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Tierschutz und Sicherheit: Gibt es den Reptilienführerschein bald in ganz Österreich?

Vor wenigen Tagen wurde im niederösterreichischen Hollabrunn ein ausgebüxtes Känguru wieder eingefangen. Nur ein paar Tage, nachdem man in Deutschland gedacht hatte, eine Löwin gesehen zu haben, die in Wirklichkeit keine war. Die Wahrscheinlichkeit, in Österreich auf eine Löwin in der freien Natur zu treffen, ist gering, denn die Haltung von Großkatzen ist in Österreich verboten - im Unterschied zu Deutschland.

Anders ist das bei Reptilien, Amphibien oder Papageien, weshalb in Wien Anfang des Jahres ein Reptilienführerschein eingeführt wurde. "Die Exoten-Kunde soll das stille Leid der sensiblen Tiere verhindern", begründet Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky das Projekt. Der Sachkundenachweis für Halter exotischer Tiere muss absolviert werden, ehe man ein Tier erwirbt und diese dann behördlich meldet.

Kurse und unklare Dunkelziffer

Dabei handelt es sich um einen vierstündigen Kurs, bei dem die künftigen Besitzer über die Bedürfnisse und Haltungsanforderungen der Wildtiere informiert werden. Der Kurs kostet 40 Euro und wurde laut Tierschutzombudsstelle, die die Kurse entwickelt hat, bereits von mehreren Hundert Teilnehmern genutzt. "Uns freut, dass auch Teilnehmer dabei waren, die schon exotische Tiere halten und den Kurs somit gar nicht absolvieren müssten", sagt die Wiener Tierschutzombudsfrau Eva-Maria Persy. Referenten sind Tierärzte und Biologen. Eine Prüfung oder Ähnliches gibt es nicht.

Aus Persys Sicht sollte der Exotenkurs in erster Linie eine präventive Funktion besitzen, also als Entscheidungsgrundlage dienen, ob man sich wirklich so ein Tier ins Haus holen will. Wien ist bundesweiter Vorreiter in dieser Frage. In anderen Bundesländern wird kein Sachkundenachweis verlangt. Insgesamt 2637 Wildtiere wurden dem Veterinäramt der Stadt Wien bis Ende 2022 offiziell gemeldet. Wie hoch die Dunkelziffer ist, darüber gibt es keine verlässlichen Schätzungen. Global wird geschätzt, dass 90 Prozent aller gehandelten Reptilienarten der freien Wildbahn - vorwiegend illegal - entnommen werden, so Denise Ocampo, Wildtierexpertin bei Vier Pfoten.

Hohe Kosten bei Wildtierhaltung

Im städtischen Veterinäramt registriert man einen Anstieg der Wildtierhaltungen. "Vor allem seit Einführung des Sachkundenachweises nehmen die Meldungen zu", so die Leiterin Ruth Jilly. Den Sachkundenachweis aus Wien begrüßt sie ausdrücklich. Das Veterinäramt kümmert sich auch um das Wohlergehen der Tiere. Überprüfungen gibt es vor allem bei Auffälligkeiten durch die Meldung, wenn es sich um ein besonders sensibles Tier handelt oder wenn sich besorgte Bürger an die Behörde wenden.

Die Haltung exotischer Wildtiere sorgt aber auch für Überforderung, etwa durch steigende Energiekosten. "Viele dieser exotischen Tiere brauchen eine zusätzliche Licht- oder Wärmequelle", so Persy. Auch die Kosten für Tierärzte werden oft unterschätzt, da man sich an einen Spezialisten wenden muss, wenn das Tier krank ist. Häufig herrschen völlige falsche Vorstellungen vor, wie man mit den Tieren umgehen soll. "Reptilien wollen vor allem ihre Ruhe haben", erklärt Persy.

Wiens Stadtrat Czernohorszky fordert die Bundesregierung auf, dem Wiener Beispiel zu folgen. Laut Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne) befinde sich ein österreichweiter Reptilienführerschein im Zuge der Novelle des Tierschutzgesetzes, die für September 2024 geplant ist, in Erarbeitung. Details seien noch offen.

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