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Mehr als nur ein Seidenschal

Brandenburg/H. „Jeder Tag ist Frauentag" - Diese Aussage wurde zum Motto des diesjährigen internationalen Frauentags. Auch die Stadt Brandenburg an der Havel hat den Frauentag auf eine Woche ausgeweitet - und zwar auf die landesweite Brandenburgische Frauenwoche unter dem Motto „Selbst Schuld". Ein Motto, das provozieren soll, das aber vor allem wegen der immer noch sehr hohen Zahlen an Gewalt gegenüber Frauen bitter aufstößt.

Im Rahmen dieser Frauenwoche wurde am Freitag der Brandenburger Frauenpreis im Rolandsaal des Altstädtischen Rathauses vergeben.

Eine Veranstaltung also, in der Frauen unterstützt und für ihr Engagement geehrt werden - sollte man meinen.

Schon das Banner der Brandenburgischen Frauenwoche - pinkfarbener Hintergrund, im Vordergrund eine glückliche Frau, umringt von Blumen - bedient Geschlechterklischees. Sollte das Bild der Frau sich nicht mittlerweile soweit verändert haben, dass sie nicht mehr nur auf Blumen und die Farbe rosa reduziert wird?

Trotzdem blicke ich gespannt auf die Preisverleihung, schließlich werden hier starke Frauen geehrt. In diesem Jahr zeichnet Margrit Spielmann den Brandenburger Verein „Kleeblatt" aus, ins Leben gerufen von den vier Mitgliedern Karin Haberlandt, Janine Matzdorf, Christin Helwich und Janina Pietschmann.

Die vier Brandenburgerinnen sammelten in einer Fundraising-Aktion über 6000 Euro, mit denen sie vier Neocams für die Frühchenstation des Städtischen Klinikums Brandenburg kauften. Mit diesen Neocams können Eltern, deren Kinder nach der Geburt noch in einem Inkubator bleiben müssen, ihre Kinder über Kameras verfolgen.

Geschlechterfallen überall

Soweit ganz erfreulich. Doch leider tappst die Veranstaltung weiter von Geschlechterfalle zu Geschlechterfalle. Margrit Spielmann vermerkt, die Preisträgerinnen hätten mit ihrem „Charme" gewonnen - und nicht etwa durch ihr Durchhaltevermögen oder ihre Überzeugungskraft.

Und sie zitiert eine der Gewinnerinnen mit den Worten: „Wir vier Frauen saßen zusammen, redeten in diesem Freundeskreis nicht nur über Kindererziehung, über Mode und über Alltäglichkeiten, sondern auch sehr kritisch über Probleme, die es im sozialen Bereich in unserer Stadt gibt."

Ich werde sauer. Alleine die Erwähnung, dass nicht nur über diese vermeintlich weiblichen Themen diskutiert wird, setzt das herab, was der Feminismus in den vergangenen Jahrzehnten erreicht hat. Die Veranstaltung, die eigentlich Frauen für ihre Ideen und Projekte auszeichnen soll, stellt diese nun als rückständige Wesen dar.

Veraltete Wahrnehmung der Geschlechterrollen

Bisher habe ich die Gleichstellung der Frau als fortschreitend empfunden, doch auf dieser Veranstaltung fühle ich mich um viele Jahrzehnte zurückversetzt. Denn wie fortschrittlich ist eine Gesellschaft, in der Frauen immer noch damit beschrieben werden, über Kindererziehung und Mode zu diskutieren?

Die Krönung der Gewinnerinnen wird schließlich auch zur Krönung meiner eigenen Wut: Zwei der vier Frauen des Vereins „Kleeblatt" sind anwesend. Als sie auf die Bühne kommen, erhalten sie als Auszeichnungen einen weißen Seidenschal, auf dem ein grünes Kleeblatt eingestickt ist und der ihnen um den Hals gelegt wird.

Eine kleine Geste, die ein großes Beispiel für den Sexismus ist, der auch heute noch in Brandenburg herrscht. Auch für die Organisatoren des Preises ist es an der Zeit, zu erkennen, dass wir Frauen mehr sind als nur ein weißer, bestickter Seidenschal.

Von Sally-Charell Delin

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