In seinem Opus Magnum, Das Sein und das Nichts, erzählt der französische Existentialist Jean-Paul Sartre eine kleine, aber ziemlich eindrückliche Geschichte. Er sitzt in einem Café, seine Pfeife rauchend, und beobachtet einen Kellner, der sein Tablett mit einer "Art Seiltänzerkühnheit trägt" und mit etwas zu lebhaften Schritten den Raum durchschreitet. Jede Geste und jede Bewegung wirken einstudiert, choreografiert. Dieser Mann führt ein Schauspiel auf und das Café ist seine Bühne: Er spielt das Kellner-Sein.
Ein solches Spiel mit Rollen durchzieht unser gesamtes Leben, vor allem, wenn wir vor anderen agieren, wenn Blicke uns treffen. Wir spielen Vater oder Anwältin, geben uns dadurch eine spezifische Identität, wie auf einer Bühne. Nicht selten übertreiben wir dabei, denn schließlich wollen wir uns selbst in Sicherheit wiegen, mit unseren Rollen identisch zu sein: Wir gaukeln uns vor, dass es sich um mehr als ein Spiel handelt.
Die deutsche Regisseurin und Drehbuchautorin Sophie Linnenbaum spitzt diese Alltagsphänomenologie in ihrem Langfilmdebüt The Ordinaries auf beeindruckende Weise zu und erschafft eine Welt, in der das ganze Leben als Film gedacht wird. Jede Person hat ganz buchstäblich eine Rolle zu spielen. In dieser Inszenierung gibt es eine eindeutige, hierarchische Ordnung: Die Hauptfiguren stehen im Fokus der Aufmerksamkeit und treiben die Dinge voran, während die Nebenfiguren für den reibungslosen Ablauf im Hintergrund zu sorgen haben.(...)