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FPÖ-Jugend-Video: Wie die FPÖ-Jugend mit den Identitären verschmilzt

Worum geht es bei dem Video?

Ein am Sonntag veröffentlichtes Video der FPÖ-Jugend sorgt für Kritik. Die Freiheitliche Jugend positioniert sich darin als "letzte Chance" für Österreich, um Probleme wie den "Kulturverlust", "Sprachverbote", "Regenbogenterror" oder den "Bevölkerungsaustausch" anzugehen. Laut der Journalistin Ingrid Brodnig sei das Besondere an dem Video, mit welcher Deutlichkeit Begriffe verwendet werden, die man von Rechtsextremen kennt.

Warum sorgt das Video für Kritik?

Grundsätzlich greift das Video bekannte FPÖ-Themen auf, von der Angst vor Zuwanderung über Absagen an einen vermeintlichen "Gender-Wahn" bis hin zu "Linken", die den Diskurs bestimmen. Dabei werden Fotos, etwa von ZiB-2-Journalist Armin Wolf oder der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl eingeblendet, die somit zu personifizierten Feindbildern werden.

Neu sei all das nicht, sagt Bernhard Weidinger, Rechtsextremismusforscher beim DÖW, "das Video bündelt die Entwicklungen, die wir in letzter Zeit gesehen haben". Der Forscher sieht eine zunehmende Verschmelzung der Freiheitlichen Jugend mit der rechtsextremen Identitären Bewegung, Rückendeckung bekomme die Jugendorganisation dabei von der Mutterpartei.

Welche Rhetorik wird verwendet?

"Die verwendeten sprachlichen Bilder passen genau zur Rhetorik der Identitären", so Brodnig. Sprachliche Codes der als rechtsextrem eingestuften Bewegung seien beispielsweise die Worte "Kultur" oder "Identität", die als Synonym für das Wort "Rasse" verwendet werden. "Der angebliche 'Kulturverlust' ist auch ein typischer Begriff der neurechten Szene", schildert Brodnig. Mit harmlos klingenden Worten wie "Heimat" und "Tradition" könne man laut der Journalistin Menschen ansprechen, denen patriotische Gefühle wichtig sind, und ihnen solche Rechtsaußen-Ideen nahelegen.

Weidinger erinnern im Video verwendete Begriffe wie "Remigration" oder "Bevölkerungsaustausch" an die Identitären, ebenso wie die Grunderzählung, man sei "die letzte Generation, die sich das Land zurückholen könne". Auch die gezeigten Bücher und Autoren seien in identitären Kreisen populär und beinhalten teils autoritäres, antidemokratisches Gedankengut. "Was man vielleicht vor fünf Jahren noch als identitäre Rhetorik bezeichnet hätte, ist heute freiheitliche Rhetorik", resümiert der Rechtsextremismusforscher.

Welche Personen werden gezeigt?

Die FPÖ-Jugend beschäftige sich mit den "grundlegenden Fragen unserer Zeit", heißt es im Video. Während dieser Passage sind vor allem (auch historische) Personen zu sehen, die dem rechtsextremen Milieu zugeordnet werden.

Zum Beispiel Ernst Jünger, der als einer der geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus gilt. Oder Alain de Benoist, der als Vordenker der neuen Rechten bekannt ist. Auch Oswald Spengler gilt mit seinem Buch "Untergang des Abendlandes" als einer der Urväter des rechten, autoritären Denkens.

Welche Bücher werden gezeigt?

In einer kurzen Sequenz zu "Lesezirkeln", die die Freiheitliche Jugend veranstaltet, werden in schneller Abfolge mehrere Bücher gezeigt. Darunter finden sich mehrere Sachbücher wie "Nation. Eine Begründung" von Karlheinz Weißmann und "Solidarischer Patriotismus. Die soziale Frage von rechts" von Benedikt Kaiser. Der Großteil der gezeigten Sachbücher ist im Antaios-Verlag erschienen, der auf neurechte Literatur spezialisiert ist und auch die Bücher von Martin Sellner, lange das Gesicht der Identitären Bewegung, publiziert hat.

Was ist die Taktik hinter dem Video?

"Gehe auch du mit und werde bei der Freiheitlichen Jugend aktiv", heißt es im Text zum Video. Doch mit dem Video wolle man mehr bezwecken, als bloß neue Parteimitglieder zu rekrutieren, vermutet Weidinger. Einerseits sende man eine Botschaft an jenen Teil des freiheitlichen Spektrums, das den Identitären nahesteht.

Andererseits sei es ein Signal an verbliebene parteiinterne Kritiker der "Umarmung des rechten Randes", dass "der Zug für sie abgefahren" sei. "Ich würde solche Videos schon auch als Versuch werten, solche identitären Ideen zu normalisieren", sagt Brodnig und ortet "gezielte Provokation".

Welche Verschwörungsmythen werden verbreitet?

Laut Brodnig appelliere das Video auch an Verschwörungsgläubige. Am Anfang des Videos wird das Thema Globalisierung angesprochen und Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forum, gezeigt, der das Buch "The Great Reset" geschrieben hat. "Dieses wurde in der Coronazeit in der Szene von Verschwörungsgläubigen instrumentalisiert", schildert die Journalistin. Erwähnt wird auch der "Bevölkerungsaustausch". Das sei eine der wichtigsten Kampagnen der Identitären. "Hier wird die Erzählung verbreitet, dass die europäische Bevölkerung durch Migranten ausgetauscht werden würde", sagt Brodnig.

Kurz werden auch Bilder der brennenden Kathedrale Notre-Dame in Paris eingeblendet. Nachdem bei dem Feuer 2019 große Teile des historischen Gotteshauses zerstört worden waren, wurde in den sozialen Netzwerken spekuliert, es könnte sich um einen islamistischen Terroranschlag gehandelt haben. Laut der französischen Staatsanwaltschaft gibt es allerdings keine Hinweise auf Brandstiftung, man geht von einem Unfall während der Renovierungsarbeiten aus.

Welche versteckten Botschaften finden sich im Video?

"Wir aber wollen eine Zukunft", heißt es im Video, während man im Hintergrund die Neue Burg am Heldenplatz mit dem "Hitler-Balkon" sieht. Jener Ort, von dem aus Adolf Hitler 1938 verkündete, dass Österreich Teil des nationalsozialistischen Deutschen Reichs geworden war, also von der Landkarte verschwunden ist. Weidinger geht davon aus, dass der Schwenk zum "Hitler-Balkon" im Video kein Versehen ist. Entweder könne dieser als "Augenzwinkern an ein bestimmtes Segment" verstanden werden oder als bewusste Provokation nach dem Motto: "Die Linken regen sich darüber auf, aber uns ist es egal", vermutet Weidinger.

Das Video könne auch als eine Gegenposition zur offenen, pluralistischen Gesellschaft verstanden werden. Zum Beispiel wird die Regenbogenfahne gezeigt, vom "Gender-Wahn" gesprochen und eine Dragqueen eingeblendet. "Während früher von Gutmenschen gesprochen wurde, versucht man sich heute mit Begriffen wie 'Wokismus' zu positionieren", analysiert Brodnig.

Wie reagieren die Parteien?

Nachdem das Video auf FPÖ TV hochgeladen wurde, würde es Ingrid Brodnig als deutliches Signal werten, wie sich die Partei als Ganzes positionieren will. Die FPÖ selbst spricht gegenüber der Kleinen Zeitung von einer "konsequenten Linie, die die FPÖ auch von den anderen Parteien unterscheidet". Wenig erfreut zeigen sich andere Parteien über das Video.

Helmut Brandstätter von den Neos sagt: "Mit dem ungenierten Hetzen gegen einzelne Journalisten und Bevölkerungsgruppen und dem Bezug auf rechtsextreme Autoren ist definitiv eine rote Linie überschritten!" Laut Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur, zeige das Video, wo die Reise der FPÖ hingehe, und sie äußert sich so: "Sie ist ein Feind der Freiheit und stellt Leute an den Pranger, die nicht ihre Meinung teilen. Das ist das Gegenteil von demokratischem Verhalten."

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