiben die flüssige Entwicklungshilfe inzwischen. 1,5 Millionen Flaschen gingen nach Angaben des Unternehmens im Jahr 2011 über die Theke.
Paul Bethke gehört zu den jungen Unternehmern, die mit ihrer Geschäftsidee auch sozialen und ökologischen Nutzen schaffen wollen. Social Entrepreneurship nennt die Forschung dieses Phänomen - eine Art unternehmerisches Gegenstück zum Ehrenamt.
Unternehmerisches Gegenstück zum Ehrenamt
Die Idee, mit einem marktwirtschaftlichen Konzept die Welt zu verbessern, sei zwar nicht neu, sagt Markus Beckmann, Professor für Social Entrepreneurship an der Leuphana Universität in Lüneburg. "Wir beobachten seit einiger Zeit, dass dieses Thema besonders bei jungen Gründern in den Fokus rückt." Früher hatten Unternehmensgründer einen grünen oder alternativen Hintergrund, heute sei das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung auch bei den Business-Schools oder McKinsey-Beratern angekommen, sagt der Wissenschaftler.
Auch Saskia Ludwig und Frank Dose sehen nicht unbedingt wie Sozialromantiker aus. In Hemd und Sakko sitzen die beiden Gründer in der gediegenen Hanse Lounge an der Binnenalster und erzählen von ihrer Geschäftsidee Hand zu Hand . Bei den beiden Hamburgern ist es nicht Limonade, sondern Fruchtschorle, die die Welt verbessern soll. Das Obst dazu kommt vom Bauern aus der Region. Ludwig und Dose haben sich nicht den Problemen in den Entwicklungsländern verschrieben, sondern den Missständen vor der eigenen Haustür. Mit knapp einem Fünftel des Umsatzes finanzieren sie Projekte für Kinder aus sozial benachteiligten Familien in Deutschland.
Dabei geht es hauptsächlich um gesunde Ernährung. "Immer mehr Kinder gehen ohne Pausenbrot aus dem Haus. Dann kaufen sich die Kleinen natürlich Süßigkeiten im Supermarkt", sagt Ludwig. Bei den von Hand zu Hand geförderten Projekten erhalten Kinder deshalb gesunde Mahlzeiten und lernen Wissenswertes über die Lebensmittel aus ihrer Heimat. Das sei besonders auch für Kinder mit Migrationshintergrund wichtig. "Durch das Wissen über Lebensmittel aus der Region wächst auch die Integration", sagt die 31-Jährige.
Um Regionalität geht es auch bei dem jungen Start-up planwerft .
Gründer Timm Wienberg organisiert mit seiner Event-Agentur nachhaltige Veranstaltungen. Die Locations sind günstig mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen, das Büfett bestücken regionale Lieferanten und das Catering-Geschirr besteht auf Wunsch des Kunden auch mal aus gepressten Palmenblättern. Dessen Überreste wandern anschließend in die Biogasanlage.
Die Startphase bringt Förderung, danach kommt das Tal des Todes
Wienberg will den Partygästen nicht die Stimmung mit dem erhobenen "Öko-Zeigefinger" vermiesen. "Eine nachhaltige Party muss nicht unbedingt nach Räucherstäbchen aussehen", sagt der Gründer. Am Ende bekommt der Kunde mit der Rechnung auch seine CO2-Bilanz schwarz auf weiß. Wer will, kann dann entsprechende Emissionszertifikate kaufen. "Das soll nicht ein Ablasshandel für ein besseres Gewissen sein, sondern ein Ansporn, beim nächsten Mal noch sparsamer mit den Ressourcen umzugehen", sagt Wienberg. Einen Teil des Gewinns setzt der Unternehmer dazu ein, andere nachhaltige Projekte zu fördern.
Neugründungen mit sozialer Ausrichtung haben es nicht immer leicht auf dem Markt. Zwar gibt es zahlreiche Stiftungen, die innovative Projekte in der Startphase fördern, nach den ersten Jahren werden die Weltverbesserer mit ihren Zielen aber häufig allein gelassen. Für Stiftungen sind sie als bereits angelaufene Projekte nicht mehr förderungswürdig und in den Augen der Banken noch nicht stabil genug für einen langfristigen Kredit. Von einem "Tal des Todes" spricht Rainer Höll von der internationalen Organisation Ashoka , die soziales Unternehmertum fördert. "Wir brauchen dringend eine Anschlussfinanzierung, damit aus den klugen Ideen nicht Projektruinen werden."
Tobias Lorenz wollte sich mit seiner Idee nicht auf irgendwelche Fördertöpfe verlassen, deshalb streckte er die 10.000 Euro Startkapital für sein Unternehmen aus eigener Tasche vor. Eigentlich wollte er sich zunächst nur theoretisch mit Social Entrepreneurship auseinandersetzen. Doch während der Arbeit an seiner Dissertation kam ihm die Idee, der Theorie Leben einzuhauchen.
Geld verdienen und Gutes tun
2010 gründete der Linguist die Online-Sprachschule Global Video Conference, kurz: Glovico . Die Idee ist einfach: Muttersprachler aus Entwicklungsländern geben Sprachschülern aus Europa über die Kommunikationssoftware Skype Unterricht und erhalten dafür einen fairen Lohn. Den Preis bestimmen die Lehrer aus Eritrea oder Guatemala selbst. Mit Hilfe der Chat-Funktion schreiben sie Diktate, üben die Aussprache mit dem Headset oder korrigieren Hausaufgaben mit einer virtuellen Tafel. Ihr Gegenüber am Rechner in Europa kann den Lehrer beurteilen und so Empfehlungen für andere Nutzer abgeben. Hat sich Daouda Zongo aus Ouagadougou pünktlich zu Unterrichtsbeginn eingeloggt oder hat die Methode von Julio Gomez aus Venezuela funktioniert?
Inzwischen geben bei Glovico über 30 Lehrer aus verschieden Ländern Unterricht in 25 Sprachen, seit Kurzem sogar in Hindi oder Filipino. Knapp 2.000 Nutzer haben sich schon registriert, in diesem Jahr will das Unternehmen 50 Sprachen anbieten. "Wir wollen international führend im Online-Unterricht werden", sagt der Gründer selbstbewusst. Lorenz begreift sich als Mischung aus Wohltäter und Unternehmer. "Natürlich will ich mir ein Gehalt zahlen und später vielleicht mal ein Haus bauen. Das würde ein Mitarbeiter einer NGO auch bekommen. Aber entscheidend ist für mich die Frage, wie ich dieses Geld verdiene, und dass die soziale Mission im Vordergrund steht."