Biokompost, Kräuter, Salat und Tomaten: Auf
den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normales Hochbeet. Den
Unterschied beim „Smartbeet“ macht die technische Ausstattung aus. Die
Pflanzen werden mittels eines Tanks bewässert, den ein Computer steuert.
Das Beet sendet Informationen über Wassertank und Luftfeuchtigkeit an
die Cloud. Die BesitzerInnen werden per App oder SMS benachrichtigt:
„Bitte den Tank auffüllen.“
Das Smartbeet ist eine Erfindung des Wieners Manfred Czujan. „Mein
Geschäftspartner und ich wohnen beide im Zentrum von Wien und haben uns
mehr Grün gewünscht. Die Bewirtschaftung soll autark und ökologisch
sein.“ Ab April geht das Smartbeet in Produktion. 27 Beete werden im
Auftrag eines Unternehmens aufgestellt.
Smarte Unterstützung
Das Smartbeet ist Teil des „Internets der Dinge“, kurz IoT (Internet of
Things). Das Online-Brockhaus-Lexikon definiert dieses folgendermaßen:
„Im Internet der Dinge werden Objekte intelligent und können über das
Internet untereinander Informationen austauschen. Ziel ist es, die
virtuelle mit der realen Welt zu vereinen.“
Eine Haarbürste, die via WLAN die Haarstruktur analysiert. Ein
Regenschirm, der sich per SMS meldet, falls er vergessen wird, oder ein
Mistkübel, der sich auf Sprachbefehl öffnet: Innovationen wie diese
wurden im Jänner auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas präsentiert.
Smarte Geräte erfassen individuelle Bedürfnisse. „Ein entscheidender
Nachteil ist, dass alles nur möglich ist, indem sehr viel mehr
Informationen zum Alltagsverhalten verarbeitet werden“, betont Martin
Schallbruch, stellvertretender Direktor des Digital Society Institute
der ESMT Berlin. Viele Funktionen können nur verwendet werden, wenn
Datenzugriff erlaubt wird.
Cyberkriminalität 2.0
Gerade was den Schutz persönlicher Daten betrifft, hat das IoT
Aufholbedarf. Schallbruch kritisiert, dass viele Produkte ohne
ausreichende Sicherheitsstandards herauskommen. „Sie reifen, wie Tomaten
am Markt, beim Benutzer nach.“ Die Cyberkriminalität umfasst den
Diebstahl von Passwörtern und Kreditkartendaten, die Übernahme von
Sicherheitssystemen bis zu Erpressung. Computerdaten werden
verschlüsselt und Lösegeldforderungen gestellt. „Die Daten kriegt man
aber nicht wieder“, beobachtet Schallbruch. „Schützen kann sich nur, wer
regelmäßig Back-ups erstellt.“ Beim Kauf rät er, nach Update-Funktionen
und Firewall zu fragen und ob sich das Standardpasswort verändern
lässt. Aufgrund des immer höheren Komplexitätsgrades liegt die
Verantwortung für die Sicherheit laut Schallbruch bei Herstellern,
Internetanbietern und dem Staat, der gesetzliche Rahmenbedingungen
schaffen müsse.
Silicon Valley in Oberösterreich
Kollerschlag im Bezirk Rohrbach: Jalousien richten sich nach dem Gang
der Sonne und regeln so die Raumtemperatur, das Smart Home warnt vor
Gefahren, bestimmt Lichtstimmung und Musik. Es werden nur Räume beheizt,
die gerade genutzt werden. Klingelt es an der Tür, wird das am
Smartphone angezeigt. Das Mühlviertler Unternehmen Loxone entwickelt
seit 2009 Smart Homes, die NutzerInnen alltägliche Handgriffe abnehmen.
Die Geräte steuert ein zentraler Miniserver im Haus, der über ein eigens
entwickeltes Betriebssystem samt Firewall funktioniert. „Unsere Kunden
entscheiden selbst, ob sie das Haus mit dem Internet verbinden wollen.
Sie sind dann mittels Firewall und Passwort gesichert“, betont
Loxone-Geschäftsführer Martin Öller. Wer das nicht will, kann „offline“
bleiben, dafür aber nicht von außen zugreifen.
Vom Mühlviertel nach Wien-Brigittenau: Smart-Home-Anwendungen wie Zugangs- und Heizungskontrolle erhöhen nicht nur den persönlichen Komfort, sondern unterstützen auch motorisch behinderte Menschen. Christoph Veigl ist stellvertretender Leiter der Abteilung Smart Homes und Assistive Technologies an der FH Technikum. „Das umfasst vernetzte Dinge, die mittels Augensteuerung oder Messung von Gestik und Mimik bedient werden“, so Veigl. Es geht um größtmögliche Flexibilität. Er sieht den Datenschutz im IoT als zentral an – und dass möglichst früh ein Bewusstsein dafür geschaffen wird. Amazon, Google, Microsoft und Co setzen auf digitale Haushaltsassistenten, die nicht nur mittels Sprachbefehl Geräte steuern, sondern auch NutzerInnenfragen beantworten oder ein Taxi rufen. Die Puppe „Cayla“ etwa beantwortet Fragen und erzählt Geschichten. Bedient wird sie via App und Bluetooth. Ein Passwort ist nicht notwendig, kritisiert der Verein für Konsumenteninformation (VKI). Gespräche könnten belauscht und die Puppe gar umprogrammiert werden. Die Daten werden zu Marketingzwecken verwendet. „Es fehlt die ausdrückliche Zustimmung der Eltern. Diese Aufzeichnungen verletzen die Intimsphäre“, betont Johann Maier, Vorsitzender des Datenschutzrates.
Er nennt ein weiteres Beispiel aus dem Jahr
2015. So stand in einer Lizenzvereinbarung von Samsung-Fernsehern:
„Bitte seien Sie sich bewusst, dass Ihre gesprochenen Worte
aufgezeichnet und an Drittanbieter übertragen werden.“ Was diese damit
machen, liege nicht in der Verantwortung des Konzerns. Der Experte geht
davon aus, dass viele Geräte nicht nur über Sprachaktivierung, sondern
auch über Webcams verfügen, was weitere datenschutzrechtliche Baustellen
schafft. Es stellt sich also die Frage, wem die ermittelten Daten
gehören, wie sie verwendet werden dürfen und ob sie gar als Beweismittel
vor Gericht eingesetzt werden können. Ein weiterer Kritikpunkt am
Internet der Dinge ist für Maier, dass Unternehmen KundInnen aufgrund
der gesammelten Daten unterschiedlich „gut“ behandeln könnten. Ein
Beispiel wäre etwa eine Prämienreduktion bei besserer Fitness.
Zukunft von IoT
IoT wird in Zukunft auch Anwendung bei Autos und Textilien finden. So
arbeiten Google und Levi’s aktuell am Project Jacquard. Die smarte Jacke
interagiert mit dem Smartphone und gibt so etwa Standortdaten durch.
RadfahrerInnen können das Smartphone in
der Tasche lassen. Mit der Jacke sollen sich aber auch Musik und
Lautstärke regeln lassen. Sport-BHs, die die Herzfrequenz messen,
Mikrofone am Hemdkragen oder Jacken mit Heizelementen: Smart Textiles
gelten als das „nächste große Ding“. Wie sich auf der Elektronikmesse CES im Jänner aber auch zeigte, liegt
der Fokus vieler Hersteller auf dem autonomen Fahren. Der
Elektronikkonzern Bosch war mit einem Showcar vor Ort. Die Vision:
Bereits ab 2020 können AutofahrerInnen nebenbei anderen Beschäftigungen
nachgehen, etwa Videos ansehen. Ab 2025 soll sich das Auto in eine „Oase
der Ruhe“ oder ein „rollendes Esszimmer“ verwandeln können. Die
Fahrzeuge sind mit dem Smart Home verbunden. Für Martin Schallbruch
bleibt beim autonomen Fahren ein Sicherheitsrisiko. „Eine
Horrorvorstellung ist, dass solche Autos von Hackern gekapert werden
können.“ Das sei durchaus realistisch, so sei es bereits bei Tests
gelungen, das Fahrzeug mittels Entertainment-System fremdzusteuern. „Die
höchstmögliche Sicherheit muss vor Zulassung Grundvoraussetzung sein“,
fordert Schallbruch.
Die VerbraucherInnen selbst sind nicht nur in Fällen wie diesem auf das
Bewusstsein der Hersteller angewiesen. ExpertInnen fordern, dass es etwa
eine Mindesthaltbarkeitsdauer bei Geräten gibt, in der verpflichtend
Sicherheits-Updates angeboten werden. Andere wünschen sich im IoT ein
Sicherheitsgütesiegel. Sicher ist, dass die smarten Geräte günstiger
werden und in viele Haushalte einziehen. KonsumentInnenschützer Johann
Maier betont, dass das Bewusstsein der VerbraucherInnen in Bezug auf
Datenschutz und Sicherheit erhöht werden müsse. Wer Sicherheit wünscht,
meint er, werde finanziell darin investieren müssen.
Der Erfinder des Smartbeets, Manfred Czujan, tüftelt bereits an der nächsten Entwicklung in der Welt der vernetzten Dinge: Er hat einen smarten Gartentisch entwickelt. „In der Mitte des Holztisches befindet sich ein Beet, aus dem die Gäste angebaute Kräuter zum Essen pflücken können.“ Der Tisch wurde mithilfe geflüchteter Menschen gebaut. „Smart“ machen den Tisch auch Steckdosen für Laptops mittels Solarstrom und ein autonomer Wassertank.
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