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Hydrogel schützt Impfstoff vor Hitzeschäden

Mit der Coronavirus-Pandemie ist die Bedeutung von durchgehenden Kühlketten bei der Impfstoff-Versorgung besonders klar geworden. Eine Problematik, die über die aktuelle Pandemie hinausgeht. Ein Schweizer Team hat nun eine mögliche Lösung gefunden – ein Hydrogel, dass die Stoffe stabilisiert und vor Hitze schützt.


Kühlketten bilden eine große Hürde für die weltweite Verteilung von Impfstoffen. Grund sind hohe Transportkosten, die häufig die Herstellungskosten übersteigen, denn die meisten Vakzine reagieren sehr sensibel auf Temperaturschwankungen - insbesondere auf Hitze. Der Sars-Cov2 Impfstoff von AstraZeneca erfordert beispielsweise eine Lagerung bei plus zwei bis maximal plus acht Grad Celsius.


Proteine verklumpen

„Man muss sich das wie ein Ei vorstellen", erklärt Bruno Marco-Dufort von der ETH Zürich, „solange es im Kühlschrank ist, hat es eine zähflüssige Konsistenz. Wenn man es nun kocht oder brät, wird es für immer fest". Ähnlich ist es laut dem Schweizer Molekularbiologen bei Impfstoffen - werden sie zu warm, verklumpen die enthaltenen Proteine. Anders als Eier werden diese dadurch aber nicht haltbarer, sondern unbrauchbar.

Mit einem speziell entwickelten Hydrogel wollen Marco-Dufort und sein Team die temperaturabhängigen Transportwege umgehen, denn besonders bei medizinischen Stoffen, wie Arzneimitteln und Impfungen kann eine Unterbrechung der Kühlkette auch gesundheitliche Folgen haben. Die Ergebnisse der Forschung und Entwicklung sind soeben im Fachmagazin „Science Advances" erschienen.

Bisher bettete das Team diverse Stoffe und Proteinkomplexe in das Hydrogel ein. Neben sensiblen Enzymen, die vor allem in der Krebsforschung zum Einsatz kommen, gelang das Experiment bei viralen Vektoren, wie sie im SARS-Cov2 Impfstoff von AstraZeneca enthalten sind, und bei ganzen Virus-Partikeln.


Netzwerk umschließt Proteine

Basis für das neue Hydrogel sind biokompatible, synthetische Polymere. Diese bilden ein Netzwerk um die enthaltenen Proteinkomplexe und schränken ihre Bewegung ein. Dadurch können sie - selbst bei Temperaturen von bis zu 65 Grad - nicht verklumpen. Die Anwendung ist laut den Forscherinnen und Forschern besonders einfach und ermöglicht eine Verwendung der Inhaltsstoffe in wenigen Arbeitsschritten. Denn das Gel ist wasserlöslich und kann unter anderem mit Hilfe von Zucker die eingebetteten Moleküle wieder freigeben.

Für eine Zulassung des Hydrogels im Impfstoff-Bereich, sind aber noch weitere Studien nötig. Zunächst verabreichten die Biologinnen und Biologen die wieder gelösten Stoffe an Mäuse, um die Wirksamkeit zu überprüfen. Die bisherigen Erkenntnisse lassen bereits vermuten, dass sowohl Hydrogel als auch die wieder freigegebenen Stoffe für den Menschen unbedenklich sind. Klinische Studien sollen hier Klarheit schaffen.

Mithilfe des Hydrogels scheint eine vereinfachte Verteilung von Vakzinen und Arzneimitteln auf der ganzen Welt möglich. Besonders in ländlichen Gebieten Afrikas ist eine flächendeckende Verfügbarkeit eine große logistische Herausforderung, wie Hauptautor Bruno Marco-Dufort in einer Aussendung zur Untersuchung betont. Er selbst verbrachte seine Kindheit in der Demokratischen Republik Kongo und machte die Erfahrung, wie schwierig der Zugang zu Impfstoffen sein kann. Mit dem neu entwickelten Hydrogel, ist laut Angaben des Molekularbiologen eine praktikable Lösung in Reichweite.

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