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Gesundheit und Klima: Die Arbeiterkammer hält nichts von einer Siesta

Die Hitze macht in Österreich eine kurze Pause, an einer Rechtsordnung, die sämtliche Folgen des Klimawandels abbildet, führt aber kein Weg vorbei, heißt es von der Arbeiterkammer (AK).

Durch die Zunahme von Extremwettereignissen häufen sich die Anfragen bei der Arbeiterkammer. Die häufigsten arbeitsrechtlichen Fragen zu Hitze, Unwetter oder Blackout wurden nun von der AK in einer neuen Broschüre beantwortet.

2022 starben 15.000 Menschen in Europa an Hitze

Der Klimawandel ist gekommen, um zu bleiben und an diese Entwicklung müsse auch das Arbeitsrecht angepasst werden, sagt Arbeiterkammer-Direktorin Silvia Hruška-Frank. Denn das derzeit geltende Arbeitsrecht stamme aus einem anderen Klima.

Die aktuelle Arbeitsstättenverordnung stamme beispielsweise aus den 1990er-Jahren. Darin ist die Rede von Mindesttemperaturen, die eingehalten werden müssen. Maximaltemperaturen bei hoher körperlicher Belastung seien aber nicht geregelt, laut Arbeiterkammer.

Heutzutage sind tropische Temperaturen auf der Baustelle, 40 Grad Celsius in Kran-Kabinen oder Schwitzen im Büro aber immer häufiger und oft auch lebensbedrohlich. 2022 gab es in Europa 15.000 Hitzetote, mehrere hundert davon in Österreich.

"Das ist nur die Basis, besser wird es nicht"

"Das Klima ändert sich inzwischen schneller als das österreichische Arbeitnehmerschutzrecht", so Hruška-Frank. Meteorologe Andreas Jäger bestätigt das: "Ohne Klimawandel wären Extremwetterereignisse, wie wir sie jetzt sehen, nicht möglich gewesen. Das ist aber nur die Basis, besser wird es nicht", erklärt Jäger.

Seit den 1980ern hat sich die Anzahl der Tropentage - das sind Tage mit über 30 Grad Lufttemperatur - in den Landeshauptstädten verdoppelt bis verdreifacht. Aber nicht nur die Hitze sei arbeitsrechtlich relevant. Die hohen Temperaturen verschärfen auch extremes Wetter: Stürme, Überschwemmungen und Trockenzeiten werden häufiger.

Die AK-Direktorin erinnere sich noch genau an einen Fall, bei dem sie selbst beraten hat: Ein Kranfahrer aus Wien habe sich bei ihr gemeldet, weil es eine Sturmwarnung gab und er wissen wollte, was er machen kann. "Wir haben gesagt, runter vom Kran", schildert Hruška-Frank. Er hat sich aber nicht getraut, den Kran zu verlassen, weil sein Chef mit der Kündigung drohte. Der Kran ist dann aber umgestürzt und der Mann gestorben.

Kocher ist gefordert

Laut AK und Jäger stehe fest: Die Arbeitsproduktivität leidet und Fehler oder Unfälle häufen sich, je heißer es wird. Bei über 30 Grad Celsius steigt das Risiko von Arbeitsunfällen um fünf bis sieben Prozent. Die Arbeiterkammer fordert deshalb von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) ein klimafittes Arbeitsrecht.

Dieses beinhaltet aus Sicht der AK: abgestufte Schutzmaßnahmen ab 25 Grad Celsius in Innenräumen. Damit sind Lüftungsmaßnahmen, Dämmungen oder Kühlanlagen gemeint. Reichen die Maßnahmen nicht, sollen ab 30 Grad Celsius Ersatzarbeitsplätze oder zusätzliche bezahlte Pausenregelungen geschaffen werden. Solange der Arbeitgeber keinen kühleren Arbeitsplatz anbietet, soll es ab 30 Grad Celsius hitzefrei geben, und zwar bezahlt.

Einen Rechtsanspruch auf Hitzefrei am Bau gibt es derzeit nicht. Das soll sich ändern. Denn derzeit könne ein Viertel der Bauarbeiter nicht Gebrauch von der Hitzefrei-Regelung machen. Das liege daran, dass zumeist der Arbeitgeber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheide, ob die Arbeiter hitzefrei bekommen oder nicht.

Keine Unterstützung für Siesta von der AK

Von der derzeit diskutierten Siesta hält die AK-Direktorin nicht viel. Erfahrungen aus anderen Bereichen wie dem Handel zeigen, dass geteilte Dienste auch belastend seien können, da die Arbeit viel mehr vom Tag besetze. Außerdem zeige sich, dass die Arbeiter nicht wissen, wo sie die Zeit geschützt vor der Hitze verbringen können.

"Es ist ehrlich gesagt genauso belastend, wenn man sich unbezahlt, drei Stunden ohne Schutz vor Hitze die Zeit vertreiben muss und dann auch noch später nach Hause kommt", so Hruška-Frank.

Vorstellbar sei aber, die Arbeitszeit nach vorne zu verlegen. Darüber müsse man nachdenken und diskutieren. Wichtig sei aber, die Lage von Einzelpersonen zu berücksichtigen. Das betreffe beispielsweise Familien mit Kindern.

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