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"Wir maximieren Kinderglück"

Sein Nachbar hatte ihn gefragt, ob er nicht mal für seine Kinder den Weihnachtsmann spielen könne, so fing es an. Thilo Tamme studierte damals Business Administration in Lüneburg. Sein Auftritt machte ihm Freude, mindestens ebenso sehr wie den Nachbarskindern. Das war 2015.

Etwa ein Dreivierteljahr später setzte er die Website eines Start-ups auf: WeihnachtsmannWerk. Seine Idee: Familien aus Hamburg und Umgebung können sich dort Weihnachtsmänner buchen - unkompliziert und zuverlässig. Schließlich hat nicht jeder, der gerade einen Weihnachtmann braucht, den passenden Studenten als Nachbarn.

Die Idee ging auf. Auch Unternehmen wie die Lufthansa, die Deutsche Bahn und das Auktionsportal eBay haben Tammes Darsteller schon engagiert. Heute ist er 27 Jahre alt und Unternehmensberater. Er arbeitet als Senior Growth Architect, das bedeutet: Er hilft großen Firmen, Innovationen voranzutreiben und eigene Start-ups aufzubauen. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig das ist: Als Student startete er mehrere kleine Unternehmen. Er gründete Online-Shops und entwarf Sensoren, die messen, wie viel CO₂ im Raum ist. Vieles scheiterte. " Fail and learn", sagt Tamme. Das WeihnachtsmannWerk wuchs.

Die meisten Weihnachtsmänner sind Studenten

Wie viel Geld er mit seiner Weihnachtsmann-Vermittlung verdient? Will er nicht sagen. Nur so viel: Er konnte Teile seines Studiums und seiner Auslandsaufenthalte in Hongkong, den Niederlanden und den USA damit finanzieren. Die meisten seiner Weihnachtsmänner sind Studenten. Am Heiligen Abend macht Thilo Tamme sich aber auch selbst auf den Weg. Dann streift er weiße Handschuhe über, stopft seine blonden Haare unter eine Perücke, knautscht ein Kissen unter seine Sweatjacke, wirft einen knöchellangen roten Mantel darüber und versteckt sein junges Gesicht hinter einem wuschelig-weißen Bart. Nur an seinen Augen erkennt man dann noch, dass er nicht der alte, dicke Mann ist, den er spielt.

Sein Arbeitstag beginnt am 24. Dezember um 8 Uhr morgens, bei einigen Familien findet die Bescherung schon früh statt. Der letzte Termin endet gegen 23 Uhr - oft bei Erwachsenen, die sich einen Weihnachtsmann zum Spaß bestellen. Dann ist Tamme vor allem Stimmungsmacher und klopft Sprüche über Heirat, Familienplanung und Taschengelderhöhungen. Alles vorher abgesprochen, versteht sich. Ein paar Regeln sind besonders wichtig: Eine Rute für die Kinder hat er nie dabei, auch wenn manche Eltern danach fragen. Der Weihnachtsmann bringt Freude, keine Angst. Und er verlässt den Raum, bevor die Geschenke ausgepackt werden. So muss er sich nicht auf enttäuschtes Gequengel und Fragen vorbereiten.

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