Zwischen Autobahn und U-Bahngleisen liegt die Alte Donau. Sie ist ein Paradies für den 37-jährigen Hobby-Angler Richard Stasiek, der hier dem Stress der Großstadt entflieht.
In sanften Wellen schlägt das Wasser an den Bug des Schiffes. Ein langgezogenes, erschöpft klingendes Quaken tönt aus dem Schilf. Es ist noch früh und schon so heiß, dass dem Angler Schweißperlen auf der Stirn stehen. Eine Möwe fliegt vorüber und wirft einen kurzen Schatten auf sein sonnengerötetes Gesicht. Er ist vertieft in seine vertrauten Handgriffe: Das Aufspießen der Köder, das Befestigen der Angel an der Reling.
Jetzt beginnt das Warten. Die Zeit, die Zeit. Hier funktioniert sie anders. Keine Zeitung, kein Smartphone, kein Laptop, kein Tablet. Nur der Angler und die Zeit. Zwei Stunden sitzt er in der mittlerweile brennenden Sonne. Fixiert die zwei kleinen, weißen Totenköpfe aus Plastik. "Bissanzeiger", erklärt er kurz angebunden. Wenn ein Fisch anbeißt, werden sie in die Höhe schnellen. Noch herrscht eine unglaubliche Ruhe, unter der aber eine jagdfiebrige Aufregung brodelt.
Kleine Wasserbläschen steigen in wenigen Metern Entfernung an die Wasseroberfläche. "Da vorn sind sie. Sie kommen", seine Stimme klingt jetzt plötzlich aufgeregt. Sie, das sind die Fische. Kleine Fische leben hier und auch sehr große. Karpfen, die bis zu 40 Kilo wiegen können. Auch Welse die bis zu 2,50 Meter lang werden. Unheimliche Wesen, Raubfische, die mit ihren seitlichen Barteln feindselig aussehen. In den frühen Morgenstunden ruhen sie sich in der Tiefe des Gewässers aus, erst in der Dämmerung beginnen sie ihre Suche nach Beute.
Aber noch ist alles ruhig, die Totenköpfe schweigen. Das Wasser riecht frisch und ist so klar, dass man die hellgrünen Blätter der Algengewächse noch in einigen Metern Tiefe gut erkennen kann. Fast könnte man vergessen, dass nebenan die Autobahn rauscht und drei verschiedene U-Bahnen-Linien unermüdlich Menschen in und aus der Großstadt transportieren. Wir befinden uns am südlichen Ende der Alten Donau, keine zwei Minuten von der U2-Station Donaustadtbrücke entfernt, U1 und U6 sind jeweils nur einen Spaziergang entfernt. Trotzdem scheint die Stadt weit weg. Der Fischer heißt Richard Stasiek und ist von Beruf Installateur. Er hat eine Familie, eine kleine Tochter. Das Angeln an der Alten Donau ist mehr als ein Hobby. "Unabhängigkeit, Freiheit" bedeute es für ihn, murmelt er, während sein Blick aufs Wasser geheftet bleibt.
Redselig ist er nur, wenn es um seine Angel-Ausrüstung oder sein mit unzähligen Stickern verziertes, eigenhändig saniertes Boot geht. Vielleicht hat er ja eine kleine Midlife-Crisis, wird der 37-jährige später leise gestehen. "Es wird immer schwieriger. Vor 15 Jahren war das Leben noch leicht. Jetzt muss ich viele Dinge kombinieren, Arbeit, Familie und so weiter." Seit vier Jahren angelt er in der Alten Donau, wenn es geht drei Mal die Woche, verbringt viele Stunden mit dem Renovieren und Aufmotzen seines Bootes. Die Alte Donau ist für ihn Sehnsuchtsort und Rückzugsgebiet.
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