Selina Thaler

Redakteurin: Der Standard // frei: Die Zeit, Zeit Campus, Wien

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Informatik: Gute Chancen für Quereinsteiger

Österreichs Firmen haben Schwierigkeiten, IT-Stellen zu besetzen, rund 10.000 Fachkräfte fehlen. Deshalb könnten in Zukunft Quereinsteiger gefragter sein.

Die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt ist bekannt: Wer etwas mit Informatik studiert hat oder programmieren kann, ist gefragt. Und muss in vielen Fällen nicht einmal mehr Bewerbungen schreiben, denn die Firmen suchen mittlerweile selbst potenzielle Kandidaten. Auch in Zukunft hat jemand mit digitalen Skills im Job quasi ausgesorgt, muss keine Angst haben, von einem Roboter ersetzt zu werden.

Denn der Bedarf an Fachkräften ist groß, zugleich haben die Firmen Schwierigkeiten, passende Bewerber zu finden. 78 Prozent der heimischen Unternehmen klagen laut einer Eurostat-Erhebung darüber. Nur Tschechien liegt im EU-Vergleich noch vor Österreich (79 Prozent), im EU-Durchschnitt haben laut Eigenangaben lediglich 53 Prozent der Firmen Besetzungsprobleme. Der Fachverband für Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (Ubit) geht in seinem "IKT-Statusreport 2019" von rund 10.000 fehlenden gut ausgebildeten IT-Fachkräften aus. Da ist es nicht überraschend, dass im Vorjahr die Jobangebote für Fachkräfte aus Informatik und Technik mit 28 Prozent österreichweit den größten Anteil aller Stellenanzeigen ausmachten.

Besonderheiten

Das zeigt der aktuelle Fachkräfteatlas der Recruiting-Plattform Stepstone, für den über eine halbe Million Jobangebote ausgewertet wurden. Darunter waren vermutlich nicht nur Inserate für Hochschulabsolventen. Denn eine Besonderheit des IT-Arbeitsmarkts ist: Abschlüsse und Zeugnisse sind für viele Jobs keine Voraussetzung. Und: Um den Bedarf zu decken und dem steigenden Druck zu entkommen, greifen manche Firmen auf Quereinsteiger zurück, die kein einschlägiges Studium vorweisen können.

Das sieht auch Daniel Marwan, Geschäftsführer von ePunkt, das unter anderem auf Informatik-Jobs spezialisiert ist und in seinem Bereich Marktführer ist. "Ich glaube, die Chancen sind heute so gut wie nie, als Quereinsteiger in der IT zu landen", sagt Marwan. Wer keinen Spezialisten finde, greife, wenn der Druck groß genug werde, auf einen Quereinsteiger zurück, anstatt die Stelle unbesetzt zu lassen. Doch die Quereinsteiger würden nicht überall eingestellt werden: Für komplexere Aufgaben, wie im Bereich der künstlichen Intelligenz, werde immer noch ein Studium oder eine langjährige Ausbildung vorausgesetzt, ist Marwan überzeugt.

Gute Chancen

In Abteilungen, in denen neue Software getestet oder einfache Algorithmen programmiert würden, oder im Support stünden die Chancen gut. "Die Firmen ziehen bei anspruchsvolleren IT-Stellen Quereinsteiger noch nicht in Erwägung", sagt Marwan. Daher solle man sich eine Strategie überlegen, wie man mit einem Philosophie-, Germanistik-, oder Biologie-Abschluss eine IT-Stelle bekomme. Er empfiehlt, darauf zu achten, in welchen Jobs die Anforderungen niedriger sind, um sich dann schrittweise intern in den gewünschten Job weiterzuentwickeln. "Ich sehe selten die Bereitschaft, dass Firmen Mitarbeiter erst im Job für die Stelle ausbilden. Ist man aber drinnen und hat sich bewiesen, stehen einem oft alle Chancen offen", sagt Marwan.

Was sollte man also als fachfremde Arbeitskraft mitbringen, um bei den Personalverantwortlichen zu punkten? "Jegliche Praxiserfahrung", sagt Marwan. Also etwa die Grundlagen wie Programmiersprachen und Projekterfahrung. Erstere könne man "mit einem relativ hohen Ausbildungsgrad" bereits über Onlinekurse aus dem Silicon Valley oder von renommierten Unis und Gratis-Youtube-Kursen lernen. Letzteres etwa aus Internetforen wie Github, wo Programmierer gemeinsam an Projekten arbeiten. Auch analytisches Know-how sei eine gute Basis, das hätten auch gute Schachspielerinnen, Sudoku-Liebhaber oder erfahrene Geocacher.

Vielfalt

Der eigentliche fachliche Hintergrund der Quereinsteiger, sei weniger wichtig, sagt Marwan. Es gibt keine Fächer, mit denen man besonders geeignet sei, Vielfalt sei aber ein Vorteil: "Ein Philosoph bringt wahrscheinlich andere Aspekte ein."Wichtiger seien Teams mit unterschiedlichen Ausbildungsniveaus, Geschlechtern, Herkünften und Alter, diese würden auch bessere Ergebnisse erzielen. Und: "Letztlich entscheiden das Interesse an der IT und die Bereitschaft, sich weiterzubilden. In keiner Branche ist es so wichtig, am Ball zu bleiben." Recruiting-Experte Daniel Marwan kann derzeit aber keinen Trend erkennen, dass Quereinsteiger verstärkt eingestellt werden. Doch: "Es ist eine Option, die Firmen wegen des Drucks künftig verstärkt ziehen müssen." (Selina Thaler, 25./26.5.2019)
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