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Das Trauma der Jesiden

Im Frühsommer ist der kurdische Norden des Iraks wunderschön. Grüne Hänge, warme Luft, in der Ferne die Gipfel des Zāgrosgebirges. Nichts lässt an den Krieg und das Chaos denken, das nicht weit entfernt von hier tobt. Wären da nicht die vielen Checkpoints und die Flüchtlingscamps. In der Nähe der Landstraße in Richtung der kurdischen Stadt Sulaimaniyya liegt das Camp Ashti, was übersetzt Frieden bedeutet. Gleichmäßig reihen sich die sanitären Anlagen aus Backstein entlang der Schotterstraßen, große Tanks spenden Trinkwasser, die Stromkabel hangeln sich von Zelt zu Zelt. Staubig, trocken und ziemlich verlassen wirkt es. Hier wohnen rund 300 jesidische Familien, allesamt Überlebende eines Genozids.

Drinnen in einem der weißen Zelte schiebt Mahia Haji drei in Plastik verschweißte Fotos vor sich: "Das ist mein Mann, mein Sohn, und das hier meine kleine Tochter", sagt sie und stockt. "Ich weiß nicht, ob sie noch leben oder ob die Terroristen sie getötet haben." Sie weint und zieht ihr Kopftuch tiefer über ihr Gesicht. Zwei Söhne sind ihr geblieben, sie schmiegen sich schüchtern an sie, blicken zu Boden.

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