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Unterwegs mit den ÖBB - Überfüllte Waggons: Wenn die Zugfahrt zur Zumutung wird

Entspannt mit dem Zug von Salzburg nach Klagenfurt fahren. Das war der Plan von Marlene. Bereits bei der Buchung der Tickets zeigte sich: Die Fahrt dürfte spannend werden, denn Reservierungen waren nicht mehr möglich.

Sie passte gerade noch in den Zug, viele andere Menschen blieben zurück. Die Flut an Beschwerden zeigt: So wie Marlene geht es derzeit vielen. Fakt ist - die ÖBB schreiben Passagierrekorde, werden dem Ansturm aber oftmals nicht gerecht.

In schlechter Erinnerung sind Szenen des Sommers 2022, als Fahrgäste trotz gültigen Tickets überfüllte Züge verlassen mussten. Erst jüngst räumte ÖBB-Boss Andreas Matthä ein, dass derzeit der "Komfort manchmal leidet".

Verbesserungsbedarf bei Vorabinformationen

Wie wird dieser Sommer? Im Fernverkehr hat die ÖBB aktuell 20 Prozent mehr Fahrgäste als im Rekordjahr 2019. Marlene verbrachte ihre Zugfahrt am Boden. Die Staatsbahn rät den Kunden zu reservieren. "Über den Tag verteilt haben wir auf allen Strecken ausreichende Kapazität", so Bernhard Rieder, Sprecher der ÖBB.

Laut Michael Schwendinger vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) ist die Überfüllung ein Thema zu Spitzenzeiten. "Verbesserungsbedarf gibt es bei den Vorabinformationen zur Auslastung der Züge", sagt Schwendinger.

Investitionen in die Infrastruktur

Das Interesse am Bahnfahren ist gestiegen, genauso wie die Investitionen in die Bahninfrastruktur. Standen von 2017 bis 2022 15,2 Milliarden Euro im Rahmenplan, so sollen von 2023 bis 2028 rund 19 Milliarden investiert werden.

Damit werden auch neue Züge angeschafft. Das dauert aber, denn: "Züge kauft man nicht von der Stange", sagt Rieder. Die Züge, die 2018 bestellt wurden, sollen dieses und nächstes Jahr ankommen. "Im europäischen Schnitt investiert Österreich sehr viel in die Bahn und gehört zum Spitzenfeld", bestätigt Schwendinger.

Dabei komme es auch zu Verzögerungen. "Das liegt am Krieg und an Ressourcenknappheit", so der Mobilitätsexperte. So orderten die ÖBB 14 Doppelstock-Railjets beim Schweizer Hersteller Stadler. Zum Einsatz kommen sie aber nicht vor 2026. Weitere 16 neue Akkutriebzüge für die Kamptalbahn fahren dort ab 2028.

Internationale Buchungen sind oft schwierig

Marlenes Zugfahrt fand an einem der heißesten Tage der Woche statt. Die Klimaanlage fiel aus. Zugfahrer berichten auch von defekten Toiletten, schlechtem Internetempfang oder einer komplizierten Ticketbuchung.

Eine Studie der FH St. Pölten hat die Buchung von Zugreisen mit jenen von Flugreisen verglichen. Das Ergebnis: Ein Drittel der 76 Probanden ist an der Buchung internationaler Bahntickets gescheitert. Laut Studienautor Thomas Preslmayer liege das vor allem an fehlenden verbindlichen Standards oder nationalen Besonderheiten in der Tariflandschaft.

Zugfahren ist häufig teurer als Fliegen

Apropos Tarife, ein Vergleich von Greenpeace zeigt, dass Zugfahren häufig immer noch teurer ist als Fliegen. Von 112 untersuchten Strecken in Europa waren nur 23 mit der Bahn billiger. "Vor allem international ist das Thema Bahn vernachlässigt worden", sagt Schwendinger.

Aufgrund einer fehlenden Kerosinsteuer wurde der Flugverkehr in Österreich im Jahr 2022 mit rund 360 Millionen Euro begünstigt, so der VCÖ. Eine von der EU-Kommission beauftragte Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass der Flugverkehr EU-weit mit rund 70 Milliarden Euro subventioniert wird.

Den Problemen der Bahn zum Trotz erfreut sie sich wachsenden Andrangs. Das liegt unter anderem daran, dass Auto und Flugzeug ebenso an Grenzen stoßen. Eine Umfrage von Market zeigt, dass 34 Prozent der Personen in Österreich nie fliegen.

ÖBB gehört zu den pünktlichsten Bahnen

Der Pünktlichkeitsgrad der ÖBB lag im Jahr 2022 bei rund 95 Prozent. Trotzdem sorgen Verspätungen für Ärger. "Es wäre falsch, zu sagen, die ÖBB ist unpünktlich. Im europäischen Vergleich gehört sie zu den pünktlichsten Bahnen", sagt Schwendinger.

Ein Grund für Verspätungen sei aber, dass man es 2023 noch nicht geschafft habe, sich auf eine einheitliche Betriebssprache zu einigen. Marlenes Zug hatte fünf Minuten Verspätung. Somit erreichte sie ihre Anschlussverbindung - einen fast leeren Zug. Die Klimaanlage funktionierte dort fast zu gut.

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