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Alexander Gerst | Wie sich der deutsche Astronaut auf seine ISS-Mission vorbereitet

Astronaut Alexander Gerst: „Alkohol ist da oben nicht drin.“ (Foto: Getty Images)

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst bereitet sich gerade auf seine nächste Mission vor. Wir trafen ihn bei einem Zwischenstopp in Düsseldorf. Endlich wissen wir, wie er zu seinem Job kam, wie lange sein Arbeitstag dauert – und warum er im All keine Chips isst.

Alexander Gerst ist einer von denen, die schon als kleiner Junge in die Freundebücher geschrieben haben, dass sie mal Astronaut werden wollen. Was ihn aber von den allermeisten unterscheidet? Sein Kindheitstraum hat sich erfüllt: „Manchmal habe ich auch reingeschrieben, dass ich Feuerwehrmann werden möchte. Das wurde ich dann auch. Bei der Freiwilligen Feuerwehr. Und Lokführer habe ich auch manchmal angegeben, aber dazu hat es nicht gereicht“, sagt er in einer Bescheidenheit, die den Saal mit Gelächter erfüllt.


Alexander Gerst ist der erste Social-Media-Astronaut

Gerst, den man von Bildern üblicherweise in seinem Raumanzug kennt, fällt an diesem Abend zwischen all den Anzugträgern kaum auf. Als Kölner hat er sich nach Düsseldorf getraut, zum Ständehaustreff, wo sich die Elite der Stadt wieder versammelt hat. Um Alexander Gerst zu sehen und natürlich auch, um von anderen gesehen zu werden.


Er war erst kürzlich in Houston, Moskau, Tokyo – da kann man Düsseldorf mal zwischenpacken. Als er den Saal betritt, wirkt er etwas überrascht, dass so viele Leute wegen ihm hierhergekommen sind. Er wurde bekannt als der erste Social-Media-Astronaut, als er auf seinem Besuch der internationalen Raumstation ISS im Jahr 2014 regelmäßig beeindruckende Bilder auf Twitter verbreitet hat. Im April 2018 lässt er sich wieder ins Weltall schießen – diesmal als der erste deutsche Kommandant auf der Raumstation.

Dafür wird er bestens vorbereitet: „Bei jedem Trainingsflug im Simulator gehen mindestens 15 Sachen kaputt. Die Trainer spielen uns Fehlfunktionen auf die gemeinste Art und Weise ein. Da geht dann erst der Computer kaputt und dann bleibt der Sauerstoff weg und dann, wenn du denkst, jetzt hab ich’s, dann bricht auch noch ein Feuer aus. Aber bisher habe ich alles überlebt“.


Schon als Kind war er ein Tüftler, „aber zum Leidwesen meiner Eltern, weil ich ständig irgendwelche Sachen auseinander gebaut habe, wenn ich verstehen wollte, wie sie funktionieren“, sagt er. Doch seine Eltern hätten ihm seine Neugier nicht ausgetrieben, sie haben ihn machen lassen. Er studierte Geophysik, wanderte an den Rändern aktiver Vulkane – und verkaufte seinen Eltern anschließend, ins Weltall zu fliegen wäre weniger gefährlich: „Vielleicht wäre es ihnen lieber gewesen, dass ich den Familienbetrieb übernehme. Aber ich bin ihnen dankbar, dass sie mich nie eingeschränkt haben. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich in ihrer Situation so entspannt gewesen wäre“.

Dafür ist bei seinem Job umso mehr Entspannung gefragt, denn als Astronaut muss er auf seiner Mission immer einen Plan B haben. 400 Kilometer über der Erde kann man nicht einfach mal eben die Feuerwehr anrufen, wenn’s mal brennt.


Die Menschheit hingegen habe jedoch keinen Planet B, wenn wir so weitermachen, wie wir es tun. Mit einem Bild hat er 2014 für großes Aufsehen gesorgt: „Ich habe auf die Erde geblickt und plötzlich so Lichtpunkte fliegen gesehen, ich wusste erst gar nicht, was los war. Als wir gemerkt haben, was wir da sehen, sind wir traurig geworden“.

Die Lichtpunkte waren Bomben und Raketen. Die Crew musste erstmal nachschauen, auf welche Länder sie dort hinunterblicken: es waren Israel und der Gaza-Streifen. „Dann ist uns der Gedanke gekommen, wenn es tatsächliche Außerirdische geben würde und die beobachten uns, dann ist es das, was sie sehen. Wie wir uns gegenseitig bekriegen, die sehen wie der Amazonas gerodet wird. Die werden sehen, wie wir die Meere überfischen und verpesten. Zu was zu einem Urteil würden die kommen, wenn es das ist, was sie sehen? Würden die uns als intelligentes Leben einstufen?“ Die Frage bleibt unbeantwortet und löst in den Gesichtern vieler Gäste ratlose Blicke und Schulterzucken aus.


Ein Arbeitstag im Weltraum dauert zwölf Stunden

Traurige Momente wie diese, so hört man es aus seinen Antworten, scheint es dort oben aber seltener zu geben. Auch im Weltraum gibt es normale Arbeitstage, die meisten davon haben zwölf Stunden. Wenn er über seine Arbeit auf der ISS spricht, dann tut er es so, als wäre es das normalste der Welt – oder eben das normalste des Universums:

„Meine Kollegen sehe ich gar nicht so oft, wir arbeiten meist in unterschiedlichen Modulen. Es gibt aber so etwas wie eine Kaffeeküche auf der ISS, das ist der so genannten Knoten 1, da schwebt man sich manchmal über den Weg oder trifft sich mal auf einen Beutel Kaffee“.

Das Essen sei gar nicht mal so schlecht, aber oft hätte er Heißhunger auf Pizza, Burger und Salat – „irgendwas Frisches“, wie er es nennt, gehabt. In ihrer Freizeit spielen Astronauten übrigens so Sachen wie „Wer als längstes durch die Module schweben kann, ohne die Wand zu berühren“. Dabei gewinnt aber meist der, der schon am längsten auf der ISS stationiert ist. Viel Zeit für solche Faxen bleibt aber nicht. Bei seinem letzten ISS-Besuch hat Gerst knapp 100 Versuche durchgeführt, die unser Leben auf der Erde direkt betreffen.


Forschung auf der ISS hilft bei der Entwicklung von Medikamenten

Mit Erkenntnissen aus der ISS-Forschung konnten in der Vergangenheit zum Beispiel schon Medikamente entwickelt werden. Auch bei seiner kommenden Mission mit dem Namen „Horizons“ wird er wieder Versuche durchführen, worüber er aber an diesem Abend nicht viel erzählt. Die Bilanz des Ständehaustreffs mit Alexander Gerst: der längste Talk, den es dort jemals gegeben hat. Und Applaus, den in der Länge noch nicht viele dort bekommen haben. Zum Schluss weist Interviewer Michael Bröcker den Astronauten noch auf die Fußball WM 2018 hin.

Zu der Zeit wird er, genau wie 2014, wieder im All sein. „Trifft man sich denn da auch bei Bier und Chips zum Fußball gucken?“, fragt er. Gerst antwortet: „Alkohol ist da oben nicht drin. Und mit Chips, die bröseln so… Und dann fliegen die Brösel in die Augen und das brennt. Vor allem bei Paprikachips“.

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