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Kampf der Bilder

Eine frei gestaltete Collagevariation, angelehnt an typische Fashwave-Symbole und Farbsprache der rechtsextremen Memes. (Foto: Shutterstock/Collage:SZ)

Vor einem schwarzen Hintergrund zeichnet sich eine rote Figur ab, die einem griechischen Gott ähnlich sieht. Die Augen sind lediglich zwei rote Laserpunkte, der Mund ist mit einem Totenkopfsticker bedeckt. Auf dem dunklen Bild in Retro-Optik steht "Equality is a false god" oder "Gleichberechtigung ist der falsche Gott". Das Bild wurde auf Instagram gepostet, der Name des Accounts lässt auf ein deutsches Benutzerkonto schließen. Neben dem wütend aussehenden griechischen Gott reihen sich andere düstere, aber zugleich knallige Bilder aneinander, meist sind Gewehre oder Totenköpfe zu sehen. Oft rufen die Darstellungen zu einem Kampf gegen die Moderne auf oder sind mit Aussagen wie "Die Welt gehört uns" unterlegt.

Fast immer ist unter diesen Bildern der Hashtag "Fashwave" zu finden, über 20 000 Beiträge versammeln sich auf Instagram unter diesem Begriff. Fashwave ist abgeleitet aus dem Englischen von "fascism" und "wave". Es ist ein Onlinetrend, mit dem rechte Nutzer versuchen, ihre Inhalte in den sozialen Medien zu verbreiten. Hinter der bunten Ästhetik verstecken sich problematische Botschaften, die vor allem junge Männer erreichen sollen.

"Fashwave will bewusst Nostalgie hervorrufen und mit rechtsextremen Vorstellungen verbinden."

So bezieht sich Fashwave laut einem Bericht der Amadeu-Antonio-Stiftung direkt auf ein Musikgenre der 2010er-Jahre namens Vaporwave, einer Mischung aus elektronischer Synthwave- und 80er-Jahre Diskomusik. Ästhetisch fällt Vaporwave mit Neonfarben, verzerrten Bildern, antiken Statuen und Retro-Optiken auf. Es ist eine Form der Kapitalismuskritik, die Optik soll bewusst irritieren, um so auf ein Gefühl der Leere des Individuums in einer kapitalistischen Gesellschaft hinzuweisen. Dabei spielt speziell das Gefühl der Nostalgie eine wichtige Rolle. Fashwave versucht, dieses umzudeuten: Während Vaporwave Nostalgie als ein trügerisches Gefühl der Konsumgesellschaft entlarvt, "will Fashwave bewusst Nostalgie hervorrufen und mit rechtsextremen Vorstellungen verbinden", wie es in dem Bericht der Amadeu-Antonio-Stiftung heißt, die sich für die Bekämpfung von Rechtsextremismus einsetzt.


Diese Art der Ästhetik ist Teil einer Onlinepropaganda der Rechten, um deren Inhalte in den sozialen Medien zu verbreiten. Eine der wichtigsten Plattformen ist dabei Instagram. Oft sind bei den Beiträgen die Botschaften nicht sofort als eindeutig rechts erkennbar, so mischen sich kontroverse Aussagen unter scheinbar unpolitische, futuristische Bilder. Doch finden sich auch immer wieder klare, rechtsextreme Symbole wie etwa das Sonnenrad.

Dass die Rechte in den sozialen Medien aktiv ist, ist nicht neu. Sie greift immer wieder Onlinetrends auf, um neue Zielgruppen zu erreichen. So gibt es etwa Influencerinnen, die über vermeintlich unpolitische, private Accounts ein reaktionäres Weltbild vermitteln. Fashwave wiederum ist Teil einer weltweiten, ultarechten Meme-Kultur. Memes sind Medieninhalte meist in Form eines Bilds, Texts oder Videos, bei der verschiedene Bilder und Elemente auf eine humorvolle, ironische oder satirische Art zusammengeführt werden. Sie enthalten meist eine gesellschaftspolitische Botschaft.


Es geht um die Ablehnung der Moderne und die Darstellung klassischer männlicher Rollenbilder

Simon Strick setzt sich schon seit einigen Jahren mit verschiedenen Formen des digitalen Faschismus auseinander. Dass Rechtsextreme diese Art der Kommunikation nutzen, ist kein Zufall, wie der Gender- und Medienwissenschaftler beschreibt, der das Buch "Rechte Gefühle - Affekte und Strategien des digitalen Faschismus" veröffentlicht hat. "Es gibt keine ironische Verwendung von Hakenkreuzen", sagt er im Gespräch mit der SZ. "Wir haben es online mit durchaus ernst gemeinten Faschismen zu tun, die vorgeben, sich hinter einem ironischen Faschismus zu verstecken. Versteckt wird aber wenig." Die Vermutung liegt daher nahe, dass Rechtsextreme gezielt Memes wählen, da deren scheinbare Zweideutigkeit oft nicht richtig eingeschätzt werden kann. Bei Fashwave sind die zentralen Themen eine Ablehnung der Moderne und die Darstellung klassischer, männlicher Rollenbilder. Auf den den Bildern der Beiträge stehen immer wieder Botschaften wie "Kämpfe für dein Land" oder "Die Zivilisation ist gescheitert."


Simon Strick sieht in Fashwave vor allem eine Ästhetik, die mit ihren Beiträgen versucht, das Bild einer "glorreichen Vergangenheit" zu vermitteln, die in die Zukunft projiziert werden soll, als eine alternative Moderne. Dass sich die Rechten bei Fashwave an einer Ästhetik der 80er-Jahre bedienen, ist für den Wissenschaftler naheliegend: "Für die digitalen Akteure schien dort noch alles in Ordnung, es war das letzte Jahrzehnt unhinterfragter weißer Männlichkeit, und das Jahrzehnt, wo das Netz als grenzenloser Freiheitsraum vorstellbar war, bevor große Unternehmen auf ihn zugriffen."


Die Zahl der Abonnenten bestimmter Fashwave-Accounts ist relativ klein im Vergleich mit anderen Influencern

Mit dieser Art der Vermittlung rechter Online-Propaganda beschäftigt sich Veronika Kracher seit einigen Jahren. Sie hat den Bericht der Amadeu-Antonio-Stiftung mit zwei Kollegen verfasst. Für sie hat Fashwave im wesentlichen zwei Funktionen. Einerseits sollen über Algorithmen gezielt rechte Inhalte verbreitet werden, andererseits soll sich eine bereits radikalisierte, rechte Szene in ihrem Welt- und Selbstbild bestärkt fühlen. Wie erfolgreich Fashwave damit ist, ist wie bei anderen Onlinetrends schwer zu beurteilen. Wirft man einen Blick auf die Zahl der Abonnenten bestimmter Fashwave-Accounts, dann sind es mit ein paar Tausend Followern relativ wenige im Vergleich zu anderen Influencern. Für Kracher ist jedoch jeder Abonnent bereits einer zu viel: "Jeder Einzelne ist rechtsextremen Inhalten ausgesetzt und läuft Gefahr sich online zu radikalisieren", sagt sie.

Für Simon Strick gehört Fashwave als Onlinetrend zu einem größeren diskursiven Wandel, in dem die Rechte es geschafft hat, reaktionäre und rassistische Gefühlslagen breitentauglich zu kommunizieren und die Grenzen des Sagbaren zu erweitern. Das Internet ist dabei ein Gefühlsraum und Memes eine Form der Kommunikation, die sich Rechte früh zu eigen gemacht haben. "Man sollte Fashwave aber nicht nur als Ästhetik kritisieren, sondern vor allem auch die Politik dahinter verstehen", sagt der Medienwissenschaftler.

Denn Fashwave versucht gezielt, Inhalte durch Ironie und grafische Elemente zu verschleiern. Wie bei der Verbreitung anderer Hetze im Netz, wird eine Regelung über die Plattformen nicht reichen. "Die Plattformen haben kein politisches Interesse, sondern ein kommerzielles", sagt Strick. Da Onlinetrends wie Fashwave sich an den Grenzen des Strafbaren bewegen, wäre ein Verbot keine effektive Lösung. Oft seien Fashwave-Beiträge oder andere Memes durch ihre Zweideutigkeit gar nicht strafbar. Auch würden sich rechte Kanäle durch Verbote lediglich andere Ausspielwege suchen. Das fällt auch bei Fashwave auf. So findet man immer wieder Accounts, die auf Instagram nicht mehr angezeigt werden, aber noch immer einen Telegram-Kanal besitzen, auf dem offen rechte Fashwave-Memes veröffentlicht werden.


Eine Lösung könnte sein, die Identitätsangebote der Rechten für junge Menschen unattraktiv zu machen

Doch was kann man einer Verbreitung solcher Beiträge entgegensetzen? Simon Strick sieht es als eine zivilgesellschaftliche Aufgabe, die Gefühls- und Bildwelten der Rechten zu kontern und eine andere Gefühlspolitik zu betreiben. Das heißt konkret: selbst auf den sozialen Medien aktiv zu werden und alternative Memes zu produzieren. Diese Aufgabe kann aber nur eine Gesellschaft übernehmen, die sich selbst als grundlegend heterogen und divers versteht, findet der Genderforscher. Auch Veronika Kracher sieht eine langfristige Lösung darin, die Identitätsangebote der Rechten für junge Menschen unattraktiv zu machen. Bis dahin sei es aber vor allem eine Aufgabe der Bildungspolitik, junge Menschen vor solchen Inhalten zu schützen. "Es ist wichtig, dass Jugendliche lernen, rechte Bildsprachen zu erkennen", sagt sie.


Doch nicht nur junge Menschen sollten das lernen, sondern auch Mitarbeiter der sozialen Medien. Denn oft erkennen die Algorithmen offene rechtsextreme Symbole wie etwa das Sonnenrad nicht, sagt Kracher. An diesem Punkt müssen die Mitarbeiter der Plattformen aktiv werden. Was strafbar ist, sollte gemeldet und gelöscht werden. Inwieweit Plattformen wie Telegram dieser Verantwortung gerecht werden, ist allerdings ungewiss. Denn auf die Frage, wo illegale Inhalte bei dem Messengerdienst gemeldet werden können, steht auf deren Website als Antwort: "Alle Telegram- und Gruppenchats sind die Privatsache der jeweiligen Nutzer. Wir bearbeiten keine diesbezüglichen Anfragen."

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