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Wären sie nur erbarmungsloser

(Foto: Tamara Arranz/Netflix)

Es klingt nach einer wunderbaren Geschichte der Emanzipation. Drei Sexarbeiterinnen legen ihren Zuhälter um, fliehen und beginnen ein neues Leben. Doch in der Netflix-Serie Sky Rojo von Álex Pina und Esther Martínez Lobatoden, die auch Haus des Geldes gemacht haben, läuft nichts so, wie es laufen soll. So entsteht eine brutale Actionserie, die zwar ästhetisch beeindruckt, aber sonst wenig überzeugt.

Es geht um die drei Sexarbeiterinnen Wendy, Gina und Coral, die in einem Bordell auf Teneriffa für den schmierigen Zuhälter Romeo arbeiten. Als die Kubanerin Gina versucht, ihre Schulden zu begleichen, um das Bordell verlassen zu können, eskaliert die Situation. Ihre Freundinnen kommen ihr zu Hilfe und die drei müssen fliehen. So beginnt eine endlose Verfolgungsjagd zwischen den drei Frauen und Romeos Machodienern, den Brüdern Moisés und Javier.


Partylichter, nackte Haut und Champagner mitten in der Wüste

Die Serie imponiert dabei vor allem durch die Szenerie: Teneriffa wirkt mit seiner trockenen, hügeligen Landschaft wie die Wüste Nevadas, untermalt durch eine Sepiafärbung der Bilder. Mitten in dieser Wüstenlandschaft steht das Bordell, ein trister 60er-Jahre Betonklotz, der jedoch eine eindrucksvolle Parallelwelt aus Glitzer, bunten Partylichtern, viel nackter Haut und Champagnerflaschen birgt. Diese knallbunte Popästhetik ist aber auch problematisch. Sie ästhetisiert die sexuelle Gewalt, mit der die Frauen bei ihrer Arbeit konfrontiert werden. So werden brutale Szenen aus dem Off von einer der Frauen kühl kommentiert: "Wenn man merkt, dass der Club eine Mausefalle ist, aus der man nicht herauskommt, dann ist das Ficken nicht das Schlimmste. Sondern dauernd lachen zu müssen."


Insgesamt hat man das Gefühl, dass diese Serie sich in ihrem Genre unsicher ist. Mal lässt sie brutale Gewaltszenen im Tarantinostil mit einer verspielten spanischen Clubmusik überdecken, ein andermal wird schonungslos gezeigt, wie Romeo der Sexarbeiterin Gina einen Bleistift in die Brust rammt. Zwischen den Verfolgungsjagden sitzen die drei Frauen dann mal gemütlich am Pool und fragen sich, während sie Mojitos schlürfen: "Werden wir die Welt jemals nicht mehr als Nutten sehen?" So wandelt die Serie zwischen Action, Komik, Drama und Horror hin und her, und man weiß als Zuschauerin irgendwann nicht mehr, was man fühlen soll.


Dabei hätte Sky Rojo Potenzial. Die drei Frauen könnten als Action-Heldinnen ihre Befreiung aus einem ausbeuterischen System feiern. Aber stattdessen macht die Serie aus ihnen drei unbeholfene Klischeeprostituierte, die bei einer Verfolgungsjagd ihr Auto fast in den Graben fahren oder sich die Waffe aus der Hand schlagen lassen. Das erhält zwar die Spannung, verleiht der Serie aber auch etwas Lächerliches. In einer Szene sieht man die drei einen Hügel im gleißenden Sonnenlicht hinaufschreiten. Einen Moment fühlt man sich an die Kultserie Drei Engel für Charlie erinnert. Und wünscht sich insgeheim, dass auch Gina, Wendy und Coral ihren Verfolgern erbarmungsloser und kalkulierter entkommen würden.

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