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Laut Wissenschaftlern: Welche Lücken beim Klimaplan geschlossen werden sollten

Im Juli dieses Jahres hat Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) einen Entwurf des Integrierten nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP)für Österreich vorgestellt. Dieser beschreibt den Weg zur Erreichung der Klimaziele Österreichs für die Periode 2021 bis 2030.

Bis 2030 soll Österreich seinen CO₂-Ausstoß im Vergleich zum Jahr 2005 um 48 Prozent reduzieren. Doch der aktuelle Klimaplan samt Maßnahmen sorgt nur für eine Reduktion von 35 Prozent. Das sind 13 Prozentpunkte zu wenig.

Deshalb hat das Klimaschutzministerium die breite Öffentlichkeit dazu eingeladen, sich einzubringen und Ideen zu liefern, wie die Lücke im Klimaschutz geschlossen werden kann. Am Mittwoch meldeten sich 48 Wissenschafter und Wissenschafterinnen des Climate Change Center Austria (CCCA), und verschiedene NGOs wie Global 2000 oder Greenpeace zu Wort.

Wissenschafter orten gute Ansätze

Die Einbindung der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft heben die Wissenschafter des CCCA positiv hervor. Damit könne eine breitere Perspektive eingenommen werden, um einen zielgerichteten Ansatz für Klimaschutz zu entwickeln.

Gegenüber des Klimaplans aus dem Jahr 2019 sei der aktuelle Entwurf eine Verbesserung. Denn er enthalte eine "Vielzahl an zielführenden Maßnahmen" und habe damit an Substanz gewonnen. Vor allem die Mischung aus preislichen Anreizen und regulativen Maßnahmen sei positiv zu bewerten. Beispiele dafür sind: das Erneuerbaren-Ausbaugesetz, das Klimaticket oder die nationale CO₂-Bepreisung. Wobei letztere für eine Klimazielerreichung zu niedrig sei.

"Die aktualisierte Version des NEKP markiert einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, jedoch ist größere Entschlossenheit erforderlich, um den Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden", betont Karl Steininger, einer der Hauptautoren der Stellungnahme des CCCA.

Wissenschafter sehen auch wesentliche Mängel

Deutlich werde anhand der Analyse des CCCA aber, dass es noch wesentliche Mängel zu beheben gebe. Der Plan spare wichtige Aspekte aus, lasse Fragen offen und biete keine ausreichende Gewissheit über die Wirksamkeit der geplanten Strategien, schlussfolgern die Wissenschafter.

Ein genanntes Beispiel ist die zu kurz gekommene sozial-ökologische Reform. Diese umfasse die Bekämpfung von bestehenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten, die Berücksichtigung des Verursacherprinzips oder die Unterstützung der betroffenen Arbeitnehmerschaft. "Es geht um ein gutes Leben nicht nur für einige, sondern für alle, in Österreich und weltweit", so die Stellungnahme des CCCA.

Ein weiteres Beispiel für Kritik ist die CO₂-Bepreisung. Diese sei zwar notwendig, aber eine CO₂-Bepreisung allein genüge laut den Wissenschaftern nicht. Sie müsse mit der Bereitstellung von klimafreundlichen technischen und sozialen Strukturen kombiniert werden. Das bedeute, dass besonders Menschen mit geringem Einkommen und jene in Gegenden mit "inadäquater" Infrastruktur entlastet werden sollten. Der Preis müsse zudem bis 2030 auf 130 bis 400 Euro pro Tonne CO₂ steigen, um wirksam zu sein.

Wissenschafter liefern Vorschläge

"Es ist unumgänglich, dass der Plan in vielen Bereichen konkreter wird und weitreichendere Maßnahmen beinhaltet, um einen fairen Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten und eine lebenswerte Zukunft für zukünftige Generationen zu sichern", so Steininger.

Im Bereich Mobilität schlagen die Wissenschafter eine Senkung des Tempolimits beispielsweise auf 100 km/h auf Autobahnen und die Verteuerung beziehungsweise das Verbot von Kurzstreckenflügen und eine Einschränkung von Privatflügen vor.

Mehr Ambitionen brauche es beim Ausbau der erneuerbaren Energiequellen. Außerdem sollten laut den Wissenschaftern alle klimaschädlichen Subventionen abgebaut werden. Seitens der Landwirtschaft brauche es eine Treibhausgasreduktionsstrategie.

Auch NGOs melden sich zu Wort

Umwelt-NGOs nutzten ebenfalls die Konsultationsfrist zum Klimaplan. Greenpeace hat einen 55-Punkte Plan ausgearbeitet und empfiehlt beispielsweise eine Mobilitätsgarantie. Diese soll sicherstellen, dass allen Österreichern ein Mobilitätsangebot innerhalb von 15 Gehminuten zur Verfügung steht.

"Mit den bisher vorgesehenen Maßnahmen wird Österreich die EU-Klimaziele um rund 16 Millionen Tonnen an Treibhausgasen verfehlen", schätzt die Umweltschutzorganisation WWF auf Basis des Entwurfs und verwies in einer Aussendung auf die Kosten, die laut Finanzministerium und Rechnungshof mehrere Milliarden Euro Kosten für Zertifikate aus dem Ausland ausmachen würden. Auch der WWF liefert 50 Vorschläge für mehr Klimaschutz und fordert die Einbindung dieser in das Klimaschutzgesetz.

Inwieweit Österreichs Klimaziele, für deren Definition das Umweltministerium verantwortlich ist, von den anderen Ministerien mitgetragen werden, fragte sich indes Global 2000, denn im Entwurf seien die "Verantwortlichkeiten nicht klar und verbindlich zugeordnet und auch die Finanzierung ist nicht sichergestellt. Kurz gesagt: Dieser Entwurf fällt durch und es braucht eine grundlegende Überarbeitung!", fasste Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher der NGO, einige Kritikpunkte zusammen.

"Die Wirksamkeit des NEKP bzw. die Einhaltung des darin festgelegten Emissionspfades hängt entscheidend davon ab, wie der NEKP umgesetzt wird und wie die Umsetzung kontrolliert wird. Dazu ist ein Klimaschutzgesetz notwendig", so die Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb. Bis 31. Juli 2024 bleibt noch Zeit, den Klimaplan zu überarbeiten. Dann muss der Entwurf an die EU übermittelt werden. Aus dem Umweltministerium heißt es, dass nun nach dem endgültigen Ablauf der Frist erst einmal alle Stellungnahmen gesichtet werden würden.

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