Diese Hitze! Knallt die Sonne an heißen Tagen vom Himmel, halten es manche Menschen auch im eigenen Garten nicht mehr aus. Doch das muss nicht sein: Landschaftsarchitekt Markus Meyer erklärt im RND-Interview, wie das Grün vor der Haustür kühl bleibt, was Neophyten damit zu tun haben und wieso ihm Schottergärten Kopfweh bereiten.
Herr Meyer, was denken Sie beim Anblick eines Schottergartens?
Da bekomme ich Kopfschmerzen. Schottergärten führen zu einer wahnsinnigen Überhitzung. Sie sind ökologisch sehr bedenklich und es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass solche baulichen Fehlleistungen überhaupt zugelassen werden. In einigen Regionen sind Schottergärten inzwischen sogar verboten.
Wie ist dieser Trend überhaupt entstanden?
Ich mache die Beobachtung, dass Menschen zunehmend der Zugang zur Natur fehlt – und dementsprechend auch zum eigenen Garten. Wenn der Zugang fehlt, geht es vielen darum, die Kosten gering zu halten.
Für den Mechaniker zahlen Menschen viel Geld, damit er das Auto wieder zum Laufen bringt. Ein guter Landschaftsgärtner, der die notwendige Fachkenntnis zum Anlegen ökologisch-botanischer Frei- und Gartenräume besitzt, hat auch seinen Preis. Den zu zahlen sind immer weniger Menschen bereit. Den meisten fehlt die Wertschätzung dafür. Dabei wirken gerade ökologisch wertvolle Gartenräume der Hitze entgegen. Sie tragen zur Entspannung bei und sind dementsprechend gesund.
In Ihrem Buch „Oase kühler Garten“ schreiben Sie, die Natur komme offensichtlich besser mit klimatischen Veränderungen klar als wir Menschen. Wie meinen Sie das?
Nehmen wir die Neophyten als Beispiel. Das sind Arten, die nun in Regionen wachsen, in denen sie zuvor nicht heimisch waren. Dabei handelt es sich eigentlich nur um Pflanzen, die sich dort ansiedeln, wo es ihnen gut geht. Die Rose käme etwa nie auf die Idee, in einer Sumpflandschaft zu wachsen.
Wir können in den Neophyten durchaus eine Chance sehen, auch für Insekten, denen sie Nahrung spenden. Neophyten tragen ihren Part zur Biodiversität bei. Wen wir also wirklich Artenvielfalt wollen, müssen wir zunächst verstehen, wie Artenvielfalt ausschaut. Pflanzen wandern schon seit Milliarden von Jahren. Vielleicht stehen bei uns in den Städten irgendwann keine Eschen oder Kastanien mehr, sondern Orangen- und Olivenbäume. Die kommen nämlich besser mit der Hitze zurecht.
Jedenfalls, ob Neophyt oder nicht: Pflanzen sind generell eine große Chance, was die Klimaerwärmung anbelangt. Sie regulieren den Wasserhaushalt im Boden und der Atmosphäre, wandeln mittels Photosynthese CO₂ in Sauerstoff um, verhindern Erosionen und beschatten. Botanische Kühlsysteme sehe ich persönlich als die wirksame und sinnvolle Möglichkeit, die urbane Überhitzung zu dämpfen.
Was braucht der eigene Garten, um dem Klimawandel zu trotzen – und sogar kühlend zu wirken?
Da fallen mir zuerst die Bodendecker ein, also flachwachsende Pflanzen. Sie können brachliegende Vegetationsflächen bedecken. Habe ich nämlich Schotterflächen oder nackte Erde im Garten, wird die Strahlung der Sonne wieder nach oben reflektiert. Wir haben dann also von oben und unten eine permanente Hitze, die nicht gesund für uns Menschen ist. Statt Sonnenschirme aufzustellen, die alle paar Jahre erneuert werden müssen, kann man auch einfach einen Baum pflanzen. Der spendet genauso gut Schatten und kühlt somit.
Außerdem ist es wichtig, die Bepflanzung den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Denn jeder nutzt seinen Garten etwas anders. Gleichzeitig sorgt man mit einer ausgewogenen, standortgerechten Bepflanzung, die in erster Linie durch das Klima bestimmt ist, für ein ökologisch-angenehmes Wohlfühlambiente. Man möchte sich ja schließlich im Garten aufhalten und nicht vor ihm flüchten. Wenn man den Garten so gestaltet, wie man selber möchte, fühlt man sich außerdem in ihm geborgen, entspannt sich und trägt somit zur eigenen Gesundheitsvorsorge bei.
Stichwort Sonnenschirm: Was haben Accessoires im Garten mit Hitze zu tun?
Ich habe mal an einem sehr warmen und sonnigen Tag mit der Familie zum Grillen zusammengesessen. Dabei habe ich mich fast am Glastisch verbrannt, der eine Metallumrandung hat. Viele Menschen haben Accessoires, die die Hitzeeinwirkung noch nach oben potenzieren, weil sie Sonnenstrahlen reflektieren. Rattanmöbel oder Holztische im Garten ergeben Sinn. Sonnenschirme aus dunklen Materialien, Metallkerzenständer oder Hochbeete aus Kunststoff dagegen nicht. Wenn es also zu heiß im Garten werden sollte, kann man schon mit der Wahl der Gartenaccessoires dafür sorgen, keine zusätzliche Hitze zu produzieren.
Was halten Sie eigentlich vom perfekt getrimmten und sattgrünen Rasen, selbst im trockenen Hochsommer?
Schlichtwegs nichts! Viele Menschen wünschen sich den sogenannten englischen Rasen, also einen Rasen wie auf dem Golfplatz. Dabei handelt es sich um eine Monokultur, die aus ökologischer Sicht wenig Sinn ergibt und deren Pflege wahnsinnig zeitaufwendig ist. Außerdem wollen viele ihren Rasen vertikutiert haben, um etwa die Bildung von Moos zu unterbinden. Aber das ist wider die Natur. Ich sage bestimmt seit 30 Jahren schon: Lasst das. Man sollte darüber nachdenken, warum Moos überhaupt entsteht. Wir können den Rasen fünfmal im Jahr vertikutieren, dadurch ändert er aber den Standort nicht. Moos findet man oft dort, wo der Boden feucht und es schattig ist.
Wie geht es besser?
Mein genereller Rat lautet, sich auf die Natur einzulassen, den Ordnungswahn hintenanzustellen und damit klarzukommen, dass es im Garten mal bunt und dass das Gras mal etwas länger ist. Gartenarbeit sollte Spaß machen, entspannen und sich nicht wirklich wie Arbeit anfühlen. Die Kultur des Scheiterns gehört übrigens dazu. Ein Garten soll und kann nicht perfekt sein. Man sollte den Gedanken zulassen, dass man auch mal etwas falsch machen kann.
Der Mensch ist nicht perfekt und die Natur auch nicht – aber sie lernt permanent dazu. Ihre Adaptionen folgen dem Lauf der natürlichen Abläufe. Alles, was um uns blüht, grünt und duftet, hat sich durch die Evolution in einem Zeitraum von Milliarden Jahren entwickelt. Also halte ich es für ziemlich hochmütig, wenn der Mensch innerhalb von zwei Wochen ein perfektes Gartenparadies schaffen möchte.