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Debatte um Bildungskarenz: Viel Karenz mit oft wenig Bildung

"Ich hasste alles, was ich tue", sagt Maria A., wenn sie an ihren alten Job denkt. Eine Kollegin empfahl ihr damals, in Bildungskarenz zu gehen. Heute arbeitet sie in einem neuen Unternehmen. "Diese 'Auszeit' war für mich sehr wichtig", sagt sie. Die Rahmenbedingungen für diese "Auszeit" werden derzeit heiß diskutiert. Denn Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) will ab Herbst eine "breite öffentliche Debatte" über die Bildungskarenz führen.

Die Kosten, die durch Mittel aus der Arbeitslosenversicherung finanziert werden, beliefen sich 2021 auf fast 300 Millionen Euro, knapp 14.000 Personen nahmen Bildungskarenz in Anspruch. 2022 tat das auch Maria. Mitten im Masterstudium hatte sie das Angebot für eine Vollzeitstelle bekommen, das sie annahm. Von Montag bis Donnerstag arbeitete sie 40 Stunden, Freitage und Samstage waren fürs Studium reserviert. Doch dann kam die Quittung: "Ich war kurz vor einem Burn-out", sagt Maria. Mit 25 Jahren wollte sie nicht mehr aufstehen, das Leben machte keinen Spaß mehr, sie war kurz davor, zu kündigen. Dank Bildungskarenz konnte sie sich ein Jahr auf ihr Studium konzentrieren und bekam 55 Prozent ihres vorangegangenen Nettoeinkommens.

Nur Kurse mit "Hobbycharakter" sind ausgeschlossen

Viele Menschen sehnen sich nach einer solchen Pause. Dass die Bildungskarenz dafür genutzt wird, sorgt aber für Kritik - auch beim Rechnungshof. Das Modell wurde 1998 eingeführt, mit der Absicht, dass Beschäftigte durch die zusätzliche Ausbildungsmöglichkeit ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern. Maria hat das mit ihrem Masterstudium getan. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen sei das aber nicht immer gewährleistet, bemängeln die Prüfer. Die Arbeitnehmer haben große Freiheiten, was die Auswahl ihrer Weiterbildung betrifft, zwischen den gewählten Kursen und dem aktuellen Job muss nicht unbedingt ein Zusammenhang bestehen. Nur Kurse mit klarem "Hobbycharakter" seien ausgeschlossen. Sprachkurse inklusive entsprechender Reise zählen aber.

Während Bezieher von Bildungskarenz Weiterbildungsgeld bekommen, müssen sie 20 Stunden pro Woche ihrer Ausbildung widmen, bei Betreuungspflichten von kleinen Kindern sind es 16. Der Großteil davon kann aber auch als Lernzeit im Selbststudium verbucht werden. Wer während seiner Bildungskarenz studiert, muss acht ECTS-Punkte pro Semester nachweisen, bei sonstigen Kursen werde kein Nachweis über einen Lernerfolg verlangt, kritisiert der Rechnungshof. Als Maria vergaß, ihren Studienerfolgsnachweis abzugeben, wurde ihr ein Monat lang kein Geld überwiesen, sie war nicht versichert und musste einen neuen Antrag stellen.

Bildungskarenz als Verlängerung der Babypause beliebt

Ein weiterer Punkt, den die Prüfer kritisieren: die Bildungskarenz als Verlängerung der Babypause. Mehr als die Hälfte der Frauen, die im Jahr 2021 in Bildungskarenz gingen, schloss diese direkt an die Elternkarenz an. Das ist nicht verboten - allerdings haben sich laut Bericht Kursanbieter mittlerweile auf die Verlängerung der Babypause über diesen Umweg spezialisiert. Das Trainings- und Bildungszentrum Rossi bietet etwa speziell "für Mamis", deren Kinderbetreuungsgeld innerhalb der nächsten Monate endet, an, die Babypause zu verlängern. "Ich lerne Office Management und kann so noch ein Jahr bei meinem Sohn zu Hause sein. Noch dazu finde ich es super, mich weiterzubilden und dabei Geld zu verdienen", schreibt eine Teilnehmerin.

Um vom AMS (Arbeitsmarktservice) anerkannt zu werden, müssen Kurse entsprechend fachliche Inhalte aufweisen. Unter momentanen Bedingungen müsse das AMS solche Kurse auch genehmigen, so der Rechnungshof. Für Arbeitnehmerinnen ist diese Variante attraktiv: Wer ein einjähriges Karenzmodell wählt und dann für ein weiteres Jahr Weiterbildungsgeld bezieht, steigt finanziell meist besser aus als mit einer zweijährigen Elternkarenz. Allerdings hatten drei von zehn Frauen im Jahr nach der Bildungskarenz keinen Job mehr, warnen die Prüfer. Wo eine Reform ansetzen soll, hat Kocher bisher offengelassen. Aber auch das AMS teilt die Einschätzung, dass es einer Weiterentwicklung bedarf, um das Ziel der höheren Chancen am Arbeitsmarkt zu erreichen. Für Maria hat sich die Bildungskarenz trotz Kritik gelohnt. "Heute geht es mir besser", erzählt sie. Durch die frei werdende Zeit konnte sie sich Gedanken machen, was sie eigentlich will. Den Master hat sie abgeschlossen und einen Job in der gleichen Branche gefunden.

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