Fehmarn/ Heiligenhafen. Fischer müssen mit einem Fangverbot für Dorsch aus der östlichen Ostsee rechnen. Bis spätestens Ende des Jahres will die EU-Kommission die Fischerei auf den Dorsch verbieten. Voraussichtlich kommende Woche wird entschieden, ob auch das „Gebiet 24" vor Rügen mit einer Sofort-Maßnahme bereits zum August dicht gemacht wird. Unmittelbar betroffen sind dadurch nicht nur Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch Betriebe an der Lübecker Bucht, befürchten Fischer und regionale Genossenschaften.
Peter Dietze etwa verkauft frischen Dorsch im Niendorfer Hafen. Mit seinem Kutter fährt er regelmäßig raus zum Dorsch fischen. Bis Rügen allerdings nicht. Der drohende Fangstopp treffe ihn trotzdem. „Der Fischerei-Druck wird steigen", befürchtet der Küstenfischer. Denn gerade größere Boote würden zum Fischen in die westliche Ostsee ausweichen - von Deutschen, Dänen und Polen. Der von der Politik geplante Fangstopp sei sehr spontan ins Gespräch gekommen. Ende Mai wurde erstmals darüber diskutiert. „So ein eingreifender Schritt ist bisher noch nicht gemacht worden", sagt Dietze.
Die Fischer bemerken schon seit Jahren, dass der östliche Dorsch schwächelt. „Er ist in einem biologisch sehr schlechten Zustand", sagt Thorsten Wichmann vom Landesfischereiverband Mecklenburg-Vorpommern. Abgemagert, ein hoher Bestand an Parasiten, kaum Nachwuchs bereiten auch Wissenschaftlern Sorge. Der Internationale Rat für Meeresforschung und auch Umweltverbände haben für ab 2020 einen vorläufigen Fangstopp empfohlen, damit sich die Tiere langfristig erholen können. Die EU-Kommission will das umsetzen - aber noch in diesem Jahr. Eher noch, als es der Rat empfohlen hat.
Uwe Krumme, stellvertretender Leiter vom Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock, sagt: „Aus wissenschaftlicher Sicht wird ein sofortiger Fangstopp am Zustand des Ostdorsch-Bestandes wenig ändern." Man könne zwar bis Ende 2020 mit einem vier Prozent höheren Elternbestand rechnen. „Ob wir das am Ende überhaupt messen können, wage ich zu bezweifeln." Dass es dem Dorsch nicht gut gehe, liege auch an der Fischerei. Aber Umwelteinflüsse spielten eine weit größere Rolle - wie die Überdüngung durch die Landwirtschaft und damit weniger Sauerstoff in den tiefen Becken der Ostsee und eine fischlastigere Ernährung für den Dorsch. „Da müsste die Politik langfristig ansetzen", fordert Krumme.
„Wir glauben, dass durch das Fangverbot nicht mehr alle Fischerei-Betriebe durchkommen", befürchtet Ulrich Elsner, Geschäftsführer der Genossenschaft Küstenfischer Nord, in dem 15 Betriebe zwischen Heiligenhafen und Neustadt organisiert sind. „Wenn das Gebiet vor Rügen geschlossen wird, hat das auch Auswirkungen auf die westliche Ostsee." Auch er geht davon aus, dass Fischer, die sonst vor Rügen unterwegs waren, vermehrt in der Lübecker Bucht fischen - und dadurch eine größere Konkurrenz auf dem Wasser herrscht.
Benjamin Schmöde, Geschäftsführer der Fischergenossenschaft Fehmarn und Fischverwertung Lübecker Bucht, in der sich zehn Betriebe aus Fehmarn und elf aus Travemünde und Niendorf versammeln, teilt die Befürchtung von Elsner: Die Konkurrenz könnte durch das Fangverbot zunehmen. Wenn die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern in die Lübecker Bucht kämen, sei das aber völlig nachvollziehbar. „Ein Betrieb muss Umsatz machen, um zu überleben."
Das mögliche Verbot treffe schließlich alle Küstenfischer. Viele Fischereibetriebe aus Fehmarn, Heiligenhafen, Niendorf und Travemünde fahren nämlich auch regelmäßig bis nach Rügen, um ihre Fangquoten für den Dorsch erfüllen zu können. „Es gibt Zeiten, etwa im Herbst, da müssen wir schauen, wo sich der Fisch aufhält und ihm hinterherfahren", erklärt Schmöde. Dann gebe es nicht genug Dorsch in den Gewässern vor der Haustür. Am stärksten treffe das drohende Fangverbot aber die kleineren Küstenfischer direkt vor Rügen. Da sie nur mit Kuttern mit circa 12 Metern Länge unterwegs sind, seien größere Umwege in andere Gebiete gar nicht leistbar. Bei anhaltendem Fangverbot könnten die Betriebe dort langfristig nicht überleben.
Damit gerade traditionelle Fischereibetriebe nicht vor dem wirtschaftlichen Ende stehen, plädieren Fischer aber noch für eine Ausnahmegenehmigung für kleinere Betriebe. „Das ist unsere große Hoffnung", sagt Schmöde. Die Politik habe aber noch keine konkreten Vorschläge gemacht, die finale Ausgestaltung des Fangstopps werde erst in den kommenden Wochen verkündet. „Wir hoffen, dass wir rechtzeitig mehr wissen, um den Fischern Informationen an die Hand geben zu können", sagt Schmöde.