Saskia Eversloh

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Korruption und Ressourcenraub untergraben Entwicklung

Korruption und Ressourcenraub
untergraben Entwicklung

BU: Goldmine im Madre de Dios, Peru / Copyright: snaptitude/fotolia

Mit Gold, Großbaustellen und Wahlen werden Gelder in Afrika und Lateinamerika gewaschen

Von Saskia Eversloh

Nach den Panama Papers kamen die Paradise Papers – und legten nach 11,5 Millionen Dokumenten zu Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung weitere 13,4 Millionen Datensätze offen. Politische Eliten, internationale Konzerne und organisierte Kriminelle bereichern sich auf Kosten der Bevölkerung.Geldwäsche spielt dabei eine Schlüsselrolle, wie Peru und Kenia zeigen.

Die zweite Schwemme der Enthüllungspapiere, die die Süddeutsche Zeitung seit November 2017 weltweit mit dem International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) auswertet, zeigt einmal mehr, wie ein globales Netzwerk von Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern die Besitztümer von Geschäftsleuten, Prominenten und Politikern an Briefkastenfirmen im Ausland auslagert und in aller Verschwiegenheit verwaltet. Darunter die von Betrügern, Drogenschmugglern und Geldwäschern – und von mehr als 120 Politikern aus 50 Ländern, aus Afrika und Lateinamerika genauso wie aus Europa und den USA.

Mit den Paradise Papers ist noch deutlicher als zuvor geworden, wie eng auch Konzerne aus Industrienationen mit korrupten Eliten in Entwicklungsund Schwellenländern zusammenarbeiten.
Seit Jahren nimmt der Umfang illegaler Finanzströme aus Steuerhinterziehung, Korruption und internationalen Geschäften sowie aus Drogen-, Waffen- und Menschenhandel zu. Das geht insbesondere Entwicklungsländern an die Substanz: Aktuellen Schätzungen von Global Financial Integrity 2017 zufolge sind allein im Jahr 2014 eine Billion US-Dollar illegal aus Entwicklungs- und
Schwellenländern abgeflossen – das entspricht dem Fünf- bis Achtfachen der internationalen
Entwicklungshilfegelder.

„Die Verbrecher handeln grenzüberschreitend und global. Deshalb kann die Antwort darauf auch nur grenzüberschreitend und global sein“, erklärt Johannes Ferguson, Leiter des Globalvorhabens zur „Bekämpfung von illegalen Finanzströmen“ bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), das vom Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird. Und diese Antwort wird dringend benötigt: Bislang kann laut dem United Nations Office on Drugs and Crime weltweit nur ein Prozent der Gelder
aus illegalen Finanzströmen beschlagnahmt oder eingefroren werden.

Peru: Gleich zwei Präsidenten im Visier der Justiz

Ein Paradebeispiel internationaler Verflechtung ist der Odebrecht-Skandal: Der brasilianische Bau-Mogul Marcelo Odebrecht hat Präsidenten in ganz Lateinamerika bestochen, von Argentinien bis Mexiko. Über 800 Millionen Dollar sollen Odebrecht-Managern zufolge seit 2001 als Bestechungsgelder für den Bau von Kraftwerken, Staudämmen und Fußballstadien geflossen sein.

In Peru geht es gleich um zwei ehemalige Präsidenten: Ollanta Humala, Präsident von 2011 bis 2016, und seine Frau Nadine Heredia sitzen seit Juli 2017 in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, während der Wahlkämpfe 2006 und 2011 Gelder der Odebrecht-Gruppe gewaschen zu haben. Und gegen den vermutlich in den USA untergetauchten Ex- Präsidenten Alejandro Toledo (2001 bis
2006) wurde 2017 ein internationaler Haftbefehl erlassen: 20 Millionen US-Dollar soll er von Odebrecht für den Zuschlag zum Bau der Interoceánica angenommen haben, einer
Fernstraße, die über tausende Kilometer Atlantik und Pazifik miteinander verbindet.

Madre de Dios: lllegaler Goldbergbau im großen Stil

Das höchste Risiko für Geldwäsche birgt der illegale Goldbergbau in Peru. Das Land ist der sechstgrößte Goldproduzent weltweit. Der aktuellen Geldwäscherisiko-Analyse der GIZ und der peruanischen Meldestelle für Geldwäsche zufolge wird seit 2012 jedes Jahr Gold im Wert von einer Milliarde US-Dollar illegal abgebaut.

„Der Rohstoffsektor bietet ideale Bedingungen für die Geldwäsche, weil sich die tatsächliche Herkunft der Rohstoffe und damit auch die Erlöse kaum überprüfen lassen“, sagt Fabian Klemme, GIZ-Regionalkoordinator für Lateinamerika. Etwa in Madre de Dios, an der Grenze zu Brasilien und Bolivien, würden die Erlöse aus illegalem Goldbergbau wieder in legale Bauprojekte, wie Siedlungen für die
Bergarbeiter, gesteckt. Solche abgelegenen Grenzregionen könnten die Behörden nur schwer überwachen und die Vorschriften zur Vermeidung von Geldwäsche kaum umsetzen.

Neuer Anti-Geldwäsche-Plan: Internationale Standards eingeführt

Als Lösungen empfiehlt die Geldwäscherisikoanalyse die grenzüberschreitende Vernetzung der zuständigen Behörden und die Anpassung der Vorschriften an die Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF). Die FATF hat sich 1989 als ein Gremium der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung formiert, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
zu bekämpfen. Deren Empfehlungen erleichtern es, verdächtige Geldtransaktionen aufzuspüren und zurückzuverfolgen.

Die GIZ unterstützt die Arbeit der FATF-Regionalorganisationen in Lateinamerika sowie im östlichen und südlichen Afrika. Die Arbeit der peruanischen Geldwäschemeldestelle und der GIZ hat gefruchtet: Die
Lösungsvorschläge aus der Risikoanalyse flossen in den neuen nationalen Anti-Geldwäsche-Plan ein, der im November 2017 vom peruanischen Ministerrat verabschiedet wurde.

Kenia: Weit oben im Korruptionsranking

Auch in Kenia war Korruption in allen Regierungsperioden der bisherigen Präsidenten Kenyatta (seit 2007), Kibaki (2002 bis 2007) und Moi (1978 bis 2002) ein Thema, wenngleich den Präsidenten selbst nichts nachgewiesen werden konnte. Im Korruptionswahrnehmungsindex 2017 liegt Kenia von insgesamt 178 Ländern weit oben auf Rang 145. Zum Vergleich: Peru belegt Platz 101, Deutschland Platz 10.

Allein in den Panama Papers von 2016 konnten bislang 191 Fälle in Kenia vom International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) identifiziert werden. Einer der größten Korruptionsskandale war der Goldenberg-Skandal unter Daniel arap Moi Anfang der 1990er Jahre, bei dem Kenia 700 Millionen Euro durch gefälschte Gold- und Diamantenexporte verlor. Die Firma Goldenberg soll daran mit Wucherprovisionen verdient haben. Beim Anglo-Leasing- Skandal unter Mwai Kibaki gingen weitere 85 Millionen Euro an Scheinfirmen verloren. Ein Teil davon landete über die fiktive Firma Anglo-Leasing und eine Schweizer Bank wieder
auf dem Regierungskonto.

„Die Frustration in der Bevölkerung über immer neue Korruptionsskandale ist groß“, sagt Manuel Papouschek, Berater des Globalvorhabens. Aber es gebe in den vergangenen Jahren eine verstärkte Bereitschaft zur Aufklärung und internationalen Zusammenarbeit seitens der Regierung.

Gemeinsame Ermittlungen: Erfolge um 40 Prozent gesteigert

Nicht nur Korruption, auch die Nähe zu Somalia ist ein ernsthaftes Problem. Dort nistet die terroristische Islamistenmiliz al-Shabaab, die auch vor Kenia keinen Halt macht: So starben 2013 bei dem Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi 67 Menschen, weitere Attentate folgten.

Insbesondere seit dem Westgate-Anschlag hat Präsident Uhuru Kenyatta die Auseinandersetzung
mit Korruption und Geldwäsche vorangetrieben. Dazu tragen auch die von der GIZ organisierten und geförderten Trainings zur interbehördlichen Zusammenarbeit bei. Allein 2016 konnten mehr als 140
Vertreter von Finanzermittlungsbehörden, Staatsanwaltschaften und regionalen Vermögensabschöpfungsstellen darin geschult werden, gemeinsam grenzüberschreitende Fälle zu lösen.

Um eine effektive Verfolgung von Straftaten von der Finanzermittlung bis zur Rückführung des Vermögens zu fördern, wurden sogenannte Multi Agency Teams gebildet. Erfolgsbilanz: In den Jahren 2015 und 2016 war Kenia in der Lage, illegale Vermögen in Höhe von umgerechnet 17,5 Millionen Euro
zu beschlagnahmen. Und die kenianische Ethics and Anti-Corruption Commission (EACC) konnte die Verurteilungsrate aus ihren Ermittlungen schon 2017 um über 40 Prozent steigern.

Die Auswertung aller Datensätze aus Panama und Bermuda wird noch Jahre dauern. Doch der französische Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman macht auf der deutschen Homepage der Paradise Papers schon heute eine eindringliche Rechnung auf: 7,9 Billionen Euro haben Superreiche
und Großkonzerne in Steueroasen geparkt. Mit diesen Billionen könnten alle Menschen, die zurzeit Hunger leiden, 61 Jahre lang satt werden.