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Faktencheck Veganismus: Was stimmt und was Unsinn ist

Rein pflanzliche Ernährung kann sehr abwechslungsreich sein. © Quelle: Unsplash/Anna Pelzer

Haferdrink statt Kuhmilch, Soja- statt Hackfleisch-Bolognese: Veganer verzichten auf alle Produkte tierischen Ursprungs. Viele zählen dazu auch Honig, weil Bienen ihn produzieren, und achten bei Saft oder Wein darauf, dass die Getränke nicht mit Gelatine geklärt worden sind.

Rund 1,13 Millionen Menschen ernähren sich in Deutschland vegan. Sie bekommen immer mal wieder Vorurteile zu hören: zum Beispiel, dass eine Ernährung ohne tierische Produkte ungesund sei oder dass vegan zu leben teuer wäre. Was davon stimmt und was nicht, haben wir gecheckt.

1. Wer sich vegan ernährt, bekommt nicht alle Nährstoffe

Kritisch ist die Versorgung mit Vitamin B₁₂, informiert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Vitamin B₁₂ wird ausschließlich von Mikroorganismen produziert. Verschiedene Tierarten können das durch die Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt produzierte Vitamin B₁₂ absorbieren", so die DGE. In einer für Menschen verfügbaren Form komme es daher fast nur in tierischen Lebensmitteln vor. Veganer würden deshalb B₁₂-Nährstoffpräparate nehmen müssen. Das Vitamin sei auch in Sauerkraut, Shiitake-Pilzen und Meeresalgen enthalten - aber nicht in ausreichender Menge.

Auch Vitamin D, Calcium, Eisen, Jod, Zink und Selen stuft die DGE als kritische Nährstoffe ein. Wer vegan lebt, sollte darauf achten, Speisen zu essen, in denen ausreichend davon enthalten ist. Als Abhilfe empfiehlt die DGE „sehr gezielt nährstoffdichte Lebensmittel und angereicherte Lebensmittel auszuwählen". Kompliziert ist vegane Ernährung deshalb aber nicht unbedingt: Wer sich erst einmal über neue Essgewohnheiten informiert und an sie gewöhnt hat, ernährt sich irgendwann automatisch vollwertig.

2. Für vegane Gerichte braucht man total viele exotische Lebensmittel

Exotisch bedeute, dass ein Lebensmittel aus einem fremden Land stamme, ausgefallen oder ungewöhnlich sei, erklärt Niko Rittenau. „Der Einzelhandel ist voll von Lebensmitteln, die von weit her kommen, die wir aber gar nicht mehr als exotisch wahrnehmen, weil wir sie seit jeher essen", sagt der Ernährungswissenschaftler, dessen Fokus auf pflanzlicher Ernährung liegt. Viele vegane Proteinquellen wie Tempeh, Seitan, Farinata, Sojaschnetzel und Tofu wirkten auf Menschen mit wenig Bezug zum Veganismus oft als exotisch, weil sie damit noch nie in Berührung gekommen sind.

„Die Lebensmittel, aus denen sie hergestellt werden - Getreide und Hülsenfrüchte - werden aber zu großen Teilen hierzulande angebaut und sind daher alles andere als exotisch", sagt Buchautor Rittenau. Lebensmittel wie Tempeh oder Seitan würden aber nicht zwingend Teil der veganen Ernährung sein müssen. „Getreide, Hülsenfrüchte, Kerne sowie Gemüse und Obst findet man in jedem Supermarkt und Discounter. Mithilfe der richtigen Rezepte kann man aus diesen Grundnahrungsmitteln sehr schmackhafte vegane Speisen kreieren", so der Ernährungswissenschaftler.

3. Vegane Ernährung ist ungesund

„Ob sich Veganerinnen und Veganer gesundheitsfördernd ernähren, hängt von deren Lebensmittelauswahl ab", schreibt die DGE. Wer viel Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst, Vollkornprodukte, Nüsse und Pflanzenöle isst, könne dadurch die Gesundheit positiv beeinflussen. Auch Abwechslung sei beim Speiseplan wichtig. „Bei einer veganen Ernährung ohne Nährstoffpräparate beziehungsweise angereicherte Lebensmittel ist eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen jedoch nicht oder nur schwer möglich", warnt die DGE.

Studien würden allerdings zeigen, dass eine Ernährung mit Gemüse, Obst und ballaststoffreichen Getreideprodukten das Risiko senke, an Herz-Kreislaufkrankheiten oder Diabetes zu erkranken. Außerdem würden Veganer laut der DGE häufig dazu neigen, einen gesünderen Lebensstil zu pflegen. Sie rauchten seltener, würden weniger Alkohol trinken und machten mehr Sport.

4. Menschen brauchen Fleisch und tierisches Protein

Nein, nicht zwingend. Denn auch in Pflanzen ist Protein enthalten. Als besonders proteinreich gelten beispielsweise Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide. In einer Sache haben Kritiker aber nicht ganz Unrecht. Protein aus Fleisch können Menschen laut DGE einfacher verwerten als solches aus Pflanzen. Das gleiche gelte für Eisen. Eisen tierischen Ursprungs nehme der menschliche Körper leichter auf als Eisen aus Pflanzen, informiert die Krankenkasse AOK.

5. Pflanzen sind doch auch Lebewesen!

Ja, das stimmt natürlich. Aber, wie das Wissenschaftsmagazin Quarks berichtet, empfinden Pflanzen keine Schmerzen. Denn dazu bräuchten sie wie wir Menschen ein Organ, das beispielsweise Fraßschäden durch Raupen als Schmerz deutet. Beim Menschen übernehme das Gehirn diese Funktion. Die Pflanze reagiere nur, fühle aber in dem Sinne kein Leid, wie wir es kennen. So lautet auch das Ergebnis einer aktuellen wissenschaftlichen Studie. Dass Pflanzen ein Bewusstsein hätten, sei eine irreführende Behauptung, steht in der Untersuchung.

Die Tierrechtler von Peta argumentieren außerdem: Es sei besser, Pflanzen zu essen als Tiere, die vorher auch Pflanzen gefressen haben. „Das ist eine extreme Verschwendung", so Peta. Die Tierschützer der Albert-Schweitzer-Stiftung geben an, dass in einem Kilo Rindfleisch knapp 4 bis 9,4 Kilogramm Getreide steckten und dafür 15.400 Liter Wasser verbraucht werden.

6. Vegan kochen, okay - aber was ist mit Fastfood?

Eine der beliebtesten Beilagen zu Burger oder Schnitzel ist vegan: Pommes mit Ketchup. Zumindest, wenn der Koch die Kartoffelstäbchen in Pflanzenfett frittiert. Große Fast-Food-Ketten haben schon längst vegane Burger im Angebot. Pattys aus Pflanzen gibt es in Supermärkten und Discountern zu kaufen. Auf Pizza streut man veganen Käseschmelz statt Mozzarella. Falafel, bestehend aus Kichererbsen, sind schon lange kein Exot mehr in Dönerläden. Die Auswahl an veganem Fastfood zum unterwegs essen oder liefern lassen ist mittlerweile groß. Aber: „Verarbeitete Lebensmittel mit hohen Mengen an zugesetztem Zucker, Fett und Speisesalz, ob vegan oder nicht, sind ernährungsphysiologisch nicht günstig", warnt die DGE.

7. Veganer essen Ersatzprodukte aus Soja - und dessen Anbau zerstört den Regenwald!

Unter anderem in Brasilien wird der Regenwald zugunsten von Anbauflächen für Sojabohnen gerodet, das stimmt. Allerdings: Den weitaus größten Teil der Ernte braten nicht Veganer als Tofu, sondern verfüttern Landwirte an ihr Vieh. Die steigende Sojanachfrage verursachen also vor allem Fleischesser. Die Zusammenhänge sind hier genauer erklärt: „ Der Regenwald weicht der Sojabohne - und daran sind vor allem Fleischesser schuld".

8. Vegan zu essen ist teuer

„Das lässt sich nicht pauschalisieren. Vegane Grundnahrungsmittel wie Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst, Kerne und Samen sind verhältnismäßig günstig", sagt Niko Rittenau, Ernährungswissenschaftler mit Fokus auf pflanzliche Ernährung. Mit diesen Grundnahrungsmitteln könne man für wenige Euro am Tag vollwertige vegane Gerichte kreieren. „In unserem Kochbuch zeigen wir, dass man für unter 5 Euro pro Tag drei leckere vegane Hauptmahlzeiten zubereiten kann", erzählt Rittenau, der auch einer der Autoren von „Vegan Low-Budget" ist.

Außerdem weist er darauf hin, dass es veganen Milchersatz auf Basis von Soja, Hafer und Reis mittlerweile zu recht günstigen Preisen gebe. „Im Bereich der Fleisch- und Käsealternativen ist es jedoch korrekt, dass viele pflanzliche Alternativprodukte noch teurer sind als deren tierische Äquivalente", sagt der Ernährungswissenschaftler. Diese würden zum einen aus rein ernährungsphysiologischer Sicht aber kein Bestandteil der veganen Ernährung sein müssen. Zum anderen würden sie mit der wachsenden Popularität des Veganismus und dessen Einzug in die Mainstream-Einzelhandelsketten in den kommenden Jahren noch deutlich günstiger werden, prognostiziert Rittenau.

9. Veganer essen keine Tierprodukte, aber was ist denn mit Leder?

Darauf verzichten ebenfalls einige. „Viele Veganerinnen und Veganer verwenden keine von Tieren stammenden Gebrauchsgegenstände oder Materialien", informiert die DGE. Dazu zählen etwa Wolle, Fell oder Leder. Vegane Leder-Alternativen bestehen zum Beispiel aus Ananaspalmenblättern, Äpfeln oder Pilzen. Auch bei Wimperntusche, Duschgel oder Haarbürsten achten viele Veganer darauf, dass keine tierischen Bestandteile darin verarbeitet sind.

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