Sina Horsthemke

Journalistin für Medizin, Sport und Gesellschaft, München

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"Humanity 1" rettet 261 Menschen das Leben

Mehr als 100 Menschen gerieten auf ihrer Flucht Richtung Europa auf diesem Schlauchboot in Seenot. Die Schwimmwesten bekamen sie erst von den Rettern.

In vier schwierigen Einsätzen im zentralen Mittelmeer hat die Crew der „Humanity 1“ Hunderten Menschen das Leben gerettet. Nun ist das Rettungsschiff bei rauer See auf dem Weg ins italienische Bari

Um 23 Uhr am Montagabend ist auf dem Deck der „Humanity 1“ so etwas wie Ruhe eingekehrt. Die meisten der 103 Menschen, die seit der vergangenen Nacht an Bord sind, schlafen. Mehr als 30 Minderjährige und 15 Frauen sind darunter, auch mehrere Kleinkinder und ein Baby. Zusammen mit der Crew des kleineren Rettungsschiffs „Louise Michel“ hatte die Besatzung der „Humanity 1“ sie mitten im Mittelmeer von einem überfüllten Schlauchboot gerettet. Nun liegen sie in Decken gewickelt auf dem Boden des hinteren Decks und ruhen sich aus – viele seit langem zum ersten Mal in Sicherheit.

Alles wirkt friedlich, doch plötzlich dröhnen die Motoren lauter. Am Heck schäumt Meerwasser weiß im Mondlicht, Fahrtwind weht über die Schlafenden. Es besteht kein Zweifel mehr: Das Schiff, das gerade noch gemächlich durch die Wellen glitt, hat die Geschwindigkeit erhöht. Mit etwa zehn Knoten, fast 20 Kilometern pro Stunde, durchpflügt es nun die dunkle See – offenbar einem Ziel entgegen. Der Funkspruch von der Brücke lässt nicht lange auf sich warten: Alle Crewmitglieder mögen sich einsatzbereit machen. Eine Stunde entfernt sei ein Holzboot in Seenot. 

Dass die Menschen darauf nicht ertrunken sind, haben sie der für eine Dezembernacht ruhigen See zu verdanken – und der Besatzung der „Louise Michel“, die die Schiffbrüchigen zuerst erreichte und sie mit Schwimmwesten versorgte. Als die Beiboote der „Humanity 1“ eintreffen, ist die Situation dennoch brenzlig: Das mit 49 Menschen völlig überbesetzte blaue Boot liegt schräg im Wasser, jede Woge Salzwasser verfehlt den Rand nur um Zentimeter. Angesichts der nahenden Retter beginnen die dicht gedrängt sitzenden Menschen um Hilfe zu rufen.

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