Saskia Reis

Journalistin, Autorin, Berlin

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Reportage

Praxis UdK: Sehnsucht bricht sich immer Bahnen

Eine kleine Frauengruppe aus Münster rief im Mai 2019 als Maria 2.0 zu einer bundesweiten Protestaktion auf: Katholikinnen sollen eine Woche lang ihre Arbeit für die Kirche niederlegen. Ihre Forderung: Aufklärung der Missbrauchsfälle, Aufgabe des Pflichtzölibats und der Zugang für Frauen zu Weiheämtern. Lisa Kötter steht mit einer Handvoll weiteren Frauen an der Spitze der sich mittlerweile weltweit ausbreitenden Bewegung.

Von Saskia Reis

Die Abendsonne hängt noch im Süden, als sie um 17 Uhr die Heilig-Kreuz-Kirche in Münster in warmes Licht taucht. Zur vollen Stunde läuten die Kirchglocken. Auf der Südseite des Kirchturms steht in dicken Buchstaben “Ich”, auf der Ostseite “bin”, im Norden ist das “da” angebracht. Ich bin da. Am Rande der Vorbereitungen zur Wortgottesfeier, die den Abschluss des einwöchigen Frauenkirchenstreiks von Maria 2.0 besiegelt, sitzt Lisa Kötter und übt Gitarrengriffe. Sie macht sich Notizen, aber die Übung will nicht gelingen. “Es wird schon klappen”, meint sie, als wolle sie jede Unsicherheit wegwischen. Einen Perfektionsanspruch hat Lisa Kötter nicht. Sie braucht ihn auch nicht. Die 59-Jährige hat Gottvertrauen, das sie gleichsetzt mit Selbstvertrauen, wie sie selbst sagt. Sie weiß, dass alles gut wird.

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