Simeon Laux

Freier Journalist & Moderator

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Bolzen statt Naturschutz

Der FC St. Pauli baut sein Trainingsgelände aus. Sportplätze sollen ausgerechnet im Überschwemmungsgebiet entstehen. Linksfraktion und BUND warnen.

HAMBURG taz | Der FC St. Pauli braucht mehr Platz und will deshalb sein Trainingsgelände am westlichen Rand von Hamburg, im Stadtteil Niendorf, deutlich vergrößern. Empörung würde das nicht verursachen, müssten dafür nicht andere Sportvereine weichen – und sollen die zusätzlichen Sportplätze nicht mitten in einem Überschwemmungsgebiet mit ihrer natürlichen Vegetation entstehen. Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft und der BUND sind deshalb sauer.


Die Trainingsplätze sollen nach Willen des Vereins und der Stadt an der Kollaustraße entstehen. Andere Vereine, darunter die Base­bal­le­r:in­nen der Hamburg Stealers, sollen für das Vorhaben weichen und künftig andernorts trainieren.


Zudem sollen zwei der vier neuen Trainingsplätze mitten im Überschwemmungsgebiet der Kollau gebaut werden. Solche Flächen gibt es an Hamburger Fließgewässern dort, wo ein erhebliches Hochwasserrisiko besteht. Diese Uferflächen mit ihrer natürlichen Vegetation können bei Binnenhochwasser überschwemmt werden oder große Wassermassen nach Starkregen aufnehmen.


„Überschwemmungsgebiete sind mit besonderer Sorgfalt zu behandeln“, sagt Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Tatsächlich gelten für solche Flächen bauliche Einschränkungen, der Hochwasserschutz darf nicht gefährdet werden. Die Stadt ignoriere die Umweltrisiken, ist Jersch überzeugt.


Immerhin Naturrasenplätze geplant


In der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage Jerschs heißt es, es seien mehrere Standorte geprüft worden. Berechnungen hätten zudem gezeigt, dass die Nutzung der Fläche für den Sport das Retentionsvolumen, also die Kapazitäten zum Auffangen großer Wassermengen, nicht beeinträchtige. Da die Flächen an der Kollau­straße eine „gewachsene und traditionelle Nähe zur Vereinsidentität“ hätten, werde das Ziel verfolgt, den Ausbau wie geplant zu realisieren.


Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND Hamburg, zeigt sich der taz gegenüber empört: „Wir können nicht die Vereinsidentität höherwertig sehen als den Arten- und Naturschutz und die Funktion eines Überschwemmungsgebiets“. Es müssten ernsthaft alternative Standorte geprüft werden.


Blömeke und Jersch ärgert, dass der Senat in seiner Antwort nicht preisgibt, welche Alternativen mit welchem Ergebnis geprüft worden sind. Das für das Bebauungsplanverfahren zuständige Bezirksamt Eimsbüttel teilt auf Anfrage mit, das Vorhaben werde nach aktuellem Stand als „grundsätzlich realisierbar“ eingeschätzt.


Welche Auswirkungen die Sportflächen darüber hinaus auf das Überschwemmungsgebiet haben können, wird laut Senat derzeit geprüft. Der FC St. Pauli teilt mit, dass die Plätze als Naturrasenplätze gebaut werden sollen. So kann immerhin verhindert werden, dass Schadstoffe, etwa durch den Abrieb von Kunstrasen, in das Gewässer gelangen.


Immerhin keine Kunstrasenplätze


Naturrasenplätze seien zwar verträglicher als Kunstrasenplätze, so Umweltschützerin Blömeke, „trotzdem ist es ein verkehrter Schritt, in Überschwemmungsgebieten Bautätigkeiten jeglicher Art vorzunehmen.“ Das sei auch immer ein Eingriff in den dortigen Naturhaushalt mit seiner Fluss- und Tierwelt.


In die Diskussion platzten jetzt auch die Ergebnisse einer Hochwassersimulation vom Landesbetrieb Gewässer und der Umweltbehörde. Dafür wurden die Niederschlagsdaten des Extremwetterereignisses im Ahrtal vom Juli 2021 anhand von Computermodellen auf Hamburger Gewässer übertragen. Im Gebiet der sieben Kilometer langen Kollau würden bei ähnlich hohen Niederschlagsmengen rund 33 Hektar zusätzliche Flächen unter Wasser stehen, als in bisherigen Szenarien angenommen.


Wegen einer anderen Geländebeschaffenheit der in Hamburg untersuchten Gebiete sei jedoch eine „weniger ausgeprägte Hochwasserdynamik mit geringeren Fließgeschwindigkeiten zu erwarten“, heißt es in einer Mitteilung der Umweltbehörde. Christiane Blömeke fordert, die Simulation vor dem Hintergrund der Gefahren des Klimawandels ernstzunehmen. „Der Senat setzt das falsche Zeichen, wenn er den Bau von Sportplätzen im Überschwemmungsgebiet nicht nur bewilligt, sondern sogar zur Chefsache macht.“

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