Sarah Lau

Journalistin, Text & Konzeption, Zürich / Hamburg

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Wie Frauen bauen: So prägen Architektinnen die Städte

Schechtner: Das hängt mit der Ausdifferenzierung von Lebenswelten des 20. Jahrhunderts zusammen. Damals trennte man Wohnen und Arbeit. Es war städtebaulich vernünftig, nicht mehr beide Lebensmittelpunkte in dreckigen, ungesunden Stadtteilen zu bündeln. Dadurch geriet der Arbeitsweg in den Fokus, und damit bald das Auto als favorisiertes Beförderungsmittel. Da damals grossmehrheitlich Männer berufstätig waren, ist es ihnen zu verdanken, dass die Städte auf das Auto ausgerichtet wurden.

Czaja: In Teheran gibt es ein weiteres tolles Beispiel: Die 270 Meter lange Tabiat-Brücke, die zwei Parks miteinander verbindet. Eigentlich sind ja gerade Brücken und Tunnel der Inbegriff von Transit - da will man einfach nur durch. Leila Araghian aber ist es gelungen, eine Fussgängerbrücke anzulegen, die architektonisch vielleicht nicht die eleganteste ist, dafür aber im Sinne städtischen Freiraums sensationell. Mit Terrassen, Sitzbänken, Verschattungen, Cafés und Ausblick. Da finden regelrechte Völkerwanderungen statt, einfach super.

Czaja: In vielen Städten gibt es heute eine Sensibilität dafür, dass grosse Planungsfragen nicht mehr nur einem Geschlecht, nicht mehr nur einem Blickwinkel, nicht mehr nur einer einzigen Erfahrungswelt überlassen werden dürfen. Frauen, die ungefähr die Hälfte der globalen Bevölkerung ausmachen, geben sicherlich eine wertvolle Perspektive. Das wird sich auch in den Städten der Zukunft niederschlagen. Ich weiss nicht, ob sie dadurch schöner oder besser werden. Aber sie werden eindeutig mehr Menschen und Bevölkerungsgruppen einschliessen, als sie es heute tun.

Wojciech Czaja, Katja Schechtner: Frauen Bauen Stadt. Birkhäuser Verlag 2022, 208 Seiten, ca. 54 Fr.
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