Sina Horsthemke

Journalistin für Medizin, Sport und Gesellschaft, München

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Hautkrankheit: Was gegen Akne hilft

Drücken und quetschen? Lieber nicht!

Akne vulgaris ist kein kosmetisches Problem, sondern eine Hauterkrankung. Die häufigste der Welt gar. Das Gute: Jede Akne ist heilbar, sie muss nicht mit Narben enden.

Für Menschen mit Akne hatten Hautärzte früher allerlei Ratschläge. Schrubben und rubbeln sollten sie ihre Haut, täglich Wattebäusche in Alkohol tunken und die Pickel damit einreiben. In der Apotheke gab es Schwefelpaste, die das Gesicht gelb färbte, und Antibiotikacremes, die Ärzte so großzügig verschrieben, dass zahlreiche Patienten Resistenzen entwickelten. "Rückblickend war die Therapie damals völlig falsch", sagt Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. "Viele Patienten denken noch immer, dass Akne eine Hautinfektion mit Bakterien ist."

Verhornungsstörung statt Infektion

Akne vulgaris ist keine Infektion mit Bakterien. Zwar spielen Mikroorganismen eine Rolle, jedoch entstehen die typischen Pickel und Knötchen an Gesicht und Oberkörper zunächst aus einem anderen Grund: weil eine Überfunktion der Talgdrüsen mit einer genetisch bedingten Verhornungsstörung der Haut einhergeht. Meist blüht Akne in der Pubertät erstmals auf. Das liegt daran, dass Wirkstoffe wie Insulin-like-Growth-Factors (IGF) und das männliche Sexualhormon Testosteron die Talgdrüsen stimulieren, mehr Talg zu produzieren. Der würde normalerweise durch den Haarkanal an die Hautoberfläche fließen, dort einen Film bilden und die Haut vor dem Austrocknen schützen. Wäre da nicht noch die Verhornungsstörung: Sie führt dazu, dass hornbildende Zellen in der Oberhaut zu viel Keratin produzieren, das die Öffnung der Haarkanäle verstopft.

Zuerst bildet sich nur ein so genannter Mitesser. Doch im Lauf der Zeit sammelt sich ständig mehr Talg unter dem Hornpfropf. Das ruft das Immunsystem auf den Plan - und schon ist die Entzündung im Gange. Aus den Mitessern werden Pusteln, aus Pusteln werden Papeln und aus Papeln schmerzhafte Knötchen: Akne vulgaris, wie Hautärzte sagen. "Ich vergleiche die Talgdrüsen von Aknehaut immer mit zugemauerten Schornsteinen", sagt Dermatologin Christiane Bayerl. "Darunter brodelt die Masse aus Talg, Bakterien und Serum vor sich hin." Als wäre das nicht schon genug, bietet diese Masse dem Keim Cutibacterium acnes optimale Lebensbedingungen, so dass sich das Bakterium stark vermehrt. Was man früher für den Auslöser der Erkrankung hielt, ist jedoch nur eine Begleiterscheinung.

Hautbakterien helfen und schaden bei Akne

Akne vulgaris ist weltweit die häufigste Hauterkrankung. Weil männliche Hormone die Talgdrüsen stimulieren, sind Jungen in der Regel stärker betroffen als Mädchen. Schätzungsweise 70 bis 95 Prozent der Jugendlichen entwickeln Akne, meist mit einem milden Verlauf. Vier von zehn Fällen sind behandlungsbedürftig. "Wenn die Haut entzündet ist, sollte man immer zum Hautarzt gehen", rät Christiane Bayerl aus Wiesbaden. "Mitesser allein sind noch nicht so schlimm. Zeigen sich allerdings weiße Köpfchen, ist das ein geschlossener Mitesser, und darunter kann es zur Entzündung kommen."

Menschen mit Akne sollten ... die Haut ein- bis zweimal täglich mit seifenfreier Waschemulsion reinigen, Kosmetika auf Wasserbasis und keine fettenden Cremes verwenden, die Haut nicht mit Alkohol behandeln, die Haut nicht "schrubben" oder "schmirgeln", Make-up speziell für Aknehaut verwenden, sich abends immer abschminken, nicht zu viel Zucker zu sich nehmen, nicht zu viele Milchprodukte zu sich nehmen, auf gesüßte Getränke verzichten.

Nur wer seine Akne behandeln lasse, so Bayerl, könne die typischen Narben verhindern - das sei das Hauptziel der Therapie. "Grundsätzlich kann man jede Akne heilen", verspricht die Dermatologin und Mitautorin der Behandlungsleitlinien. Demnach ist eine so genannte Stufentherapie angezeigt: Erst, wenn mildere Mittel wie Cremes nicht wirken, sollte man auf Tabletten und stärkere Medikamente umsteigen. Manchmal sieht Bayerl auf einen Blick, dass "wir uns schneller durch das Stufenschema arbeiten sollten": wenn sie in den Gesichtern der Eltern ihrer jungen Patienten tiefe Narben bemerkt.

Mit Vitamin-A-Säure den Schornstein öffnen

Ein Wirkstoff, der mittlerweile aus der Aknetherapie nicht mehr wegzudenken ist, heißt Isotretinoin: Die Vitamin-A-Säure hemmt - je nach Schweregrad als Creme oder Tablette - die Talgdrüsen und lockert die Hornschicht der Oberhaut auf. Dadurch brechen die verstopften Kanäle auf, und der Talg kann abfließen. Eine Nebenwirkung von Isotretinoin macht die Behandlung für Frauen komplizierter: Da das Mittel zu Missbildungen bei Ungeborenen führt, müssen Patientinnen unbedingt auf eine sichere Verhütung achten. "Ich darf nur alle vier Wochen ein Rezept ausstellen, wenn ein Schwangerschaftstest negativ war", berichtet Bayerl. "Zusätzlich müssen die Mädchen die Pille einnehmen." Jungen lässt Bayerl alle sechs Wochen zur Kontrolle wiederkommen.

Obwohl die Leitlinien die Behandlungsstufen exakt vorgeben, sei die Aknetherapie ganz individuell, sagt Bayerl: "Bei Patienten, die zusätzlich Neurodermitis haben, muss ich sehr vorsichtig sein, um die Haut nicht übermäßig zu reizen. Ich kann sie nicht mit den stärksten Präparaten behandeln." Manchmal seien ausgeprägt körperbewusste Jugendliche oder Leistungssportler bei Bayerl in Behandlung, die Akne haben, weil sie Eiweißpräparate zu sich nehmen und vielleicht sogar mit Anabolika dopen. "Wenn sie damit nicht aufhören, wird die beste Therapie nichts nützen", so die Hautärztin. Andere Patienten leiden während der Behandlung unter starken Nebenwirkungen - Rötungen, Reizungen, Schuppungen. Ihnen verschreibt Bayerl zusätzlich Feuchtigkeitscremes.

Nach zwei bis drei Jahren ist Ruhe

Überwiegend sind Menschen mit Akne zwei bis drei Jahre in Behandlung, dann klingt die Erkrankung ab. "Nach der Pubertät ist meistens Ruhe", bestätigt Bayerl. Die Neigung, Akne zu entwickeln, bestehe aber das ganze Leben lang, denn die Empfindlichkeit der Talgdrüsen ist erblich bedingt. "Bei manchen Frauen kommt es in den Wechseljahren auf Grund der Hormonumstellung noch einmal zu einem Schub", berichtet Bayerl. Auch eine sehr eiweißreiche Ernährung oder bestimmte Medikamente gegen Epilepsie oder Depressionen könnten eine überwunden geglaubte Akne neu aufblühen lassen.

Im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlichten britische Forscher 2020 eine Studie, die das Entstehen von Akne auf molekularer Ebene erklären könnte: Das normalerweise in den Talgdrüsen produzierte Protein GATA6 kommt bei Aknepatienten nur in geringen Mengen vor. Es ist an wichtigen Stoffwechselprozessen in der Haut beteiligt und bremst etwa die Aktivität der Hornzellen und die Bildung von Mitessern. Die Wissenschaftler stellten zudem fest, dass die Haut mehr GATA6 produziert, wenn sie mit Vitamin-A-Säure behandelt wird - seit Jahren der Klassiker in der Aknetherapie. Die Studie schließe eine Wissenslücke, sagt Dermatologin Bayerl: "Bisher war nie ganz klar, warum Isotretinoin so gut gegen Akne wirkt."

Aktuelle Studien verfolgen andere Ansätze als den Einsatz von Vitamin-A-Säure. Am vielversprechendsten scheinen so genannte Androgenrezeptor-Hemmer, die den Einfluss der Sexualhormone auf die Talgdrüsen dämpfen sollen und als Creme aufgetragen werden. Ebenfalls recht neu, allerdings noch unausgereift ist die Idee, das Hautmikrobiom - die Gemeinschaft aller Mikroorganismen auf der Haut - gezielt in die Therapie einzubeziehen. Studien zeigen, dass eine Aknetherapie mit Antibiotika nützliche Bakterien auf der Haut angreift und sich das Mikrobiom dann nur langsam wieder erholt. Wünschenswert wären Medikamente, die vor allem Cutibacterium acnes die Chance nehmen, sich zu vermehren.

Was auch immer die Akne bekämpfen soll: Wichtig ist, dass Betroffene sich überhaupt behandeln lassen. "Akne ist ein Krankheitsbild und nicht einfach ein kosmetisches Problem", betont Dermatologin Bayerl. "Je früher die Therapie beginnt, desto besser. Dann muss niemand Narben davontragen."

Wie beeinflusst die Ernährung Akne?

Umfragen zufolge ist jeder dritte Aknepatient davon überzeugt, dass die Ernährung seine Akne beeinflusst. Das stimmt nur teilweise: "Früher dachte man, dass schon eine halbe Tafel Schokolade oder Nahrungsmittel wie Senf Akne fördern", sagt Bayerl. "Dafür gibt es aber keine wissenschaftlichen Beweise." Eine gesunde Ernährung sei dennoch wichtig, um Hautunreinheiten nicht zu fördern, "obwohl ich Jugendlichen ungern zu einer Diät rate".

So kamen französische Forscher, die mehr als 24 000 Menschen zu Ernährungsgewohnheiten und Hautproblemen befragt hatten, zu dem Schluss, dass Essen mit viel Fett und Zucker das Aknerisiko um bis zu 54 Prozent erhöhen kann. Süße Getränke könnten die Wahrscheinlichkeit eines Aufblühens um 18 Prozent steigern, Milchprodukte um 12 Prozent. Andere Studien haben den Einfluss von Insulin-like-Growth-Factors (IGF) herausgearbeitet: Steigt der Spiegel der Wachstumsfaktoren durch Milchprodukte oder zuckerreiche Nahrungsmittel an, stimuliert das die Talgdrüsen und kann Akne bei Erwachsenen offenbar wieder aufblühen lassen.

Der in Düsseldorf praktizierende Dermatologe Ulrich Wehry empfiehlt seinen Patienten deshalb eine mediterrane Diät: Kuhmilch erhöhe den IGF-Spiegel, auf den die Talgdrüsen reagieren. Und: "Auch durch Fastfood, Chips und Süßigkeiten blüht Akne regelrecht auf." Rauchen und Alkohol scheinen auf die Krankheit keinen Einfluss zu haben, Schlaf dagegen schon ein wenig, sagt Wehry: "Schlafmangel bedeutet Stress, und der verschlechtert das Hautbild."

Mobbing statt Dating

Der Hautarzt weiß aus Patientengesprächen, wie belastend Akne sein kann. "Die Krankheit ist sehr stigmatisierend, der Leidensdruck oft hoch. Viele haben ein verzerrtes Selbstbild und berichten, dass sie in der Schule Mobbing erleben. Mit dem Dating will es wegen der Akne auch nicht so recht klappen, was gerade für Jugendliche schwierig ist."

Zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie und gründlichen Pflege zu Hause rät Wehry seinen Patienten zu regelmäßigen kosmetischen Behandlungen. "Wer die Haut alle vier bis sechs Wochen vom Profi ausreinigen lässt, kommt oft mit milderen Medikamenten aus." Die Kosten ab etwa 40 Euro pro Termin - je nachdem, ob noch Blaulicht, Essigsäure oder ein Diamantstaub-Peeling hinzukommen - übernehmen allerdings nur die privaten Krankenkassen.

Wer trotz Therapie Narben davonträgt oder zu jener Generation gehört, der man gegen Akne noch Alkoholtupfer und grobes Schrubben empfahl, dem bieten zahlreiche Hautarztpraxen eine spezielle Narbenbehandlung an. Wehry und seine Kollegen beispielsweise setzen dafür auf die Lasertherapie und auf Anwendungen mit Trichloressigsäure. "Man darf davon nicht zu viel erwarten, die Narben sind danach nicht weg", sagt Wehry. "Doch das Hautbild wird sichtbar ebener und glatter." 

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