Kein Fleisch, kein Käse, kein Honig: Diese Produkte streichen Teilnehmer des Veganuary für einen Monat von ihrem Speiseplan. Die dahinterstehende, 2014 in Großbritannien gegründete Organisation wirbt auch in diesem Jahr wieder dafür, dass Menschen sich einen Monat lang ohne tierische Produkte ernähren. Wer sich auf der Webseite registriert, bekommt 31 Tage lang Mails mit Tipps zugeschickt, kostenfrei. Starten kann man jederzeit.
Der Veganuary, also der tierproduktfreie Januar, passt in den Zeitgeist. Jeder achte Deutsche plant, sich 2021 vegetarisch oder vegan zu ernähren. So lautet das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Ökostromanbieters Lichtblick. Gab es im Jahr 2016 noch 0,8 Millionen Veganerinnen und Veganer hierzulande, so sind es laut Statista mittlerweile schon 1,13 Millionen. Die Anzahl der Vegetarierinnen und Vegetarier beziffert das Statistikportal mit aktuell 6,5 Millionen.
Vegan ist nicht per se ungesundSeit dem vergangenen Jahr gibt es den Veganuary nicht mehr nur in Großbritannien. Auch in den USA, in Chile, Südafrika und Deutschland läuft die Kampagne. In diesem Jahr haben sich bereits mehr als 500.000 Menschen registriert, meldet die Organisation - so viele wie noch nie zuvor. Tier- und Umweltschutz sowie die eigene Gesundheit zu stärken seien die hauptsächlichen Aspekte, die Menschen zur Teilnahme bewegten.
Wie gesund vegane Ernährung ist, wird weltweit von Ernährungswissenschaftlern unterschiedlich eingeschätzt. „Natürlich, wenn ich vegan lebe, muss ich auf bestimmte Vitamine besonders achten", sagt Johann Christoph Klotter, Professor für Ernährungspsychologie an der Hochschule Fulda. Aber wenn das gegeben sei, schließe er sich den Experten an, die Veganismus nicht für gesundheitsschädlich halten. Ähnlich sieht das die Deutsche Gesellschaft für Ernährung: „Ob sich Vegetarier bzw. Veganer gesundheitsfördernd ernähren, hängt von deren Lebensmittelauswahl ab."
Nachhaltigkeit als WertWarum der Veganuary immer beliebter wird, versucht Ernährungspsychologe Klotter zu erklären. „Wenn man etwas verändern will, sind solche Ausnahmezustände attraktiv, weil sie überschaubar sind", sagt er. 31 Tage dauert das Veganuary-Programm - innerlich wisse man also schon, dass man danach zur Normalität zurückkehren könne. Hinzu komme, dass es einen ganz klaren Trend zu Vegetarismus und Veganismus gebe - und einen Wandel bei den Werten.
„Ich halte eine Vorlesung ‚Nachhaltige Ernährung'. Die heute 20- bis 25-Jährigen wissen viel mehr über den Klimawandel als die Studierenden vor zwei Jahrzehnten", erzählt der Professor. Und wer über das Thema Nachhaltigkeit nachdenke, schränke seinen Fleischkonsum zumindest deutlich ein. Denn Fleisch hat eine recht schlechte Klimabilanz.
Fleisch und die TreibhausgaseDer Ökologe Joseph Poore von der britischen Oxford-Universität hatte für den „Spiegel" berechnet, dass deutsche Veganer etwa zwei Tonnen Treibhausgase weniger als Fleischesser pro Jahr produzierten. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes zeigt, dass für das Herstellen eines Kilos Rindfleisches 30,5 Kilogramm Treibhausgase in die Luft gepustet werden, für ein Kilo Schweinefleisch 4,1 Kilo - aber für Fleischersatz auf Sojabasis nur 2,8 Kilo je Kilo Endprodukt. Wer sich außerdem mit dem Zusammenhang zwischen Sojamonokulturen in Brasilien und Viehfutter beschäftigt, lernt, dass vor allem Fleischesser mit ihrer Nachfrage das Abholzen von Regenwäldern fördern.
Sich ausgewogen vegetarisch oder vegan zu ernähren hat also viele persönliche und gesellschaftliche Vorteile. Doch der Veganuary richtet sich nicht nur an Privatpersonen. Auch Unternehmen zählen zur Zielgruppe der Organisation. Sie unterstützt Firmen laut eigener Aussage dabei, ihre rein pflanzlichen Produkte besser zu vermarkten. Diese Chance, den eigenen Umsatz zu steigern und sich öffentlichkeitswirksam als an Nachhaltigkeit interessiertes Unternehmen darzustellen, nutzen zum Beispiel Aldi Nord und Aldi Süd, Penny, Rossmann, DM, Lieferando, Ikea und Subway. Auf vielen der Webseiten der Unternehmen wird gut sichtbar platziert für den Veganuary und die damit verbundenen Produkte geworben. Das Wirtschaftsmagazin „Business Insider" vergleicht den Veganuary sogar mit dem angebotsstarken Monat rund um den Black Friday.
Wie sehr Fleischersatzprodukte boomen, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Im ersten Quartal des Jahres 2020 stieg die Produktion von vegetarischen Brotaufstrichen, Sojabratlingen oder Tofu um 37 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des vorigen Jahres. Klar, dass Unternehmen von dieser Nachfrage profitieren wollen. „Man wird im Januar 2021 fast an keinem Supermarkt, Discounter oder einer großen Restaurantkette vorbeikommen, ohne auch hier auf rein pflanzliche Alternativen und Angebote zum Veganuary zu stoßen", prognostiziert Veganuary-Geschäftsführerin Ria Rehberg.