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35 Euro für den Quadratmeter Land

Viele Städter überlegen, aufs Land zu ziehen. Mieten oder bauen? Was wird gefördert? Und wohin überhaupt? Das Beispiel zweier Familien zeigt, was man beachten sollte.

Als am 1. August erstmals Zehntausende Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen durch Berlin zogen, tuckerten Nina Machens und ihr Mann mit ihrem braunen VW Touran durch die niedersächsische Provinz; auf der Suche nach einem neuen Ort zum Leben.

Die Idee war ihnen nur Tage zuvor gekommen, im Sommerlaub. Drei Wochen hatte das Paar in einem Haus im Norden Dänemarks verbracht. War am Strand spazieren gegangen, durch den Wald gejoggt, die zwei Töchter liefen morgens direkt vom Haus aus auf die Wiese.

Im heimatlichen Berlin, das wussten sie, war all das vorbei. Da wartete eine Stadt im Ausnahmezustand auf sie. Eine Stadt, in der sich die Kinder nicht frei bewegen konnten. Eine Stadt, in der sie um Schul- und Kitaplätze konkurrierten. Eine Stadt, in der die Familie zu viert in einer Dreizimmerwohnung saß. Und der Mann im Homeoffice im Schlafzimmer arbeitete; im begehbaren Kleiderschrank, um genau zu sein, weil das der einzig freie Platz im Haus war. Sie wollten nicht wieder zurück.

Grundlegende Fragen zu bedenken

"Unbewusst war der Wunsch wahrscheinlich schon lange da", sagt Nina Machens. "Die Pandemie aber hat ihn konkret gemacht." Den Wunsch, auf dem Land zu leben. Einfamilienhaus statt Mietwohnung, Dorfladen statt Shoppingmall. Doch was gilt es, beim Umzug aufs Land zu beachten? Eine solche Entscheidung mag zunächst von romantischen Vorstellungen getrieben sein, aber sie bringt sehr grundlegende Veränderungen für das Leben mit sich, die abzuwägen sind.

Die Corona-Pandemie hat die Menschen zum Nachdenken über ihr Zuhause gebracht, heißt es in einer Studie im Auftrag des Portals ImmoScout24. Rund ein Viertel ist demnach unzufrieden mit der eigenen Wohnung. 35 Prozent wünschen sich einen Balkon oder Garten, zwölf Prozent zieht es ganz raus, aufs Land. Der Trend ist nicht neu. Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) wandern bereits seit 2014 mehr Städterinnen und Städter in die umliegenden Gemeinden ab, als dass Menschen nachziehen, die Forscher sprechen von einer Phase der "Suburbanisierung".

"Es sind vor allem Städter zwischen Anfang 30 und Mitte 40, die es rauszieht", sagt Dirk Wohltorf, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD). "Menschen, die gerade in der Familienplanung stecken oder bei denen die Kinder demnächst in die Schule gehen." Viele hätten eine tolle Zeit in der Stadt gehabt, sagt Wohltorf. Sie würden jetzt, mit Kindern, die Vorzüge der Stadt aber kaum noch nutzen. "Da wird ein Garten für die Kinder schnell wichtiger als die Kneipe um die Ecke."

Nina Machens und ihr Mann waren ebenfalls lange überzeugte Großstädter, 15 Jahre lebte das Paar, beide 38, in Berlin. Mit den Töchtern aber, heute fünf und acht, änderten sich die Prioritäten. "Sie sollten sich freier bewegen können", sagt Machens. "Und auch unter der Woche in der Natur sein können."

Der Speckgürtel war Machens und ihrem Mann nicht weit weg, nicht ländlich genug. Schließlich konnte er auch künftig viel mehr von zu Hause aus arbeiten, muss nur unregelmäßig ins Berliner Büro fahren. Also sollte es in Machens alte Heimat gehen, nach Niedersachsen; in die Nähe von ihrer Mutter und ihrem Bruder.

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