Das „Argentinische Tageblatt" (AT), das seit 105 Jahren in Buenos Aires erscheint,
nimmt eine Sonderstellung ein unter den deutschsprachigen Zeitungen im Ausland.
„Nichts aber auch gar nichts" habe die Vermittlungspraxis und die Weltanschauung
des AT mit der „in auslandsdeutschen Blättern üblichen nationalistischen Gefühlsduselei
zu tun", schrieb Redakteur Peter Bussemeyer zum 50jährigen Jubiläum seines
Blattes am 29. April 19391
. 1933 sprach sich das 1889 von dem liberalen Schweizer Einwanderer
Johann Allemann gegründete AT entschieden gegen den Nationalsozialismus
aus und geriet damit in erbitterten Gegensatz zur nationalsozialistisch eingestellten
Mehrheit der sogenannten „deutschen Kolonie" in Argentinien, die zu diesem
Zeitpunkt etwa eine viertel Million Menschen zählte und die sich größtenteils widerstandslos
unter dem Hakenkreuz gleichschalten ließ. NS-Sympathisanten versuchten,
das AT durch Bombenattentate und Überfälle mundtot zu machen, von der deutschen
Gesandtschaft in Buenos Aires wurde es mit Drohungen, Prozessen und Intrigen verfolgt.
Einen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung nach 1943, als eine unverhohlen
achsenfreundliche Militärregierung in Argentinien die Macht übernahm. Zum
natürlichen Verbündeten und Sprachrohr wurde das AT durch seine liberale und demokratische
Haltung jedoch für die antinationalsozialistischen Emigranten, von denen
von 1933 bis 1945 fast 50000 in Argentinien Zuflucht fanden.
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Sebastian Schoepp
Autor, München
Buch