Sara Brandstätter

Freie Journalistin, Vienna (AT)

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Artikel

Medienpolitik - Pressefreiheit auf dem Prüfstand

© unsplash / Bank Phrom

Die Entwicklungen sind europaweit bedenklich. Die EU will gegensteuern.


Wer an die negativen Entwicklungen der Pressefreiheit in der Europäischen Union denkt, dem kommen schnell Länder wie Ungarn oder Polen in den Sinn. Doch neben diesen Ländern mit totalitären politischen Entwicklungen, ist auch Österreich im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen auf einem der letzten Plätze innerhalb der EU. Genauer: Für das Jahr 2022 rutschte Österreich vom 17. auf den 31. Platz ab, und liegt damit weit hinter den skandinavischen Ländern oder auch Deutschland.

Die Ereignisse der vergangenen Wochen rund um die Veröffentlichung der Schmidt-Chats geben erneut einen Eindruck davon, was in Österreichs Medienorganisationen falsch läuft. Dieses Beispiel zeigt unter anderem, warum Österreich 14 Plätze im Pressefreiheits-Ranking verloren hat, das in fünf Teilbereichen gemessen wird. Besonders im Teilbereich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen laufe es besonders schlecht in Österreich, sagt Fritz Hausjell, Medienhistoriker und Präsident von Reporter ohne Grenzen-Österreich.


Er spricht aber von einem Bündel an Gründen, die sich negativ auf Österreichs Pressefreiheit und -vielfalt auswirken: "Dazu gehört, dass es einen enormen Strukturwandel in der Finanzierung von journalistischen Medien durch soziale Medien und den damit abgezogenen Werbungen in den Printauflagen gibt. Daher wurden in den letzten Jahren Redaktionen verkleinert und ein Viertel der journalistischen Arbeitsplätze ist verloren gegangen." Die Regierung habe darauf erst diesen Herbst reagiert, somit sei das in das 2022 Ranking noch nicht eingeflossen und habe sich negativ ausgewirkt.

Während Österreichs Politik sich eher zögerlich mit politischen Maßnahmen dazu befasst, wird nun auf Ebene der EU ein Gesetzesentwurf zur Verbesserung und Schutzes des Medienpluralismus und der Medienunabhängigkeit diskutiert – der European Media Freedom Act (Europäisches Medienfreiheitsgesetz).


Verstrickung von Politik und Medien

Auch der Österreichische Presserat sieht die Entwicklungen kritisch: Ein besonders großes Problem seien die Verstrickungen zwischen Politik und Medien. Dazu äußert sich der Geschäftsführer Alexander Warzilek ganz klar, mit einem Verweis auf die kürzlich bekanntgewordenen Chats von ORF-TV-Chefredakteur Matthias Schrom und "Die Presse" Chefredakteur Rainer Nowak. "Das Naheverhältnis von Führungskräften in Medien und politischen Akteuren ist zu ausgeprägt, es ist absolut nicht in Ordnung, wenn eigene Vorteile aufgrund von Machtpositionen versucht werden auszuschlagen," so Warzilek.

Von Seiten der Europäischen Union werden die negativen Tendenzen in Bezug auf die Pressefreiheit und die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten ebenso kritisch gesehen. Daher gibt es viele Initiativen, um das zu ändern. Darunter sind beispielsweise einzelne, kleinere Initiativen wie der Daphne Caruana Galizia-Journalismuspreis für investigative Recherchen.


Bei der Verleihung dieses Preises im Oktober sprach sich die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola für die Sicherheit von Medienschaffenden aus: "Das Europäische Parlament steht auf der Seite der Wahrheit und der Gerechtigkeit und des unabhängigen Journalismus. Eine starke Demokratie braucht eine starke Presse. Und es gibt keine Demokratie ohne Pressefreiheit." Daher sehe sich die EU auch in der Verantwortung, das zu verbessern.


European Media Freedom Act als Lösungsansatz

Eines der größten Projekte der vergangenen Jahre, um die Pressefreiheit und die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten zu verbessern sowie Medienpluralismus zu fördern ist der European Media Freedom Act. Darin sollen viele einzelne Regulierungen in ein Gesetz zusammengefasst werden. Dieser Vorschlag der Kommission liegt nun zur Verhandlung bei den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament und wird wohl frühestens in einem Jahr wirklich beschlossen werden.


Trotzdem lohnt sich ein Blick auf den Entwurf bereits jetzt: "Es ist ein sehr wesentlicher Vorschlag, weil er einen Finger in die Wunde vieler Mitgliedsstaaten legt und zumindest große symbolische Wichtigkeit hat, hier von Seiten der EU etwas zu machen", erklärt der renommierte Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer.

Im Media Freedom Act seien einerseits viele verbindliche Vorschriften gesammelt, die eher in Richtung "Soft-Law" gehen würden. "Diese Bestimmungen führen nicht zu sofortigen, gravierenden Änderungen, aber man setzt hier auf Peer-Pressure. Denn als Land möchte man nicht von anderen Kollegen als schlechter dastehendes Land bezeichnet werden, wenn die Diskussion auf Unionsebene geführt wird", so der Rechtsexperte Lehofer. Hier gehe es darum, europaweite Standards zu schaffen.


Im Falle Österreichs seien besonders die Regeln rund um die Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen Mediendienste relevant. "Hier ist vorgesehen, dass Vorsitz und Mitglieder des Verwaltungsrates in transparenten, offenen und nicht-diskriminierenden Verfahren zu bestellen sind, die vorab festgelegt sind", so Lehofer, "und das ist derzeit in Österreich nicht gegeben, wenn man die Bestellung des ORF-Stiftungsrates ansieht". Das sei auch ein Thema, das derzeit auch beim österreichischen Verfassungsgerichtshof liegt. Zusätzlich sei es gut, die Kontrolle in Unabhängigkeitsfragen auf eine weitere Ebene zu heben und mit der EU eine zusätzliche Kontrollinstanz zu haben.

Diskussion um Kompetenzverteilung

Was in den kommenden Monaten noch zu viel Diskussion führen werde, sei aber vor allem die Frage, ob die Kompetenz in Medienfragen überhaupt auf der EU-Ebene liegen solle. Es gäbe viele Mitgliedsstaaten, die aus grundsätzlichen Erwägungen auf Unionsebene keine Vorschriften zur Medienregulierung haben wollen, dabei gehe es besonders um die Inhaltsebene. Argumentiert werde hier, dass diese innerredaktionellen Entscheidungen nicht zwingend binnenrelevant seien, so Lehofer. "Hier argumentieren Kritiker, dass der Vorschlag zu sehr in nationale Rechtssetzung hineingeht."


Fritz Hausjell dazu: "Aus Sicht von Reporter ohne Grenzen sind wir froh, dass die EU in diesem Bereich ihre Verantwortung wahrnimmt. Es ist wichtig, dass sehr sorgsam aber auch mit nötigem Nachdruck demokratische Standards in diesem Bereich verbessert werden."

Derzeit ist noch nicht klar, wie viel von dem aktuellen Vorschlag der Kommission letzten Endes wirklich umgesetzt werden wird. Ob und worauf sich die EU-Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament einigen können, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Und ob der European Media Freedom Act echte Verbesserungen bringen wird, ebenso. "Positiv ist aber, dass es in Richtung Transparenz geht", fasst Lehofer zusammen.


Neben dem Media Freedom Act fordern Presserat und Reporter ohne Grenzen jedenfalls auch weitere Änderungen. Hausjell verweist darauf, "das Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen und die Medienförderung auf ein passendes Niveau für einen Kleinstaat zu bringen". Ein Fokus solle auch auf den Gesetzesvorschlag rund um die Regierungsinserate gelegt werden, den der Medienhistoriker derzeit als halbherzig bezeichnet.

Warzilek sieht hier auch die Branche selbst in der Verantwortung: "Ich hoffe, dass das die Medienbrache selbst und wir als Gesellschaft diesen Entwicklungen gegensteuern." Denn auch als Konsumenten habe man durch Wahlverhalten, Petitionen oder Medienabonnements die Möglichkeit, in einem gewissen Ausmaß mitzuentscheiden.

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