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Debatte um Namensgebung: Sind Zoos heute noch zeitgemäß?

Zoos soll es schon vor 5.000 Jah­ren ge­ge­ben haben. In Ägyp­ten wur­den etwa Gi­raf­fen oder Ele­fan­ten ge­hal­ten. Der äl­tes­te noch be­ste­hen­de Zoo exis­tiert in Ös­ter­reich, 1752 wurde der Tier­gar­ten Schön­brunn als kai­ser­li­che Me­na­ge­rie er­öff­net. Der erste zoo­lo­gi­sche Gar­ten mit wis­sen­schaft­li­chem An­spruch öff­ne­te 1828 in Lon­don seine Pfor­ten.

Seit da­mals hat sich viel ver­än­dert. Heute wol­len Zoos nicht mehr nur Kin­der­au­gen zum Leuch­ten brin­gen, son­dern sehen sich auch zu­neh­mend als For­schungs­zen­tren für den Ar­ten­schutz, die­sen hat die UNO 1993 im Rah­men der Bio­di­ver­si­täts­kon­ven­ti­on fest­ge­schrie­ben. Die Be­wah­rung der Ar­ten­viel­falt und den Ar­ten­schutz will auch der Tier­gar­ten Schön­brunn in den Vor­der­grund rü­cken. Am Mittwoch gab der Zoo bekann, seinen 7780 Tieren künftig keine Namen mehr geben zu wollen - mit dem er­klär­ten Ziel, dass der Fokus auf die Spe­zi­es und nicht mehr auf das In­di­vi­du­um ge­lenkt wird. Nachdem der Vorstoß für Aufregung gesorgt hatte, stellte der Tiergarten am Donnerstag klar, dass weiterhin Namen vergeben würden. Allerdings wolle man diese nicht mehr als "Marketing-Instrument" verwenden und aktiv nach außen kommunizieren. Auf Nachfrage sollen die Besucher aber weiterhin die Namen ihrer Lieblinge im Zoo erfahren.

Sind Zoobesucher empfänglicher für Naturschutz?

Täg­lich ver­schwin­den etwa 150 Arten von die­sem Pla­ne­ten. Der Welt­zoo­ver­band for­dert des­halb dazu auf, Zoo­be­su­cher für den Er­halt der Viel­falt zu be­geis­tern und durch Na­tur­schutz­bil­dung zu mo­ti­vie­ren, das ei­ge­ne Ver­hal­ten zu über­den­ken. Doch wie viel be­wir­ken diese Maß­nah­men?

Video-Umfrage: Soll man Tieren im Zoo weiterhin Namen geben?

Eine Ant­wort auf diese Frage lie­fert eine Stu­die aus dem Jahr 2019, die im Fach­jour­nal "Fron­tiers in psy­cho­lo­gy" ver­öf­fent­licht wurde. Laut den Au­to­ren sind Zoo­be­su­cher emp­fäng­li­cher für Na­tur­schutz­bot­schaf­ten und be­tei­li­gen sich nach einem Be­such eher an Na­tur­schutz­maß­nah­men vor Ort. Je öfter man einen Zoo be­su­che, umso eher setzt man sich für den Na­tur­schutz ein.

An­de­re Stu­di­en kom­men zu ge­gen­tei­li­gen Er­geb­nis­sen. Der Pri­ma­to­lo­ge Vol­ker Som­mer hält Zoos nicht für zeit­ge­mäß. Statt über die Arten und ihre Le­bens­räu­me zu ler­nen, würde der Zoo­be­such de­sen­si­bi­li­sie­ren und das Ein­sper­ren von wil­den Tie­ren le­gi­ti­mie­ren. Au­ßer­dem ver­misst er, schreibt er in einem Ar­ti­kel für die deut­sche Bun­des­zen­tra­le für po­li­ti­sche Bil­dung, den Fokus auf so­ge­nann­te Aus­wil­de­rungs­pro­gram­me für be­droh­te Tier­ar­ten. Nur etwa ein Dut­zend Arten hät­ten Zoos im Laufe der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te auf diese Weise zu­rück in die Natur brin­gen kön­nen.

Der Wisent als Erfolgsgeschichte

Welt­weit sind Zoos stolz auf genau diese Er­fol­ge. Laut einer Stu­die des Lon­do­ner In­sti­tu­te of Zoo­lo­gy sind ak­tu­ell 84 Tier- und Pflan­zen­ar­ten, die in frei­er Natur be­reits aus­ge­stor­ben sind, nur mehr in Zoos, Aqua­ri­en, bo­ta­ni­schen Gär­ten und Saat­gut­ban­ken zu fin­den. „Das Ziel muss sein, diese Arten mög­lichst wie­der zu­rück in die Wild­nis zu brin­gen", er­gänzt der Ver­band der Zoo­lo­gi­schen Gär­ten, dem auch der Tier­gar­ten Schön­brunn an­ge­hört.

Ge­lun­gen ist dies etwa beim eu­ro­päi­schen Wi­sent. Die letz­ten Tiere in der frei­en Wild­bahn wur­den An­fang des 20. Jahr­hun­derts ge­tö­tet, mitt­ler­wei­le ist der Wi­sent in sei­nen Le­bens­raum zu­rück­ge­kehrt. Heute gibt es laut der Na­tur­schutz­or­ga­ni­sa­ti­on WWF welt­weit wie­der 7.200 Ex­em­pla­re.

Auch der Tier­gar­ten Schön­brunn be­tei­ligt sich an zahl­rei­chen Ar­ten­schutz­pro­jek­ten. Eines davon hat sich etwa die Er­for­schung und Wie­der­an­sied­lung des Wald­rapps zum Ziel ge­setzt. Der Wie­ner Zoo ko­or­di­niert das Pro­jekt rund um den seit dem 17. Jahr­hun­dert in Eu­ro­pa aus­ge­rot­te­ten Zug­vo­gel, un­ter­stützt es fi­nan­zi­ell und stellt die In­fra­struk­tur für die Auf­zucht der Küken zur Ver­fü­gung. Im Jahr 2021 konn­ten 56 Jung­vö­gel aus­ge­wil­dert wer­den.

Gefangenschaft der Tiere in der Kritik

Mo­der­ne Zoos wol­len nicht mehr bloß der Un­ter­hal­tung der Be­su­cher die­nen. Die An­sprü­che sind in den letz­ten Jahr­zehn­ten stark ge­wach­sen. Ge­nau­so wie die Er­kennt­nis­se über das Ge­fühls­le­ben der Tiere. Ein Dau­er­the­ma ist und bleibt die Kri­tik an der Ge­fan­gen­schaft der Tiere.

Damit be­droh­te Tiere aus der Ge­fan­gen­schaft über­haupt in die Wild­nis zu­rück­keh­ren kön­nen, müs­sen sie einen in­tak­ten Le­bens­raum vor­fin­den. Ist die­ser durch den fort­schrei­ten­den Kli­ma­wan­del oder die mensch­li­che Zer­stö­rung der Natur be­droht, dürf­ten auch Be­mü­hun­gen zum Schutz ein­zel­ner Arten ver­ge­bens sein - und Zoos zu den letz­ten Re­fu­gi­en be­droh­ter Tiere wer­den.

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