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Vorzeigegesicht Ivanka: Was nach Trumps Absturz nun seiner Lieblingstochter droht

Es gibt einen kurzen Videoclip aus den Stunden, bevor ein von oben, vom Präsidenten selbst, legitimierter Mob am 6. Januar das Washingtoner Kapitol stürmte. Aufgenommen und geteilt hat den Filmschnipsel Donald Trump Jr., der Sohn des abgewählten Präsidenten. Der Clip zeigt, wie die Familie Trump in einem Backstage-Bereich lacht und scherzt. Über Bildschirme auf die Menschenmasse blickt, die der Patriarch in seiner Rede kurz nach der aufgenommenen Szene zum Sturm auf den Kongress anstachelte. Ein Ereignis, bei dem fünf Menschen umkamen und das die stolze Nation USA in die Nähe einer Bananenrepublik rückte. Neben Trump in dem Video, ganz dicht an seiner Seite, steht seine Tochter Ivanka - so wie schon in den vergangenen vier Jahren seiner Amtszeit.


Trump hat fünf Kinder aus drei Ehen. Ivanka, die Zweitälteste, hat eine Sonderrolle: Sie ist sein Liebling. Es zeigt sich allein daran, dass die 39-Jährige als einziges Kind ein offizielles politisches Amt bekleidet. Als Trump im Januar 2017 ins Weiße Haus einzog, holt er sich seine Tochter samt ihrem Ehemann Jared Kushner als Sonderberater in den Westflügel. Ivanka, über die ihr Vater mal sagte, er würde sie sofort daten, wenn sie nicht seine Tochter wäre, verantwortete in seinem Kabinett Frauenrechte und Arbeitsplätze. In einem Akt der Überhöhung behauptete Trump mal, sie allein habe während seiner Amtsperiode 15 Millionen Jobs geschaffen. Ivanka ist eins seiner schlagkräftigsten Argumente.


Nun stellt sich die Frage: Was wird aus ihr nach dem Ausscheiden ihres Vaters aus dem Präsidentenamt? Mehr als alle anderen Familienmitglieder genoss Ivanka seine Gunst, umso härter wird für sie sein Fall. Womöglich wird Ivanka sogar mit ihm hinabgerissen. Die Eliteschülerin und Buchautorin war stets das Vorzeigegesicht der Trumps. Dementsprechend hat sie am meisten zu verlieren: Einfluss, Aufmerksamkeit und Zukunftsperspektiven. Unwahrscheinlich, dass sie es nach all den Jahren schafft, zu ihrem Vater auf Distanz zu gehen. Glaubwürdig wäre es auf keinen Fall.

Ivanka ist eins von Trumps schlagkräftigsten Argumenten

Weil er ihre Loyalität nicht in Frage stelle, wird Ivanka nachgesagt, den größten Einfluss auf ihren Vater zu haben. Neben Vize Mike Pence, ist sie eine der wenigen Personen aus dem Anfangs-Team Trumps, die noch im Amt sind. Wäre es nach Trump gegangen, wäre sie sogar Vizepräsidentin, das behauptet zumindest Trumps ehemaliger stellvertretender Wahlkampfmanager Rick Gates. Es wäre kein Wunder bei einem Präsidenten, der sein Regierungsteam wie einen Clan führt. 

Der Preis, den Ivanka dafür zahlte, in den vergangenen vier Jahren so eng an der Seite des Präsidenten im Zentrum der Macht gestanden zu haben, ist hoch: Es kostete sie ihr altes Leben. "Ivanka Trump", ihre nach ihr benannte Mode- und Schmuckmarke, wurde 2018 eingestampft, nachdem schon während des Wahlkampfs Trumps, für den sie an seiner Seite war, die Verkaufszahlen rapide einbrachen. 2019 schrieb die amerikanische Zeitschrift "The Atlantic": "Sie will nach New York zurück, wenn ihre Zeit im Weißen Haus vorbei ist. Einladungen zur Met Gala, Abendessen mit Freundinnen in italienischen Restaurants, Wohltätigkeitsveranstaltungen – sie soll sicher sein, dass alle auf sie warten." Doch inzwischen scheint so eine Rückkehr in die dortige High Society für sie und ihren Ehemann ausgeschlossen, zu sehr gelten die beiden der liberalen Elite New Yorks als Feindbild. So sehr, dass diejenigen, die sich noch mit ihnen blicken lassen würden, selbst mit sozialer Ächtung rechnen müssten. Jill Kargman, eine New Yorker Schriftstellerin, ließ sich in der "Times" mit den Worten zitieren, sie warte nur darauf, dass Ivanka nach dem Ausscheiden ihres Vaters aus dem Amt "mit ihrer 1000-Dollar Frisur und Makeup in der New Yorker Oper auftaucht, um dort direkt wieder hinausgeworfen zu  werden."


Wie kam es zu diesem Absturz? Vor nicht allzu langer Zeit wurde Ivanka doch noch als mögliche Präsidentschaftskandidatin für das Jahr 2024 gehandelt. Harmloser, gemäßigter, kultivierter als der Vater, als seine Tochter aber trotzdem irgendwie natürliche Fortsetzerin des Trumpismus. Und somit mit gar nicht mal so geringer Erfolgsaussicht, zumal sie neben Trump-Fans zusätzliche Gruppen für sich gewinnen könne: moderate Wähler und vor allem Frauen. Schon während des Wahlkampfs Trumps 2016 sahen Beobachter die Funktion der schönen, beherrschten Trump-Tochter, der Mutter von drei Kindern, darin, ein Gegengewicht zu ihrem aggressiv auftretenden, sexistischen Vater zu bilden.


Karriere in Florida?

Doch je deutlicher sich mit der Corona-Pandemie seine Unfähigkeit im Amt offenbarte und das Märchen von seiner erfolgreichen Präsidentschaft an Glaubwürdigkeit verlor, desto weiter in die Ferne rückte eine Präsidentschaftskandidatur der Trump-Tochter. Auch weil ihr Vater, um sein Versagen zu verdecken, auf Radikalisierung seiner Anhänger und gesellschaftliche Spaltung setzte, Ivanka sich aber, darin stimmen politische Beobachter überein, in Wahrheit deplatziert fühle vor einer Menge politisch Radikalisierter.


Zuletzt wurde ihr nachgesagt, sie hege Ambitionen für ein politisches Amt im Sonnenstaat Florida. Mehrere amerikanische Medien, darunter CNN, vermeldeten vergangen Dezember übereinstimmend, das Ehepaar Trump/Kushner habe ein 30-Millionen-Dollar-teures Anwesen in Florida, nahe Miami Beach gekauft, auf der Milliadärsinsel "Indian Greek Island", direkt am Wasser gelegen mit Rund-um-die-Uhr-Bewachung. Es soll zuvor dem Sänger Julio Iglesias gehört haben und liegt nur eine Fahrstunde entfernt von Trumps Anwesen Mar-o-Lago. Doch neben Grund und Boden besitzt die Familie Trump in Florida vor allen Dingen politisches Kapital: 2016 und 2020 ging der Bundestaat an den einstigen Immobilienmogul. Es gibt Beobachter, die Ivankas Engagement bei den Senatorenwahlen in Georgia im Januar als Warm-up für eine Kandidatur in Florida ansahen.


Die politische Marke Trump

Offen ist allerdings die Frage, wie es derzeit um die politische Marke Trump bestellt ist: Nach den Ereignissen vom 6. Januar dürfte sie mindestens stark beschädigt sein, wenn nicht sogar für einige ganz verbrannt. Das schmälert auch die Erfolgsaussichten der Nachwuchspolitikerin Ivanka. Zumal sie in der jüngsten Vergangenheit mitgestrickt hat an der Geschichte, ihr Vater sei, anders als Joe Biden, der Präsident der "wahren Amerikaner". Im Januar bei einem Auftritt an der Seite ihres Vaters in Georgia verlautbarte sie: "Es fühlt sich toll an, zurück in Georgia zu sein, zusammen mit diesem Krieger, meinem Vater, dem Präsidenten des Volkes!" Inzwischen dürfte sie niemand mehr als liberale Ausreißerin sehen, die privat nicht mit ihrem Vater übereinstimmt.


Weiterhin unbeirrt hinter Trump steht seine radikale Basis, jene Gruppe, die im Netz auf Plattformen wie Parler, Gab, "the donald" oder 8kun den Putsch vorbereitete. Für diese eingefleischten Trumpisten spielt neben dem Original nicht Ivanka die Hauptrolle, sondern ihr älterer Bruder Don Jr.. Er ist ein Waffennarr, Chauvinist, Ausländerhasser, so wie die treuesten Trump-Anhänger und fiel zuletzt auch mit sexistischen Äußerungen gegen seine Freundin auf. Das macht ihn zur Identifikationsfigur für Mitglieder der Glaubensgemeinschaft und Schlägertruppe "Proud Boys", die am meisten fanatischen Trump-Gefolgsleute.


Sie respektieren Ivanka zwar als Trumps Tochter, unwahrscheinlich aber, dass sie eine Frau, dazu noch eine orthodoxe Jüdin wie Ivanka, die für ihre Ehe mit Kushner konvertierte, als Anführerin akzeptieren könnten. Dass ein Teil dieser Leute bei ihrem Angriff auf das Kapitol T-Shirts mit antisemitischen Slogans trugen, hat zumindest Ivanka nicht davon abgehalten, sie in einem inzwischen gelöschten Tweet als "Patrioten" zu bezeichnen. Egal ob diese Wortwahl bewusst oder unbewusst war, sie zeigt, wie sehr sie in die Gedankenwelt ihres Vaters hineingeraten ist.


Trump selbst wird sich weiter als Märtyrer inszenieren und einen Opferkult um sich stricken. Es heißt, er plane die Gründung einer eigenen Medienmarke, um weiterhin die Meinungshoheit über seine zuletzt 74,2 Millionen Wähler zu behalten. Ob Ivanka dabei eine Rolle spielen wird ist noch nicht klar, sie hat sich öffentlich zur Sperrung von Trumps Social-Media-Kanälen bisher nicht geäußert. Sicher dürfte aber sein, dass sie nicht von der Bildfläche verschwinden wird. Dazu hat sie anders als die öffentlichkeitsscheue First Lady Melania in der Vergangenheit zu sehr das Rampenlicht gesucht.

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