Saskia Eversloh

Journalismus & Publikationskonzepte, Düsseldorf

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Grüne Räume: Ökologischer Baustil

Nachhaltiges Denken, ausgeprägtes Designbewusssein und individuelle Selbstdarstellung - diese Mischung, die man gern unter „Green Glamour" apostrophiert, zeigt sich in den Dingen, die wir kaufen, tragen und täglich benutzen. Aber auch in den Räumen, in denen wir leben. Und das vom individuellen Architektenhaus bis zur Reihenhaussiedlung. Offenheit ist ein wesentliches Kennzeichen ökologischen Designs. Nicht nur gestalterisch, innen wie außen, etwa durch großzügige Fensterfronten und flexible Grundrisse. Sondern auch gegenüber technologischen Innovationen. Materialien, die der Reduktion des Energieverbrauchs dienen, werden Teil der ästhetischen Gestaltung. Fotovoltaikanlagen versteckten sich früher auf dem Dach, jetzt werden sie Teil der Fassade. Holz - als nachwachsender Rohstoff - wird großzügig verwendet. Aber auch Beton, denn er kann besonders viel Wärme speichern. Und auch Rohstahlplatten kommen zum Einsatz, um den Ansprüchen nachhaltiger Architektur zu genügen. So sind im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahren nicht nur eine Reihe ökologischer, sondern auch architektonisch wegweisender Wohnkunstwerke entstanden.

Und immer wieder Holz. „Österreich, die Schweiz und Deutschland sind weit vorn beim nachhaltigen Design in Europa. Gerade aus Österreich kommen viele Schrittmacher in der ökologischen Architektur", sagt Joachim Fischer, Autor des Buches „Grüne Wohnträume". Vor allem auch die neue „Baukunst in Vorarlberg" habe neue Impulse gesetzt. Ihren Ursprung nahm sie in den 60er-Jahren, als zunächst - oft auf genossenschaftlicher Basis - Wohnbauten entstanden, die versuchten, die heimische Tradition des Holzbaus mit modernen, kubischen Formen zu verbinden. Die Bewegung lösten die Architekten aus, aber auch die Bauherren, ein Netzwerk aus Lehrern, Künstlern und Planern, die Alternativen zur Provinzialität der Nachkriegsära leben wollten.

Einer der jüngeren Vertreter dieser Schule ist Architekt Daniel Sauter mit seinem Atelier „k_m architektur" in Bregenz. Er plant vorwiegend Einfamilienhäuser in Österreich, in der Schweiz und Deutschland. Die Häuser sind Würfel und Quader, mal stehen sie einzeln, mal verschachtelt. Immer haben sie große Glasfronten, oft liegen sie an Hängen und manchmal imponieren sie mit Seeblick. Der Wohnturm in Wolfurt am Bodensee, den Sauter schon 2001 realisiert hat, hat neue Maßstäbe im ökologischen Design gesetzt: In dem hölzernen Solarhaus ist die Fotovoltaikanlage in der Südfassade integriert, sie deckt den gesamten Jahresstrombedarf des Niedrigenergiehauses. Hochleistungs-Vakuum-Kollektoren auf dem Dach sorgen für Warmwasser und Wärme. Die tragenden Konstruktionen sowie Fassade, Fenster, Türen, Fußböden und Decken sind aus Weißtannenholz, die Oberflächen mit lösungsmittelfreien Farben und Ölen behandelt. Für die Wärmedämmung sorgt 20 Zentimeter dicke Steinwolle, ein nachwachsendes, recycelbares Naturprodukt. Und schon die Baukosten waren geringer als bei konventionellen Häusern. Schließlich waren 80 Prozent der verwendeten Teil bereits vorgefertigt.

Ebenfalls eine kubistisch-minimalistische Neuinterpretation des Baustoff-Evergreens Holz ist die Passivhaussiedlung in Winklarn bei Amstetten in Niederösterreich. Poppe-Prehal-Architekten aus Steyr haben die acht Doppelhaushälften entworfen, die 2004 zu den ersten Ökosiedlungen zählten. „Die Herausforderung bei der Passivhaussiedlung war es, unter einem Energiebedarf von zwölf Kilowattstunden pro Quadratmeter zu bleiben und Regenwassergewinnung und Solarenergie für eine ganze Siedlung störungsfrei zu organisieren", so Fischer. Ein noch radikaleres Statement für ökologisches Bewusstsein ist das „T-Bone House" in Waiblingen in Deutschland, entworfen von Coast Office Architecture aus Stuttgart. Provokant ist es darüber hinaus, das hölzerne T: Denn selbstbewusst trägt es einerseits ökologische Gesinnung nach außen, andererseits zeigt es die Leidenschaft für Autos. In der gläsernen „Wohngarage" unter dem T, in der mittleren Etage des dreigeschoßigen Hauses, steht üblicherweise der Porsche des Besitzers. Durchbrüche im Wohnbereich garantieren den freien Blick auf das Ausstellungsstück. Der Raum kann aber auch den Hobbykeller oder das Spielzimmer ersetzen, er ist mit Ölschiefer ausgelegt und mit Fußbodenheizung und Einbauschränken ausgestattet. Für die Beheizung des „T-Bone House" sorgt eine Erdwärmepumpe, die die Wärme in den Wintermonaten über die Fußboden- und Wandflächenheizung zuführt.

Roher Beton wird salonfähig. Für ökologische Bauweise braucht es nicht unbedingt ausgefeilte technische Systeme. „Sonnenenergie kann etwa auch schon über die Ausrichtung und Größe der Fensterscheiben und durch gezielte Materialauswahl gut gespeichert werden", sagt Fischer. Beton und Rohstahl etwa hätten sich als Wärmespeicher im Bauwesen bereits etabliert. „Idealerweise vereinen sich auf diese Weise ökologische Erfordernisse und eine gestalterische Avantgardeästhetik." Lange Zeit wurde Beton, zumindest in Deutschland, vor allem mit Tiefgaragen assoziiert. Inzwischen ist der Baustoff bei Architekten sehr beliebt. Angefangen hat es mit Böden in Galerien, der Popularität von Lofts und dann mit ganzen Firmengebäuden aus Beton - seit einigen Jahren wird Beton auch für ökologische Eigenheime verwendet. Zumal sich der Baustoff heute besser verarbeiten lässt als noch zu Zeiten des schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier, der ihn als Vordenker des modernen Städtebaus in den 1920er-Jahren durch seine Wohnbauten salonfähig gemacht hat. Ein völlig unverputztes Objekt, innen wie außen, etwa ist das „Wohnhaus T" vom Architekten und Bauherrn Rüdiger Trager. Monolithisch und kompromisslos rau steht es am Stadtrand von Heidelberg. Den aus Beton gegossenen und unbehandelten Decken, Wänden, Treppen, Fenster- und Türöffnungen setzt der Architekt warmes Holz in der Inneneinrichtung entgegen. Eine Erdwärmepumpe sorgt für warmes Wasser und wohltemperierte Räume. Und eine Fotovoltaikanlage ist die Energiequelle, die nie versiegt, solange es die Sonne gibt.

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