Wer und was genau erwartet die Zuhörer beim Schamrock-Festival? Lyrikerinnen aus 18 Ländern werden diesmal nach München reisen. Stellvertretend für all diese Stimmen stellen wir sechs höchst unterschiedliche Dichterinnen vor, die am Wochenende zu hören sein werden.
Romana Ganzoni
Es trieft der helle Mond am Nachthimmel wie ein "Apfelschnitz / noch feucht / Getrennt von seiner Frucht", es halten sich die Engel wie Verliebte um Mitternacht, und schwer ist der Duft "Black Orchid", der nach "nächtlichem Gewitter und einem Löffel Zucker" riecht. Kitsch ist ein zentrales Thema in den Gedichten der Schweizer Schriftstellerin Romana Ganzoni (Sonntag, 14 Uhr). Was die meisten Lyriker tunlichst zu vermeiden suchen, nimmt sie als Grundlage - ein Spiel mit Vorurteilen und Lesererwartungen in Versen.
Die üppigen Materialien, die schweren Düfte, Puder, Nagellack, der Pelz; die ganzen theatralen Requisiten, von denen Ganzonis Gedichte erzählen, mimen die scheinbar floskelhaften Worte, reflektieren aber vor allem ihre eigene Künstlichkeit und poetische Überformung. Auf Rätoromanisch und Deutsch dichtet die Engadinerin über Weiblichkeit und Sinnlichkeit, Maskierung und Entblößung - und über die Sprache, die selbst immer schon Hülle und Verkleidung ist.
Romana Ganzoni wurde 1967 im idyllischen Bergdorf Scuol geboren. Kitschig-schön ist hier die Landschaft, doch die Kultur spielt in den Städten. Fürs Geschichts- und Germanistikstudium geht Ganzoni nach Zürich, später nach London - und kehrt zuletzt doch wieder zurück. Auch literarisch reist die Lyrikerin immer wieder an den Ort ihrer Kindheit - und setzt sich offensiv mit dessen Klischeebildern auseinander.