Uni-Noten werden immer besser - trotzdem gibt es noch Klausuren, mit denen ausgesiebt wird. Vier Studenten erzählen von ihren schwierigsten Tests und davon, was sie aus ihnen gelernt haben.
Erst Herzrasen, dann Schweißausbruch - am Ende ein Jubelschrei? Wenn die Klausurergebnisse kommen, bleibt kaum einer ruhig. Für zwei Drittel der Studenten ist die Abschlussnote laut Studierendensurvey 2014 die wichtigste Motivation im Studium; für die anderen geht es ums Bestehen. Ob man weiter studieren darf oder raus ist, hängt manchmal nur von einer Klausur ab. Im Schnitt werden die Noten der deutschen Studenten zwar von Jahr zu Jahr besser, in den ersten Semestern wird hier und da aber noch kräftig gesiebt: Zwanzig Prozent brechen freiwillig ab, zeigen Untersuchungen. Weitere elf Prozent müssen dagegen die Hochschule verlassen, weil ihre Noten zu schlecht waren; Tendenz steigend. Richtig bitter ist es, bei den Abschlussprüfungen zu scheitern - laut Statistischem Bundesamt passiert das im Schnitt vier Prozent der Studenten. Wie kommt man damit zurecht, dass man durchfällt? Was, wenn man nicht mehr weiterstudieren darf? Vier Geschichten über Prüfungen
Alexandra*, 28, wurde an der TU Dortmund nach dem sechsten Semester aus dem Bachelor Wirtschaftswissenschaften exmatrikuliert
"Als das Ergebnis kam, brach eine Welt für mich zusammen: durchgefallen, endgültig. Ich hatte den dritten Versuch in Finanzmathematik, Investition und Finanzierung nicht geschafft. Eine vierte, mündliche Prüfung gab es an meiner Universität nicht - Exmatrikulation. Mein Studium lief Semester für Semester an mir vorbei: fünf Jahre umsonst. Mir fehlten nur noch drei Klausuren und ich hatte bereits meine Bachelorarbeit angefangen. Nun konnte ich mein Studium nicht mehr an meiner Uni abschließen.
Das Niveau bei uns war sehr hoch. Das ist gut so, aber bei einigen Professoren hatte man das Gefühl, dass sie den Pokal für die härteste Klausur gewinnen wollten. Und natürlich wollten sie auch aussieben. Beim ersten Mal war ich tatsächlich nur zu der Klausur gegangen, um zu testen, wie sie ist; das war ein Probeversuch. Beim zweiten Mal dachte ich, es könnte schon etwas geworden sein - da lag ich falsch. Für die dritte Prüfung fing ich direkt im Anschluss an zu lernen. Ich hatte mehrere Monate Zeit, da die Vorlesung nur im Wintersemester angeboten wird. Mein Ziel: Bestehen, ganz egal mit welcher Note. Eigentlich hatte ich beim dritten Mal auch ein gutes Gefühl ...
Heute denke ich: Vielleicht hätte ich zur Vorbereitung noch einen Nachhilfelehrer nehmen sollen; ich habe zu sehr mit "Mut zur Lücke" gelernt - natürlich waren genau diese Lücken in der Klausur gefragt. Da habe ich Zeit verloren oder auf gut Glück Antworten angekreuzt. Es ging schief. Am Ende fehlten mir sieben Punkte.
Aktuell bin ich auf Jobsuche. Niemand hat zu mir gesagt, ich hätte zu wenig gelernt. Auch meine Mutter hat es gut aufgenommen. Nur mein Vater sprach eine Zeit lang nicht mit mir."
"Mein Glück wurde zum Pech meiner Kommilitonen"
Christian Friedrich, 24, studiert Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Maschinenbau an der TU Darmstadt
"Bei uns Wirtschaftsingenieuren ist bei jeder Klausur ein bisschen Glück dabei. Man muss im richtigen Moment die richtigen Einfälle haben, um eine Aufgabe zu lösen. Bei der Prüfung zu Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung hatte ich die richtigen Einfälle, ich schnitt als Bester ab. Es ging immerhin um eine relativ anspruchsvolle Vorlesung zu höherer Statistik. Am Tag vor der Klausur hatte ich mir sicherheitshalber die Übung zur Vorlesung angeschaut - genau die Aufgaben kamen in der Prüfung dran. Die Klausur ist gut gelaufen, aber auch nicht überragend. Ich wurde genau mit dem Gong fertig.
Als die Noten kamen, war ich perplex: Ich war der einzige von 70 Teilnehmern mit einer 1,0. Der Notenschnitt lag bei 3,87 - durchgefallen waren 23 Leute. Ich war erst erleichtert, dann beschämt: Das Gerücht, dass es relative Noten gab, machte die Runde. Das heißt, die beste Klausur wird automatisch eine 1,0 - und alle anderen werden an dieser abgestuft. Wären meine Ergebnisse also schlechter gewesen, hätten mehr Studenten bestanden.
Auch einige meiner Freunde haben die Klausur geschrieben, und ich wollte nicht, dass sie schlechter abschneiden, nur weil ich zwei Aufgaben mehr ausgefüllt hatte. Trotzdem denke ich: Wenn ich zu einer Klausur gehe, dann ist es zumindest mein Ziel, eine Eins zu schreiben.
Dafür investiere ich viel Zeit. Semesterferien habe ich im Prinzip nie. Ich lerne meist für mehrere Klausuren parallel, und irgendwann kommt der Punkt, an dem ich weiß, dass ich jederzeit die Prüfung schreiben könnte. Dann fällt ein Teil der Anspannung ab. Der wirkliche Prüfungsdruck verfliegt aber erst nach der allerletzten Klausur."
Daniel Brasse, 27, brach an der Uni Marburg den Bachelor in Sozialwissenschaften unter anderem wegen Statistik ab
"'Statistik und Methoden werden dich umhauen', sagte man mir, als ich mich für Sozialwissenschaften einschrieb. Ich habe erst zu studieren begonnen, als ich 21 war, da ich nach dem Abitur erst mal gearbeitet hatte. In Mathematik war es hart, wieder reinzukommen. Statistik I und Methoden I habe ich beim ersten Antritt nicht geschafft - die Hälfte der Teilnehmer fiel durch. Da beides nur im Wintersemester angeboten wird, habe ich mich im Sommersemester auf andere Seiten des Studiums konzentriert.
Gut benotete Hausarbeiten brachten den Spaß zurück. Im Wintersemester stieg der Druck: Es durfte nur noch einmal schiefgehen. Statistik I bestand ich diesmal. Ich hoffte, dass es mit Methoden I auch klappen würde. Als ich aber das Ergebnis ›nicht bestanden‹ sah, zog es mir den Boden unter den Füßen weg.
Ich haderte mit dem Studium und mit mir selbst. Bis zum Drittversuch musste ich wieder ein Semester warten. Zwei Monate vor der Prüfung war ich mit dem Lernen nicht weiter als ein Jahr zuvor. Ich war frustriert, ließ die Prüfung sein - und wechselte das Fach. In Politikwissenschaften konnte ich mir Leistungen anrechnen lassen und der Statistik entkommen. Jedoch lief es auch dort nicht viel besser. Die missglückten Prüfungen verzögerten alles. Ich war im neunten Semester und hatte keinen Bachelorabschluss in Sicht. Ich brach ab.
Erst bekam ich Versagensängste, dann Panikattacken. Ich machte eine Therapie und ging zur Berufsberatung. Langsam wurde mir klar: Einen akkuraten akademischen Lebenslauf hatte ich nicht hingelegt, aber viel Lebenserfahrung gesammelt. Ein Arbeitgeber wusste das zu schätzen und gab mir eine Ausbildungsstelle - auch ohne Studienabschluss."
Dominik Bayer, 24, studiert im zehnten Semester Jura an der Universität Würzburg. Bald beginnt er mit dem Staatsexamen
"Ich dachte, dass es weiter so klappen würde, wie es in der Schule und im ersten Semester der Fall war: Klausur bestehen, ohne viel zu lernen. Es war einfach zu reizvoll, in den ersten Semestern in einer neuen Stadt die Nächte durchzumachen. Also habe ich erst kurz vor der Zwischenprüfung angefangen, Öffentliches Recht, Zivilrecht und Strafrecht zu lernen. Man muss alle drei Prüfungen bestehen - ansonsten darf man in Deutschland nicht mehr Jura studieren.
Mit dem Öffentlichen Recht klappte es auf Anhieb, bei beiden anderen fiel ich durch. Es traf mich hart; ich hatte die Sache unterschätzt. Im nächsten Semester bestand ich Strafrecht, aber Zivilrecht klappte wieder nicht. Eigentlich hat man für die Zwischenprüfung nur zwei Versuche, aber wenn nur eine Klausur fehlt, kann man einen Drittversuch beantragen. Ich bekam ihn.
Von da an ging ich abends weniger aus und konzentrierte mich aufs Lernen. Ein Semester lang besprach ich mit einem Kumpel allerlei Fälle, schrieb unzählige Altklausuren; es half auch, mir meinen Traum vor Augen zu führen: Irgendwann werde ich als Rechtsanwalt arbeiten. Ich habe in dieser Zeit festgestellt, dass ich unter Druck am effektivsten lerne, ohne lasse ich mich zu sehr ablenken. Ein Tief kam erst nach der Klausur, als ich im Ungewissen über meine Zukunft war - die Prüfung entschied, ob mein Traum platzte oder nicht. Beim dritten Versuch bestand ich endlich auch in Zivilrecht.
Die Zwischenprüfung ist bei Jura das Instrument, mit dem ausgesiebt wird. Meistens fallen 30 bis 40 Prozent durch. Einige, die mit mir angefangen haben, studieren mittlerweile etwas anderes oder machen eine Ausbildung."
*) Name von der Redaktion geändert