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Ganz schön meta

„Metaverse" (eine Kombination aus „meta", also „auf einer höheren Stufe", und „universe") steht für eine Vision: Die Welt, wie wir sie kennen, soll im Virtuellen so echt wie möglich nachgebildet werden. Erstmals kam der Begriff in einem Science-Fiction-Roman vor: „Snow Crash" von Neal Stephenson erschien 1992 und beschreibt eine glanzvolle virtuelle Welt, die den Protagonisten Hiro von seinem trostlosen Durchschnittsleben ablenkt. Ein fertiges Metaverse gibt es derzeit noch nicht. Die unterschiedlichen Ansätze dazu haben aber ein paar Ideen gemein: Man soll dort nicht per Mausklick agieren, sondern läuft mit einem Avatar - einer Art digitalem Zwilling - in einer meist dreidimensionalen Welt umher. Das kennt man von Computerspielen. Während die Welt bei traditionellen Computerspielen aber in sich geschlossen ist, wäre es zum Beispiel im Metaverse möglich, ein Game, das man gerade mit seinem Avatar spielt, zu verlassen und als derselbe Avatar eine Überweisung zu tätigen. Wie bei unterschiedlichen Tabs, die auf dem Bildschirm geöffnet sind und zwischen denen man wechseln kann, ohne aus dem Internet gehen zu müssen. Zur Idee, die Onlinewelt zu vernetzen, gehört auch, dass das Metaverse plattformübergreifend funktionieren soll. Wer zum Beispiel in einem Spiel eine Rüstung kauft, könnte die seinen Avatar danach überall im Metaverse tragen lassen. Es wäre aber auch möglich, den realen Wocheneinkauf zu bestellen oder mit Freund:innen (beziehungsweise deren Avataren) einen Film zu gucken. Einige dieser Funktionen existieren heute schon. So finden bereits Onlinekonferenzen in einer Art Metaverse statt. Die Menschen treffen sich also als Avatare an einem Tisch anstatt per Videocall.

Wie komme ich ins Metaverse?

Eine bekannte Plattform, die in Deutschland oft mit dem Metaverse gleichgesetzt wird, ist Decentraland. Dort fand beispielsweise im Oktober 2021 ein viertägiges Musikfestival statt, und der Handel mit virtuellen Grundstücken boomt (die Krypto-Investmentfirma Tokens.com zahlte im November 2021 für eine Parzelle 2,4 Millionen Dollar). Decentraland ist als Gast oder nach einer Registrierung per Mail betretbar. Bisher funktioniert die Plattform ohne Virtual-Reality-Brille, es wird aber daran gearbeitet, das zu ändern. Die Decentraland-Avatare sind recht grob gepixelt, selbst Sims sehen Menschen ähnlicher. Um Grundstücke zu erwerben, braucht man eine Kryptowährung, also Internetgeld, im Decentraland heißt die MANA. Die Grundstücke kann man dann nach eigenen Vorstellungen gestalten. Änderungen sehen alle Nutzer:innen. Wem was gehört, zeigen NFT an, eine relativ hackersichere Möglichkeit, Besitz im digitalen Raum zu markieren. Andere Metaverse-Versuche heißen Windows Mixed Reality, SteamVR oder Viverse Discord (HTC). Um diese Welten bereisen zu können, braucht man ein spezielles Headset mit VR-Brille.

Ein Konzert, das schon im Jahr 2020 einen Vorgeschmack auf ein mögliches Metaverse gab: Travis Scotts virtueller Auftritt auf der Videospielplattform Fortnite

Wer hat im Metaverse das Sagen?

Die ersten Firmen, die versucht haben, ein Metaverse wie im Roman „Snow Crash" zu bauen, waren Computerspielfirmen wie das Unternehmen Epic Games, das hinter „Fortnite" steckt. Inzwischen sind aber auch große Konzerne und Unternehmen anderer Branchen in das Geschäft eingestiegen. Dabei gibt es zwei Denkrichtungen, wie das Metaverse aussehen könnte: die dezentrale und die zentralistische. Mark Zuckerberg - dessen Konzern mittlerweile nicht mehr Facebook, sondern Meta heißt - steht in den Augen vieler für die zentralistische Version. Kritiker:innen befürchten, dass Meta im zukünftigen Metaverse eine Monopolstellung erlangen könnte. Tatsächlich hat der Konzern schon einige potenzielle Konkurrenten in Sachen Virtual Reality aufgekauft, was das US-Kartellamt dazu gebracht hat, Ermittlungen aufzunehmen. Auf der anderen Seite stehen Projekte wie Decentraland: Geht es nach ihnen, soll das Metaverse seinen Nutzer:innen gehören und kollektiv gestaltet werden. Auch die Videospiel-Plattform Sandbox ist nach eigener Aussage gemeinschaftlich organisiert und dient in erster Linie dazu, privaten Nutzer:innen die Möglichkeit zu geben, pixelartige Kunst zu kreieren und auf einem virtuellen Marktplatz zu verkaufen. Hier mischen aber auch schon große Firmen wie Adidas mit. Grundsätzlich kann man sagen: Je mehr Hardware für eine Metaverse-Erfahrung nötig sein wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass am Ende ein Konzern das Metaverse kontrollieren wird. Gerade ringen viele große Firmen darum, die beste VR-Brille herauszubringen. Oculus kreierte 2013 eine Brille, die 2014 von Facebook aufgekauft wurde. Jetzt heißt die Firma Meta Quest. Das deutsche Kartellamt leitete 2020 ein Missbrauchsverfahren gegen das Unternehmen ein, weil für die Nutzung der Brille bisher ein Facebook-Account nötig war. Ab August 2022 soll die Brille aber laut Meta auch mit einem separaten „Meta-Account" funktionieren. So oder so ist Meta auf dem weltweiten VR-Brillenmarkt bereits stark vertreten, das lässt eine Nutzer:innenumfrage der größten Gamerplattform „Steam" zumindest vermuten.

Woher kommt der Hype?

Viele Firmen hoffen, mit einer Präsenz im virtuellen Raum irgendwann einmal viel Geld zu verdienen. Adidas etwa besitzt Grundstücke bei Sandbox und plant das „Adiverse". Die erste virtuelle Kollektion ist laut eigenen Angaben bereits ausverkauft. Dass das Metaverse mittlerweile nicht mehr nur Gamer:innen interessiert, hat auch viel mit dem Facebook-Konzern zu tun, der sich, wie schon erwähnt, im Oktober 2021 in Meta umbenannt hat. Kryptowährungen gingen danach durch die Decke, neue Metaverse-Podcasts erschienen, und ein indisches Paar umging die Corona-Einschränkungen, indem es mit 2.000 Gästen in einem Metaverse seine Hochzeit feierte. Dafür ließen die beiden Harry-Potter-Fans ein Hogwarts ähnelndes Schloss auf der Plattform „Tardiverse" bauen und sogar einen Avatar des verstorbenen Vaters der Braut kreieren.

Könnten wir eines Tages im Metaverse leben?

Noch wird in die Metaverse-Idee vor allem investiert, und sie könnte auch ein totaler Flop werden. Psycholog:innen befürchten außerdem, dass die Gefahren, die der Social-Media-Konsum heute schon mit sich bringt, im Metaverse verstärkt werden könnten: vom Hass auf den eigenen Körper über Einsamkeit bis zur Unfähigkeit, sich mit Problemen im realen Leben auseinanderzusetzen. Die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen glaubt, dass der Meta-Konzern im Metaverse seiner Sorgfaltspflicht gegenüber Kindern und Jugendlichen genauso wenig nachkommen würde, wie er das zurzeit tut. Auch technisch wird das Vorhaben eine Herausforderung: Wegen der enormen Rechenleistung, die man dafür braucht, könnte das Metaverse, so wie man es sich heute vorstellt, frühestens in 10 bis 20 Jahren virtuelle Realität werden.

Titelbild: Meta
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