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Rechtsextreme Camps: Sagt AfD-Kandidat Kalbitz die Wahrheit?

Der AfD-Politiker Kalbitz hat laut Von Sebastian Friedrich, Georg Heil und Kaveh Kooroshy, RBB -Recherchen in den 1990er-Jahren offenbar an einem Camp der Vereinigung "Die Heimattreue Jugend" teilgenommen. Nun stellt sich die Frage: Hat er über seine Vergangenheit die Wahrheit gesagt?

Der AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Andreas Kalbitz hat offenbar im Juli 1993 an einem sogenannten Sommerlager des rechtsextremen Vereins "Die Heimattreue Jugend e.V." in der Nähe des thüringischen Ortes Mittelsömmern teilgenommen. Dies ergeben gemeinsame Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste und des rbb-Magazins Brandenburg aktuell. "Die Heimattreue Jugend e.V." war ein Verein, der sich später in "Heimattreue deutschen Jugend" (HDJ) umbenannte und 2009 durch das Bundesinnenministerium verboten worden ist - wegen seiner Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus.

Das Sommerlager der Rechtsextremen war damals von der Polizei zunächst observiert und dann durchsucht worden. Aus einer Verfassungsschutz-Akte, die Kontraste und Brandenburg aktuell in Auszügen vorliegt, geht hervor, dass die Thüringer Polizei bei einer Kontrolle von Personalien einen "Kalbfitz, Andreas, geb. 17.11.1972 in München" wohnhaft in München als Teilnehmer des Sommerlagers notiert hatte. Geburtstag und -ort sind identisch mit den Daten von Andreas Kalbitz, die falsche Schreibweise seines Nachnamens beruht offenbar auf einem Tippfehler.

"Scharfmacher"

Kontraste und Brandenburg aktuell machten zudem einen Teilnehmer des rechtsextremen Lagers ausfindig, der sich an Kalbitz während des Sommerlagers erinnert. Dietwald Claus, der zwischenzeitlich aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen ist, gibt an, Kalbitz sei ihm dort als "Scharfmacher" aufgefallen. "Er war ein bisschen härter drauf als die meisten", so Claus.

Seine Beobachtungen über Kalbitz äußerte Claus 1995 auch im "Thule-Netz", einem rechtsextremen Online-Forum. Entsprechende Protokolle liegen Kontraste und Brandenburg aktuell vor. Claus, der seit rund 20 Jahren in Nordamerika lebt, erfuhr nach eigenen Angaben erst durch die Anfrage der Medien von Kalbitz' Funktionen innerhalb der AfD.

"Schon vollumfänglich geäußert"

Als ein Reporter von Brandenburg aktuell Kalbitz am Montag nach seiner Teilnahme an dem Camp, die bislang nicht öffentlich bekannt ist, fragte, erklärte Kalbitz: "Ich hab mich dazu schon vollumfänglich geäußert, ich denke, das ist ein alter Hut und ich halte das für Wahlkampfgetöse, dass das jetzt aufgewärmt wird." Auf eine schriftliche Nachfrage antwortete der AfD-Politiker nicht im Detail, er legte jedoch nahe, die Fragen seien unsinnig und kündigte an, seinen Rechtsanwalt einzuschalten. Ein wörtliches Zitieren seiner Antwort untersagte Kalbitz.

Interessant ist die Teilnahme des damals 20-jährigen Kalbitz an dem rechtsextremen Lager in Thüringen insbesondere im Kontext von weiteren Presseveröffentlichungen. Bereits im vergangenen Jahr hatte Kontraste berichtet, dass Kalbitz 2007 an einem Pfingstlager des Neonazi-Vereins, der sich zwischenzeitlich in "Heimattreue deutsche Jugend" (HDJ) umbenannte, teilgenommen hatte. "Ich war als Gast dort, mutmaßlich, um mir das mal anzuschauen. Ich sehe da kein Problem", so Kalbitz 2018.

Vergangene Woche berichtete dann "Der Spiegel" über eine E-Mail, die Kalbitz und sechs weitere Personen im Mai 2009 von Sebastian Räbiger, dem letzten "Bundesführer" der HDJ, zugesandt wurde. In der E-Mail wies Räbiger auf ein Interview hin, dass er anlässlich des sechs Wochen zuvor erfolgten Verbots der HDJ durch das das Bundesinnenministerium gegeben hatte.

"Kontakte in den Kernbereich rechtsextremer Milieus"

Die Teilnahme an dem Lager im Jahr 2007 und nun mutmaßlich auch im Jahr 1993 sowie der Erhalt der E-Mail des HDJ-"Bundesführers" werfen die Frage auf, inwieweit Kalbitz enger mit dem rechtsextremen Verein in Verbindung gestanden hat als dies seine Äußerung, er habe sich das Lager 2007 "mal anschauen" wollen, nahelegt.

Kalbitz sei "wiederholt mit Kontakten in den Kernbereich rechtsextremer Milieus aufgefallen, auch mit wiederholten Kontakten in die Neonazi-Szene wie zur HDJ", kommentiert der Rechtsextremismusforscher Gideon Botsch vom Potsdamer Moses-Mendelsohn-Zentrum die Recherchen von Kontraste und Brandenburg aktuell.

Der "Tagesspiegel" hatte Kalbitz am 20. August gefragt, ob er ausschließen könne, dass er neben dem HDJ-Lager 2007 selbst noch an weiteren Lagern oder Veranstaltungen der HDJ teilgenommen habe. Und ob er ausschließen könne, ob seine drei Kinder in der HDJ aktiv oder in HDJ-Lagern zu Besuch waren. In beiden Fällen erklärte Kalbitz, dass weder er noch seine Kinder auf weiteren HDJ-Lagern waren. Eine Teilnahme an dem Camp der Vorgängerorganisation der HDJ 1993 erwähnte er nicht.

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