Selina Thaler

Redakteurin: Der Standard // frei: Die Zeit, Zeit Campus, Wien

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Unizugang mit Einschränkungen für Asylwerber

foto: apa/epa/paul zinken Flüchtlinge dürfen zwar Gasthörer sein, das reguläre Studium bleibt ihnen aber meist verwehrt. Im Bild: eine Flüchtlingsdemo in Berlin.

Universitäten in Deutschland und Österreich schaffen Angebote für Flüchtlinge. Trotzdem können die meisten der nun Angekommenen in diesem Semester keine Zeugnisse erwerben - jedenfalls keine später anzurechnenden.

Wien - Während Schweizer Unis noch keine Initiativen für Flüchtlinge starteten, preschen im deutschsprachigen Raum die Hochschulen in Deutschland und Österreich vor - und öffnen sukzessive ihr Angebot den Geflüchteten. Schließlich sind unter den Flüchtlingen viele, die bereits in ihrem Herkunftsland ein Studium begonnen haben oder nun studieren wollen.

Zum Teil seien die Ankommenden "hochgebildet" heißt es vonseiten der österreichischen Universitätenkonferenz (Uniko). Würde man ihnen keine Unterstützung bieten, brächte man "eine ganze Genera-tion um ihre Zukunft". Um als Flüchtling regulär in Europa studieren zu können, braucht man einen Schulabschluss, der zum Studium berechtigt, nötige Sprachkenntnisse und de facto einen positiven Asylbescheid.

Eigentlich ist es in Österreich Asylwerbern per Gesetz erlaubt, ordentlich zu studieren. Dafür müssen sie aber nachweisen können, dass sie bereits im Ausland studiert haben - und Deutsch auf B2-Niveau sprechen. Für jene, die jetzt ankommen, sind das meist unüberwindbare Hürden. Denn kaum jemand denkt an sein Zeugnis, wenn er oder sie fliehen muss, und kaum jemand lernt Deutsch auf der Flucht.

Vor diesem Hintergrund haben die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die Uniko dazu aufgerufen, bei der Zulassung der Asylberechtigten zum Studium kulant vorzugehen, "die bestehenden rechtlichen Spielräume großzügig auszuschöpfen", sagt Horst Hippler, Präsident der HRK.

Studium ohne Zeugnis

Die Lissabon-Konvention von 1997 sieht vor, dass für die Anerkennung von Qualifikationen, die Flüchtlinge an der Uni in ihrem Herkunftsland erworben haben, "alle durchführbaren und angemessenen Schritte" zügig gesetzt werden, um zu erfahren, ob sie die Voraussetzungen für ein Studium erfüllen - auch wenn sie keine Zeugnisse dabeihaben.

Diesem Ruf ist die Saarland-Uni im August gefolgt. Dort werden anerkannte Flüchtlinge ohne Zeugnisse zum Studium zugelassen, allerdings nur in den Mint-Fächern - also für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Sie brauchen dafür ausreichende Deutschkenntnisse und eine positive Eignungsprüfung.

Neben der Nachsicht bei den Zeugnissen ist die Gasthörerschaft ein Mittel, den Zugang zur Hochschule zu erleichtern. Dafür bedarf es keines Asylbescheids und auch keines Zeugnisses. Die Krux: Man darf keine Prüfungen ablegen und bekommt kein Zeugnis. "Gasthörer kann jeder sein", sagt Hippler.

Doch in der Praxis ergeben sich gewisse Voraussetzungen, da die Unis selbst entscheiden dürfen, wen sie als Gasthörer zulassen. So verlangen einige Unis von Flüchtlingen, dass diese bereits ein Studium angefangen haben oder ausreichend Deutsch sprechen. Für Hippler ist "die Sprache das Wichtigste, wenn man die jungen Leute in die Gesellschaft integrieren möchte. Ohne Deutschkenntnisse haben sie nichts von den Lehrveranstaltungen."

Kein einheitliches Programm

Ein einheitliches Programm für Flüchtlinge für alle deutschen Hochschulen sei derzeit nicht geplant: "Ich glaube nicht, dass man damit etwas erreichen kann. Dafür sind die Unterschiede an den Hochschulen viel zu groß", sagt Hippler.

Während in Deutschland die einzelnen Unis selbst Initiativen organisieren, schuf die Uniko im September ein einheitliches Programm. Die More-Initiative, an der die meisten Universitäten beteiligt sind, ermöglicht Asylwerbern, bestimmte Lehrveranstaltungen als Gasthörer zu besuchen. Eine bestimmte Anzahl an Lehrveranstaltungsplätzen ist für die Asylwerber reserviert.

Dabei handle es sich nicht um rechtliche Sonderregelungen, sondern um "ein freiwilliges und spontanes Entgegenkommen der Unis im Rahmen ihrer Autonomie", heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Welche Lehrveranstaltungen die Unis anbieten, ist ihnen überlassen und von den Kapazitäten abhängig. Da die Gasthörer keine Prüfungen machen dürfen, erhalten sie ein Teilnahmezertifikat. Doch das können sie sich für ein späteres Studium nicht anrechnen lassen.

Neben den Lehrveranstaltungen können Flüchtlinge an Sport- und Kunstangeboten teilnehmen und in kostenlosen Sprachkursen Deutsch lernen. Das kommt ihnen insofern zugute, als sie nur Anspruch auf geförderte Kurse hätten, wenn ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. "Mit einer Grundversorgung von 40 Euro im Monat ist es faktisch unmöglich, sich einen Sprachkurs zu leisten", sagt Peter Marhold, Obmann des Rechtsberatungsvereins Helping Hands.

Bessere Anrechenbarkeit

Die Bemühungen der Unis gehen für Marhold in die richtige Richtung. Ein Verzicht auf Dokumente sei richtig und notwendig. Positiv sieht er auch, dass Flüchtlinge keine Studiengebühren zahlen müssen. Für ihn gehen die Maßnahmen dennoch nicht weit genug: "Wichtig wäre eine schnellere Anerkennung, dass jemand bereits im Ausland studiert hat." Außerdem sollte es möglich sein, sich eine Gasthörerschaft für ein späteres Studium anzurechnen.

Die aktuellen Angebote verschaffen zwar einigen Flüchtlingen einen Platz im Hörsaal, ohne Zeugnis kommen sie dem Ziel eines Uni-Abschlusses aber kaum näher. 


(Lisa Breit, Kristina Nedeljkovic, Selina Thaler, 7.10.2015)

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