Stand: 01.03.2017 11:51 Uhr
Dennis-Tobias Jeß ist hin und wieder Hotelgast in Westerland. Das an sich ist nicht ungewöhnlich. Wenn man aber weiß, dass das Hotel Stadt Hamburg eigentlich der Arbeitsplatz des 21-Jährigen ist, wundert man sich schon. "Ich arbeite in unserem Bistro, komme abends aber manchmal nicht mehr rechtzeitig von der Insel oder bin erst im drei Uhr nachts zuhause", erklärt Dennis-Tobias Jeß, den alle Deto nennen.
Probleme bei der Bahn: Kein Zug zum Festland
Seit Monaten Probleme mit der BahnWenn er nachts auf der Insel strandet, darf er im Hotel schlafen. Der Grund: Die seit Monaten andauernden technischen Probleme auf der Marschbahn zwischen Hamburg und Sylt. Zugausfälle, Verspätungen, völlig überfüllte und teils verdreckte Wagons setzen vor allem den Pendlern zu. Als wäre das nicht schon genug, kommen ab sofort noch umfangreiche Bauarbeiten dazu. Wichtige Kabel müssen verlegt und Weichen verschoben werden. Hoteldirektor Hans-Christian Wirsich stellt seinen Mitarbeitern dann Hotelzimmer zur Verfügung. "Momentan geht das noch, weil wir noch nicht zu 100 Prozent ausgelastet sind. In der Hochsaison ist das allerdings problematisch", so Wirsich.
Situation verlangt Arbeitgebern und -nehmern viel abDer Leiter des Bistros im Hotel Stadt Hamburg kenne bereits fast alle Hotelzimmer von innen, berichtet Hoteldirektor Wirsich. Inzwischen hat dieser sogar einen Notfallrucksack im Hotel. Seit gestern Abend gibt es wieder Einschränkungen wegen Bauarbeiten. Wirsich schließt die Türen des Bistros jetzt bereits um 23 Uhr statt um Mitternacht. Seine Mitarbeiter müssen zunächst mit dem Bus ins 30 Minuten entfernte Morsum fahren, um von da aus mit dem Zug nach Hause zu kommen. "Damit sie das rechtzeitig schaffen, machen wir früher zu", sagt Hans-Christian Wirsich. Etliche seiner 100 Mitarbeiter wohnen auf dem Festland. Das gesamte Housekeeping-Team sei betroffen, erklärt Wirsich.
Fährverkehr für Pendler keine AlternativeWenn auf der Schiene nichts mehr geht, wird es eng mit der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes. Am 2. April soll es sogar einen Ersatzverkehr per Bus und Fähre geben. Ein Bus fährt morgens von Niebüll über die Grenze nach Dänemark. Vom Hafen auf Rømø geht es dann weiter per Fähre nach List. Die Fahrzeit verlängert sich von etwa 30 Minuten auf dreieinhalb Stunden. Die Bahn bittet Pendler, wegen der Grenzkontrollen in Dänemark einen Ausweis mitzubringen. "Das ist der berühmte Strohhalm. Der Aufwand, der da betrieben werden muss, um an den Arbeitsplatz zu kommen, das ist nicht mehr effizient", sagt der Bürgervorsteher der Gemeinde Sylt, Peter Schnittgard. Er weist zugleich darauf hin, dass an den Arbeiten auf der Schiene kein Weg vorbei führe. "Sicherheit geht nun mal vor."
Privatleben leidet"Wir haben den Mitarbeitern angeboten, gerne mit ihrem Partner im Hotel zu übernachten. Dort können sie dann wenigstens das Schwimmbad und die Sauna nutzen und es sich nett machen", sagt Hans-Christian Wirsich. Auch Deto hat es sich im Stadt Hamburg schon öfter gemütlich gemacht. Er weiß, dass das nicht selbstverständlich ist und schätzt, dass sein Chef ihm entgegenkommt. Dennoch: "So schön unser Haus ist, man wäre doch am liebsten im eigenen Bett", sagt der 21-Jährige. Das Bahnchaos beeinträchtigt längst sein Privatleben. "Zum Fußballtraining komme ich oft nicht mehr pünktlich, für ein Treffen mit Freunden ist es oft zu spät in der Nacht", erzählt er. Ein Umzug nach Sylt kommt für ihn dennoch nicht in Frage - die Miete wäre zu hoch. "Außerdem sind meine Freunde und meine Hobbys auf dem Festland."
Auch Gäste betroffen"Beide Seiten versuchen in der momentanen Situation, so flexibel wie möglich zu sein", sagt Hoteldirektor Wirsich. Dazu gehöre auch, dass er den Dienstpläne umschreibt, wenn Mitarbeiter es nicht rechtzeitig auf die Insel schafften. "Das Positive an der ganzen Situation ist, dass sie weniger unsere Gäste trifft, weil doch meist ganz frühe oder späte Zugverbindungen betroffen sind. Wenn Westerland gesperrt ist, holen wir unsere Gäste eben in Morsum ab", so Wirsich. Und, so der Direktor weiter. "Wenn Mitarbeiter im Hotel übernachten und feststellen, dass der Bademantel zu hart ist, dann profitiert der Gast auch davon."
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 01.03.2017 | 08:00 Uhr