Selina Thaler

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Gemeinsam statt einsam an der Spitze

credit: filip havlik/unsplash

Mitarbeitende im Tandem zu führen ist in Österreich noch eher eine Seltenheit. Und wenn, dann sehen Unternehmen das sogenannte Topsharing häufig als Übergangslösung


Selina Thaler, Stefanie Leschnik  1. September 2020, 06:00

Aus eins mach zwei: Das dachte sich Manuela Vollmann vor 23 Jahren. Die Gründerin und Geschäftsführerin des ABZ Austria, des Vereins zur Förderung von Arbeit, Bildung und Zukunft von Frauen, wollte nicht mehr alleinige Chefin sein, sie wünschte sich eine Sparringspartnerin. Auch weil die Firma damals vor der Expansion stand und ihre Tochter noch klein war, wollte sie "nicht 70 Stunden arbeiten".

Also führte Vollmann im ABZ mit der damaligen Sozialpädagogin im Unternehmen eine Doppelspitze aus zwei gleichberechtigten Chefinnen ein, seit 2007 führt sie die Nonprofitorganisation zusammen mit Daniela Schallert. Topsharing oder Shared Leadership wird dieses Arbeitsmodell genannt. Damals habe es das in Österreich noch nicht gegeben, erzählt Vollmann.

Teilen von Macht und Arbeit

"Wir teilen uns die Macht und Arbeit, haben aber die gemeinsame Verantwortung. Mit Erfolgen kann sich nicht nur eine profilieren oder bei Fehlern die andere vorschicken", sagt Vollmann. Schallert und sie arbeiten beide Vollzeit – Topsharer sind nicht immer zwei Teilzeitkräfte, wie es oft gelebt wird. Das war nicht immer so: Je nach Lebenssituation passten Vollmann und ihre Kollegin die Arbeitszeit flexibel an.

Damit gehört das ABZ Austria nach über zwanzig Jahren Topsharing immer noch zu einigen wenigen in Österreich, die dies auch betreiben. Aktuelle Zahlen gibt es dazu nicht. 2014 ergab eine Robert-Half-Umfrage, dass 22 Prozent der heimischen Firmen Jobsharing anbieten – wie viele davon in Topjobs wurde nicht befragt.

Unternehmen hätten Vorbehalte gegen zwei in Teilzeit arbeitende Chefs, sie denken, dass es ineffizient oder zu teuer sei, sagt Vollmann. Vor allem internationale Firmen oder Großkonzerne setzten auf das Modell. Und meist teilten sich Frauen eine Stelle, immer öfter auch Jungväter. Gemischte Paare seien selten.

Aktuelle Tandems

Ein aktuelles Führungskräftetandem in Österreich zu finden ist, wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen: Bei der Erste Bank gibt es derzeit kein Topsharing, man würde es aber unterstützen, wenn Führungskräfte das wollen, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Bei dem IT-Dienstleister T-Systems werde Jobsharing wegen flexibler Teilzeitmodelle, die auch für Führungskräfte gelten, derzeit nicht benötigt, sagt HR-Business-Partnerin Sybille Berzobohaty. Auch bei Magenta Telekom teilt sich aktuell niemand den Chefsessel, das letzte Paar sei "lange her". Und bei Ikea, das in Haid sechs Jahre ein Geschäftsführerinnenduo hatte, ist nun eine Frau an der Spitze. Man sei aber flexibel und gehe auf die Situation der Mitarbeitenden ein, heißt es seitens Ikea.

Topsharing wird oft als Übergangslösung gesehen, wie Vollmann beobachtet: "Das kann ein Lebensphasenkonzept sein." Ein beispielsweise sehr häufiger Grund: eine Chefin, die Mutter wird, aber nicht auf die Karriere verzichten will – Stichwort Teilzeitfalle. Oder wenn Chefs Angehörige pflegen müssen oder sich weiterbilden wollen.

Modell bei Generationenwechsel

Das Modell kann aber auch für die Wissensweitergabe bei einem Generationenwechsel eingesetzt werden. Aus diesem Grund bieten die Österreichischen Bundesforste Jobsharing an. In der Praxis habe sich ein Generationentandem für die Leitung eines Forstreviers bewährt, sagt Sprecherin Pia Puchner. Vor gut drei Jahren teilte sich der Bad Ausseer Förster in Altersteilzeit die Stelle mit der jetzigen Revierleiterin, die damals in Elternteilzeit war. "Das ist ein gewinnbringendes Modell für alle", weiß Puchner. Das nächste Paar stehe in den Startlöchern.

Dass Shared Leadership und Jobsharing nicht weiter verbreitet seien, liege laut der ABZ-Geschäftsführerin auch daran, dass zu wenige Jobs mit einer solchen Option ausgeschrieben werden. Sie denkt, dass man so Führungsjobs für nachkommende Generationen attraktivieren könnte: "Viele Junge wollen nicht 50 Stunden oder mehr arbeiten, sondern Leben und Arbeiten vereinbaren und trotzdem Karriere machen."

Etwa in der IT oder in der Elektronikbranche, wo Firmen Fachkräfte suchen, könne der "Pain Point" bald erreicht sein, der den Wandel zum Sharing anstößt.

Vorteile in Corona-Zeiten

Auch in Corona-Zeiten sei ein Führungstandem sinnvoll, sagt Vollmann. So könne man flexibel reagieren, die Debatte um Arbeitszeitverkürzung aufgreifen oder hybride Arbeitsformen umsetzen. Etwa eine führt virtuell die die Mitarbeitenden im Homeoffice, die andere im Büro.

Und was braucht es dafür? Eine strikte Aufgabenteilung, die den Angestellten klar ist, gute Abstimmung, Vertrauen und ein gemeinsames Ziel: "Man kann nicht nur seine eigene Karriere im Auge haben", weiß Vollmann. Achten müsse man aber "darauf, keine Überstunden zu machen – gerade in Teilzeit". (Selina Thaler, Stefanie Leschnik, 1.9.2020)

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