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Formel 1: Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Interview

Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Fahrerlager von BahrainFoto: MAZEN MAHDI/AFP

Sport BILD traf Mercedes-Teamchef Toto Wolff (50) im Fahrerlager von Bahrain, sprach mit ihm über den Saisonstart seines Teams, die Rivalität zu Red Bull, das Finale von Abu Dhabi und die Chancen auf ein Deutschland-Rennen... Sport BILD: Herr Wolff, was halten Sie für realistischer: Dass der Benzinpreis in Deutschland wieder auf 1,50 Euro fällt oder Lewis HamiltonUnd was muss passieren, damit Hamilton alleiniger Rekordweltmeister wird? vorher seinen achten WM-Titel in der Formel 1 gewinnt? Wie sieht es nach dem ersten Kräftemessen in dieser Saison aus?

Toto Wolff (50): Puh, schwer zu sagen: Ich schätze, dass sich der Ölpreis in Zukunft nicht stark verändern wird, aber wenn sich die Opec einigt, die Produktion zu öffnen, kann es schnell gehen. Daher sage ich: Zuerst geht der Spritpreis wieder runter.

Ab dieser Saison werden alle Autos in der Königsklasse nach der Regelrevolution mit E10-Benzin betankt. Hat das einen Leistungsverlust der Motoren zur Folge?

Wir müssen ihm ein Auto stellen, das schnell genug ist, um Ferrari und Red Bull zu schlagen. Ganz einfach.

Ich habe jetzt drei Hochgeschwindigkeitsfragen mit der Bitte um eine schnelle Antwort: Wer sind die drei besten Formel-1-Fahrer aller Zeiten?

Wir müssen verstehen, wo es uns an Performance mangelt. Je schneller wir das erkennen, desto schneller werden wir sein. Das ist Physik - und nicht Mystik. Ein Thema, das uns mit Sicherheit beschäftigt, ist die Geschwindigkeit auf den langen Geraden. Da erwarte ich aber auch beim zweiten Rennen in Saudi-Arabien noch keine erhellenden Erkenntnisse.

Und die besten drei Formel-1-Fahrer aktuell?

Nein, das glaube ich nicht. Der Ethanolgehalt von zehn Prozent gilt für alle Teams. Wenn du mit dem restlichen Sprit in der Entwicklung einen Schritt nach vorne gemacht hast, ist es ein Schritt nach vorne.

Wen hätten Sie lieber von Red Bull in Ihrem Team: Verstappen als Fahrer, Teamchef Christian Horner oder Motorsportchef Dr. Helmut Marko?

Michael Schumacher, Lewis Hamilton und Ayrton Senna. Jeder zu seiner Zeit.

Vergangene Saison hat es zwischen Red Bull und Mercedes immer wieder geknallt, auch jetzt vor dem Saisonstart hat Horner wieder gegen Sie persönlich gestichelt. Wie würden Sie das Verhältnis aktuell in einem Wort beschreiben?

Hamilton, George Russell und Max Verstappen. In dieser Reihenfolge.

Horner hat Sie „Steuerflüchtling" genannt, da Sie nach Monaco gezogen sind. Er sagte auch, dass „es Spaß mache", Sie „zu ärgern". Finden Sie das unterhaltsam oder armselig?

(schmunzelt) Dann mache ich es doch lieber alleine.

Kann man Red Bull am besten mit Siegen auf der Strecke ärgern?

Knackig.

Was ist Ihre Erwartungshaltung nach dem Start?

Keines von beiden. Seine Aussagen lösen bei mir keine Emotionen mehr aus, weil das in alle Richtungen schießt.

Mit welchem Gefühl sind Sie überhaupt in die Saison gegangen? Nach dem höchst umstrittenen Saisonfinale in Abu Dhabi, als Verstappen nur durch eine Entscheidung des damaligen Rennleiters Michael Masi die WM gewinnen konnte, haben Sie gesagt, Sie seien „völlig desillusioniert" und „mein Herz und meine Seele weinen mit jeder Pore". Ist diese Narbe schon verheilt?

Sie sind einer der Mitbewerber. In diesem Jahr zählt auch Ferrari dazu. Welche Farbe auch immer auf dem Auto ist - wir müssen versuchen, besser zu performen und sie zu schlagen. Dabei müssen wir bescheiden bleiben. Man kann nicht jedes Jahr gewinnen. Für mich geht es darum, meine eigene Erwartungshaltung zu erreichen, unabhängig davon, ob das Auto des Konkurrenten rot oder blau ist.

Wann war das?

Wir betreiben derzeit Schadensbegrenzung, die Plätze 3 und 4 in Bahrain haben unsere Erwartungen vor dem Rennen übertroffen. Im Rennen waren unsere aktuellen Defizite klar zu sehen. Aber bis wir das volle Potenzial aus dem Auto holen können, müssen wir jede Gelegenheit ausnutzen, Punkte zu holen.

Motorsport-Legende Walter Röhrl hat in SPORT BILD über das Abu-Dhabi-Finale gesagt: „Verarschen kann ich mich selbst." War das auch Ihr Gefühl?

Es passieren so viele schreckliche Dinge in der Welt, dass es das Wort Narbe schon gar nicht mehr verdient. Im letzten Jahr wurde uns ein Titel genommen. Auf dem Papier - und nicht aus sportlichen Gründen auf der Strecke. Jetzt müssen wir das Kapitel schließen und einfach weitermachen. Wenn du zu lange mit dem vermeintlichen Unrecht haderst, macht es das auch nicht besser. Ich habe schon vor einiger Zeit damit abgeschlossen.

Röhrl sagte auch: „Verstappen fährt wie mit der Axt im Walde". Stimmt das?

Ende Januar. Da waren schon wieder alle Segel gestellt für die Zukunft.

Ist der verlorene Titel ein Ansporn, erst recht wieder Weltmeister zu werden?

Der Walter ist mein absoluter Held. Das war er schon immer für alle Fahrer. Und auch für mich als Mensch. Er hat es damit komplett auf den Punkt gebracht.

Wären Sie heute noch hier, wenn Masi seinen Platz als Rennleiter nicht hätte räumen müssen?

Wie immer trifft er es mit seinem Zitat wahrscheinlich genau auf den Punkt.

Und wie sah es bei Lewis aus? Er war wochenlang öffentlich abgetaucht. Hatten Sie Sorge, dass er aus Frust seine Karriere ganz beendet?

Der Ansporn ist immer hoch. Du willst jedes Jahr aufs Neue performen und das Beste fürs Team. Die Punkte gehen immer auf null. Jetzt ist alles genau wie in jedem Jahr.

Was sind die Dinge und Strukturen aus dem Vorjahr, die sich in der neuen Saison nicht wiederholen dürfen?

Die Frage stellt sich nicht, weil die Fia die Entscheidung selbst getroffen hat, dass er Fehler gemacht hat.

Lassen Sie uns zum Schluss noch mal auf die wichtigsten deutschen Themen schauen: Was muss Mick Schumacher erreichen, damit er mal ein Kandidat für Mercedes wird?

Nein. Wir sind über den Winter immer im Kontakt geblieben. Man muss Lewis seinen Freiraum geben, aber es war immer klar, dass er weiter das machen möchte, was ihm am meisten Spaß macht. Und das ist das Autofahren.

In Bahrain, wo der Saisonauftakt stattfand, hat die Strecke mit der Formel 1 bis 2036 verlängert. Ein Deutschlandrennen gibt es aber nicht. Ist die Formel 1 da auf dem richtigen Weg?

Wir schauen auf uns selbst. Wir sind kein statisches Gefüge, das immer gleichbleibt. Man sagt nicht: Das hat in der Vergangenheit funktioniert, also funktioniert es auch in der Zukunft. Wir haben neue Herausforderungen und neue Probleme. Wir müssen agil und adaptiv sein. Das ist das Wichtigste.

Er muss weiter lernen. Mit Kevin Magnussen als neuen Teamkollegen hat Mick eine gute Benchmark dafür, wo er steht. Es geht für ihn immer ums Lernen, Lernen, Lernen.

So wie ich höre, gibt es wieder Interesse an einem Deutschland-Grand-Prix. Wenn die Länder das in Deutschland mit Unterstützung der Sponsoren zusammenkriegen, dann ist das der erste Ort, an den wir und die Formel 1 gern wieder zurückkehren würden. Ich finde, die Formel 1 gehört nach Deutschland, weil auch Deutschland zur Formel 1 gehört.

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